Auf einen Blick
- Thomas Gottschalk sorgt für Kontroversen und provoziert
- Satiriker und Psychoanalytiker Peter Schneider ordnet ein
- Er findet: Gottschalks altbackenen Sprüche seien «ein bisschen tragisch»
Er habe seinem Sohn «unbeherrscht eine geknallt», Frauen «rein dienstlich angefasst» und «Ich habe immer im Fernsehen das gesagt, was ich zu Hause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich zu Hause anders als im Fernsehen», sind nur drei der Aussagen, mit denen Moderationslegende Thomas Gottschalk (74) in den letzten Monaten für Schlagzeilen sorgte.
Auf der Frankfurter Buchmesse legte sich der ehemalige «Wetten, dass…?»-Moderator sogar mit einer Besucherin an. Die Auseinandersetzung drehte sich um Respekt und sein Verhältnis zu Frauen. Es scheint, als sei es Gottschalk egal, dass solche Situationen seinen Ruf als ehemals grösster Entertainer des deutschsprachigen Raumes ruinieren könnten. Psychoanalytiker und Satiriker Peter Schneider (67) ordnet das Verhalten des Deutschen im Interview für Blick ein.
Blick: Herr Schneider, was glauben Sie, warum Thomas Gottschalk nicht müde wird, mit seiner Meinung zu Cancel Culture, Feminismus und dem zeitgenössischen Umgang mit genannten Themen, zu provozieren?
Peter Schneider: Es ist wie bei den Kindern, die unbedingt Aufmerksamkeit bekommen wollen, selbst wenn diese negativ ausfällt. Gottschalk war ein guter Entertainer, aber die Zeiten haben sich nun einmal geändert. Ich miete mir ja auch nicht das Hallenstadion, um längst abgehalfterte Witze zu erzählen und mich zu wundern, wenn die Leute mich ausbuhen.
Mehr zu Thomas Gottschalk
Warum beharrt er auf seinen Ansichten, statt sich mit dem genannten Zeitgeist auseinanderzusetzen?
Es gibt viele Menschen, die es nicht lassen können, sich mit ihrem Schmarren in Szene zu setzen. Im besten Fall wird man dann nur ein komischer Verwandter, der den Schuss nicht gehört hat und den alle etwas seltsam finden. Bei einem Showprofi wie Gottschalk fällt das natürlich mehr auf. Wenn jemand, wie er, meint, seine altbackenen Sprüche in die Welt posaunen zu müssen, und sich dann darüber beklagt, dass nicht alle davon begeistert sind, wird es fast ein bisschen tragisch.
Was zieht Thomas Gottschalk aus seinen Kontroversen?
Gottschalk findet im Dunstkreis der alten weissen Männer und Frauen noch genug Befürworter. Solche, die davon überzeugt sind, dass solche Zoten und Sprüche in Ordnung sind. Sie wollen reden wie damals und glauben, etwas verteidigen zu müssen, was die dummen jungen Leute heute einfach nicht verstehen. Es gibt sehr wenige Bereiche, in denen Traditionspflege wirklich funktioniert. Ein schöner handgefertigter Koffer oder ein besonderes Parfüm können gut altern – aber ein etwas übergriffiger Clown wie Gottschalk ist nun mal kein Chanel No. 5.
Mehr zu Thomas Gottschalk
Warum riskiert Thomas Gottschalk damit seinen Ruf als einer der grössten deutschen Entertainer?
Gottschalk war schon immer exaltiert. Seine «lustigen» Outfits bei «Wetten, dass…?» waren, wenn wir ehrlich sind, immer schon ein bisschen peinlich. Man hat sich schon manchmal fremdgeschämt. Ein Paradiesvogel lebt davon, dass sein Umfeld höflich genug ist, die Exaltiertheit freundlich hinzunehmen. Diese Menschen glauben, dass das, was sie sagen, sie besonders macht. So ist es aber nicht. Es ist wichtig, dass man sich eingesteht, dass sich die Zeiten ändern und gerade Scherze und Pointen keine ewigen Wahrheiten sind.
Was treibt Gottschalk nach einer so grossen Karriere an, sich derart über Cancel Culture aufzuregen?
Ich glaube, er ist stolz auf sein Gelaber, wie es auch die sogenannten Querdenker sind. Beim Papst gehört es zum Geschäftsmodell, gestrig zu sein; bei Entertainern ist es unangenehm. Warum ruht er sich nicht auf der alten Grösse aus? Wer zu seinem Abschied eine solch riesige Kiste, wie die letzte «Wetten, dass…?»-Ausgabe bekommt, der ist nicht gecancelt worden.