Charles nimmt Abschied
Der schwerste Gang des neuen Königs

Die Beerdigung von Queen Elizabeth II. hielt Grossbritannien seit ihrem Tod am 8. September in Atem. Der monumentale Staatsakt vom 19. September könnte das letzte derartige Grossereignis gewesen sein. Der neue König hat schon im Vorfeld mehr Bescheidenheit angekündigt.
Publiziert: 20.09.2022 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2022 um 03:54 Uhr
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König Charles nahm gemeinsam mit der Welt Abschied von Königin Elizabeth II., seiner geliebten Mutter.
Foto: IMAGO/i Images
Jean-Claude Galli

Um 17.46 Uhr folgt der bitterste Moment eines an sich schon tieftraurigen Tages: In der St.-George's-Kapelle auf Schloss Windsor legt König Charles III. (73) gestern beim finalen Trauergottesdienst die Flagge des Queen-Regiments auf den Sarg seiner Mutter Queen Elizabeth II. (†96). Es ist das letzte Mal, dass er ihr so nahe kommt und die Welt einen Blick auf den Schrein werfen kann. Zu den Klängen des Dudelsackspielers Paul Burns wird der Sarg nun in die Gruft gelassen. Die Insignien der Königin – Krone, Reichsapfel und Zepter – sind entfernt, und der Hofmarschall hat den weissen Stab symbolisch über dem Grab zerbrochen. Dieser Akt markiert das Ende der Ära von Elizabeth II. Er wurde zuletzt beim Tod ihres Vaters 1952 vorgenommen.

Die letzte Reise der Königin ist gleichzeitig der schwerste Gang im Leben des neuen Monarchen. Er hat seine geliebte Mutter verloren – und sie hat ihm ein gigantisches Erbe hinterlassen. Auch wenn er den Auftakt mit Haltung und Würde meistert.

«Sie hat ihr Versprechen gehalten, ihrem Volk zu dienen. Und ihre Treue zu Gott stand über allem», sagt Justin Welby (66), Erzbischof von Canterbury, in seiner Predigt beim ersten Trauergottesdienst am Mittag in der Westminster Abbey. Unzählige hochemotionale Augenblicke jagen sich beim monumentalen Begräbnis, das das ganze Königreich stillstehen lässt.

Den Tränen am allernächsten sind die Mitglieder der Royal Family und die 2000 geladenen Gäste in der Abtei, als der Chor den Psalm «Der Herr ist mein Hirte» intoniert. Er wurde hier bereits 1947 anlässlich der Hochzeit der Königin mit Prinz Philip (†99) gespielt. Nun noch einmal – auf ihren ausdrücklichen Wunsch. So wie diese ungemein starke Frau viele andere Details ihrer Beerdigung vorbestimmte.

Nach 518 Tagen kommt sie wieder mit ihrem geliebten Gatten zusammen, der am 9. April letzten Jahres verschied. Immer noch präsent ist das herzzerreissende Bild der einsam in den Bankreihen sitzenden Königin bei dessen Verabschiedung. Es kontrastiert heftig mit dem jetzigen Riesenauflauf in London, der an der Abschiedsroute rund 150'000 und an den Bildschirmen weltweit gegen 4 Milliarden Menschen fesselt.

Besondere Belastungsprobe für die Urgrosskinder

Die ersten Gäste treffen ab 10 Uhr ein, darunter Hunderte von Monarchen, Staats- und Regierungschefs.

In schwarzen Limousinen folgen ab 11 Uhr die Vertreter der Familie. König Charles III. (73) sitzt mit seinem Sohn Prinz William (40) in einem Wagen, Charles' Gattin Camilla (75) mit Prinzessin Kate (40) und deren Kindern George (9) und Charlotte (7). Für Charlotte und George ist der Tag eine besondere Belastungsprobe, spüren sie doch schon sehr bewusst, was vor sich geht. Er wisse, dass «Gan Gan» – so sein erstes Kosewort für seine Urgrossmutter – nun zu Urgrossvater in den Himmel komme, soll sich George zuvor im kleinen Kreis geäussert haben. Und Charlottes Tränen sind eine der echtesten Gefühlsregungen inmitten all des Pomps.

Die grossen Bühnen länger gewohnt sind Prinz Harry (38) und Herzogin Meghan (41), die gemeinsam ankommen. Meghan, die ihrerseits mehrfach Tränen wegtupft, würdigt wie ihre Schwägerin Kate die Verstorbene optisch. Sie trägt Perlenohrringe, die sie von der Queen geschenkt bekommen hat. Kates elegantes Outfit komplettieren eine Perlenkette aus der Schmuckkollektion der Queen und Perlenohrringe von Diana (1961–1997).

Was die Königin zu Lebzeiten nicht mehr erleben durfte, könnte hoffentlich ihre Beerdigung bewegen: Die beiden Streithähne William und Harry zeigen sich auffallend geeint. Noch vor Wochen ein Ding der Unmöglichkeit.

«Tod, wo ist dein Stachel?»

Ab 11.45 Uhr wird der Sarg auf einer von 98 Marinesoldaten gezogenen Lafette von der nahen Westminster Hall in die Abtei gebracht. Hinter dem Sarg folgt der engste Kreis: Neben König Charles III. die drei weiteren Königinnen-Kinder Prinzessin Anne (72), Prinz Andrew (62) und Prinz Edward (58) sowie William und Harry. Andrew und Harry tragen keine Uniform. Andrew aufgrund seiner Verwicklungen in den Epstein-Skandal, Harry im Zuge seines Abgangs in die USA.

Acht junge Grenadiers tragen den schweren, mit Blei ausgeschlagenen Eichensarg ins Innere und setzen ihn an der markantesten Stelle im Bauwerk nieder, wo das Mittelschiff die beiden Querschiffe kreuzt.

Die Ehre der ersten Lesung aus der Heiligen Schrift obliegt Patricia Scotland (67), seit 2016 Generalsekretärin des Commonwealth. «Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?», zitiert sie aus dem Ersten Korintherbrief. Dann folgt die neue Premierministerin Liz Truss (47) mit Stellen aus dem 14. Vers des Johannes-Evangeliums: «Wir wissen nicht, wo du hingehst.»

Im Tod vereint

Nach dem Vaterunser trägt der Chor auf Wunsch der Queen den Hymnus «Love Divine, All Loves Excelling» vor, der hier schon 2011 bei der Hochzeit von William und Kate erklang. Ein klarer Fingerzeig, in wen die Monarchin die grössten Zukunftshoffnungen setzte.

Dem Schlusssegen folgen das Hornsignal «Last Post» und zwei Schweigeminuten. Pünktlich um 13 Uhr stimmt die Feiergemeinde die Nationalhymne an, nun auf «God Save the King» lautend.

Dudelsackspieler Paul Burns kommt hier erstmals zum Einsatz – mit dem Klagelied «Sleep, Dearie, Sleep».

Dann wird der Leichnam der Königin auf der Prachtstrasse «The Mall» zum Wellington Arch und von dort nach Windsor Castle überführt, wo auch die zwei Corgis Muick und Sandy sowie Lieblingspferd Emma auf ihre Herrin warten.

Ihre letzte Ruhestätte findet die Queen nach dem zweiten Trauergottesdienst in der dortigen St.-George's-Kapelle noch am selben Abend bei einer privaten Beisetzung in einer Seitenkapelle innerhalb der Kirche an der Seite von Prinz Philip, im Tode wieder vereint.

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