«Ich erlebte die Hölle!»
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Paz de la Huerta zu Weinstein:«Ich bin nicht verrückt»

«Fall Weinstein»-Klägerin Paz de La Huerta
«Ich erlebte die Hölle!»

Paz de la Huerta ist eine der Schauspielerinnen, die gegen Filmproduzent Harvey Weinstein klagen. Sie fühlt sich von der #MeToo-Bewegung im Stich gelassen, ist aber trotzdem voller Zuversicht. In Zürich möchte sie als Künstlerin ein neues Leben aufbauen.
Publiziert: 22.08.2021 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 22.08.2021 um 17:28 Uhr
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Paz de la Huerta ist eine der Schauspielerinnen, die gegen Filmproduzent Harvey Weinstein klagen.
Foto: Philippe Rossier
Interview: Patricia Broder

Sie war eine der ersten Frauen, die sich gegen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein (69) erhoben hat: US-Schauspielerin Paz de la Huerta (36). Der «Boardwalk Empire»-Star hat den Filmproduzenten wegen zweifacher Vergewaltigung angeklagt – der Prozess läuft aktuell in Los Angeles. Doch während Weinstein im Gerichtssaal hockt, sitzt Paz de la Huerta Tausende von Kilometern entfernt am Zürichsee. «Ich habe meine Aussage bereits gemacht», sagt sie und drückt ihre Zitrone ins Wasserglas. «Zum Glück, so kann ich mich endlich wieder auf meine Arbeit konzentrieren, und das an meinem neuen Lieblingsort, dem Zürichsee. Hier werde ich die nächsten Wochen bleiben.»

Frau de la Huerta, was führt einen Hollywood-Star wie Sie für mehrere Wochen nach Zürich?
Paz de la Huerta: Ich bin hier auf der Suche nach einem Ort für die letzte Szene meines Films, den ich seit über zehn Jahren drehe: «Im Tal der Tränen». Die Geschichte erzählt eine Art Märchenversion meines eigenen Lebens. Und wie in der gleichnamigen Bibelpassage geht es auch im Film um das Ende des Leidens – in diesem Fall um das Ende meines Leidens. Trotz all der schlimmen Sachen, die mir passiert sind, habe ich nie aufgehört, an diesem Film zu arbeiten. Es fehlt nur noch diese allerletzte Szene. Die passende Kulisse dazu suche ich schon lange, und in Zürich habe sie nun endlich gefunden.

Warum hier?
Ich habe mich verliebt in diese Stadt mit dem See und dem Bergpanorama. Dazu kommt, dass die Schweizer sehr kluge Leute sind, und das mag ich. Zürich macht mich glücklich. Hier möchte ich meine letzte Szene drehen, die meine private Hölle besiegelt.

Ihre private Hölle ist öffentlich bekannt: Der Prozess gegen Harvey Weinstein läuft im Moment. Wie geht es Ihnen damit?
Heute geht es mir zum Glück gut. Aber lassen Sie mich eines klarstellen: Nur weil Harvey Weinstein im Gefängnis sitzt, heisst das nicht, dass er aufhört, mir wehzutun. Was ich mit ihm erlebt habe, war die Hölle. Er und seine Leute haben mich jahrelang unter Drogen gesetzt und für verrückt erklärt, damit man mir die Dinge nicht glaubt, die mir mit diesem Peiniger passiert sind. Aber ich bin nicht verrückt, ich nehme keine Drogen oder Pillen. Und irgendwann werden die Leute das auch sehen.

Sie haben sich nicht unterkriegen lassen und letztes Jahr mit «Puppy Love» wieder einen Film abgedreht. Was hat Ihnen die Kraft dazu gegeben?
Ich halte meinen Kreis klein. Ich lese die Bibel und bin spirituell. Ich lebe gesund, trinke nicht, nehme keine Drogen. Darüber hinaus hat mich meine Kunst geheilt. Selbst als ich 2011 nach einem Busunfall am Set – und ich glaube bis heute nicht, dass das ein Unfall war – zweieinhalb Jahre im Spital war und nicht laufen konnte, habe ich mich gezwungen zu malen. Die Kunst hat mich gerettet. Auch als es mir ganz schlecht ging, habe ich weitergearbeitet und Filme gemacht. Das unterscheidet mich von den anderen Weinstein-Opfern. Ich möchte nichts Negatives über die anderen Schauspielerinnen sagen, aber ich fühle mich von der #MeToo-Bewegung schlecht behandelt.

Inwiefern?
Ich wurde emotional manipuliert. Ich wurde so hingestellt, als sei ich verrückt oder auf Drogen. Deshalb habe ich die Bewegung verlassen. Aber vielleicht war alles auch bloss ein dummes Missverständnis.

Die Stehauffrau

Paz de la Huerta (36) wurde in New York City geboren. Schon als Kind nahm sie Schauspielunterricht am SoHo Children's Acting Studio. Bekannt wurde sie 1999 als 14-Jährige im Film «The Cider House Rules» von Lasse Hallström. Ihren bisher grössten Erfolg feierte de la Huerta in der Rolle der Lucy Danziger in der Hitserie «Boardwalk Empire» von 2010 bis 2011. In dieser Zeit soll sie Harvey Weinstein zweimal vergewaltigt haben. Als sie ihn deswegen konfrontiert, verliert sie ihren Job bei der HBO-Serie. Im Herbst 2011 wird sie während der Dreharbeiten zu «Nurse 3D» schwer verletzt. 2017 klagt sie Harvey Weinstein öffentlich an. 2015 folgt ein viel beachteter Auftritt im Film «Bare». Aktuell lebt Paz de la Huerta in Madrid, möchte aber bald nach Zürich ziehen.

Paz de la Huerta (36) wurde in New York City geboren. Schon als Kind nahm sie Schauspielunterricht am SoHo Children's Acting Studio. Bekannt wurde sie 1999 als 14-Jährige im Film «The Cider House Rules» von Lasse Hallström. Ihren bisher grössten Erfolg feierte de la Huerta in der Rolle der Lucy Danziger in der Hitserie «Boardwalk Empire» von 2010 bis 2011. In dieser Zeit soll sie Harvey Weinstein zweimal vergewaltigt haben. Als sie ihn deswegen konfrontiert, verliert sie ihren Job bei der HBO-Serie. Im Herbst 2011 wird sie während der Dreharbeiten zu «Nurse 3D» schwer verletzt. 2017 klagt sie Harvey Weinstein öffentlich an. 2015 folgt ein viel beachteter Auftritt im Film «Bare». Aktuell lebt Paz de la Huerta in Madrid, möchte aber bald nach Zürich ziehen.

Neben Weinstein steht aktuell auch R. Kelly vor Gericht. Prinz Andrew ist wegen seiner Missbrauchsklage unter Druck, und selbst gegen Sänger Bob Dylan sind vor wenigen Tagen Missbrauchsvorwürfe erhoben worden. Die Zeit der hochrangigen Sexualstraftäter scheint endgültig abgelaufen.
Ja, und das ist Karma. Karma sorgt für Gerechtigkeit. Ich hoffe, dass auch ich eines Tages Gerechtigkeit erhalte. Aber wissen Sie, das Schlimmste ist: Es gibt noch viele Täter wie Weinstein – auch Frauen. Frauen können genauso böse sein.

Sprechen Sie von Ghislaine Maxwell, die vermeintliche Gehilfin von Jeffrey Epstein?
Ich kenne weder Ghislaine Maxwell noch Jeffrey Epstein. Ich sage nur: Die Wahrheit wird ans Licht kommen. Menschen, die zum Schweigen gebracht wurden, werden ihre Stimme erheben.

Ist Hollywood dank der #MeToo-Bewegung ein besserer Ort geworden für junge Frauen?
Ich hoffe es. Hollywood kann junge Frauen zerstören. Es gibt zwar tolle Leute in der Filmszene, wie meinen Freund Jack Nicholson. Aber ansonsten ist Hollywood ein toxischer Ort, mit falschen Menschen – und ich mag keine falschen Menschen. Ich lebe zurzeit nicht mehr in Hollywood, sondern in Madrid, und das ist gut so.

Was wäre Ihr Ratschlag an eine junge Frau, die es heute im Filmbusiness schaffen möchte?
Sei echt, echt, echt; also ehrlich zu dir selber und ehrlich zu anderen. Das ist der Schlüssel, um eine gute Schauspielerin zu sein. Alle denken, man müsse in diesem Metier lügen und allen etwas vorspielen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Will man eine gute Schauspielerin sein, muss man die Wahrheit erzählen. Das gilt übrigens auch für alle anderen Kunstrichtungen, auch für die Malerei.

Si e selber sind eine leidenschaftliche Malerin.

Ja, ich habe über 200 Bilder in einem Lagerhaus im französischen Clichy eingelagert und etwa 100 Bilder im spanischen Sevilla in einem Atelier. Ich habe schon als Kind gemalt. In der Schule durfte ich oft länger als alle anderen im Malunterricht bleiben und an meinen Bildern arbeiten. Mein Lehrer war ein grosser Fan von mir. Ich hoffe sehr, in Zürich eine Galerie zu finden, in der ich meine Bilder ausstellen kann.

In Zürich scheint für Sie alles zusammenzukommen ...
Absolut. In Zürich habe ich Frieden gefunden. Ich liebe es, hier einfach nur am See zu sitzen, wie wir das gerade tun, und die Schwäne zu beobachten. Hier könnte ich mir auch vorstellen, Kinder grosszuziehen. Obwohl die Männer, die ich im Moment toll finde, alle in Spanien leben (lacht).

Sie hätten gerne eine eigene Familie?
Ja, ich wäre sehr gerne Mutter. Ich träume schon lang von einem Baby. Deshalb habe ich auch so hart dafür gekämpft, meine Dämonen loszuwerden. Das kann mir auch ein Harvey Weinstein nicht kaputt machen. Es ist ein Wunder, dass ich nach all dem, was ich erlebt habe, noch da bin. Aber das bin ich – und deshalb denken wohl auch viele, ich sei verrückt.

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