Den 23. Juni 2021 hat Britney Spears (39) seit dreizehn Jahren herbeigesehnt. Via Zoom macht sie vor Gericht in Los Angeles eine Aussage über die seit 2008 laufende Vormundschaft durch ihren Vater Jamie (68). Obwohl Aufnahmen verboten sind, gelangen Details an die Öffentlichkeit und zu ihren Fans, die den US-Popstar als #FreeBritney-Bewegung unterstützen.
Die Vorwürfe im Prozess sind in dieser Heftigkeit bislang einmalig. Sie sei gezwungen worden, sich in eine Anstalt einweisen und mit Lithium behandeln zu lassen. Unter Klageandrohungen habe sie ihre Touren immer wieder fortsetzen müssen und bloss einen Bruchteil der Gagen erhalten. Am meisten schockiert, dass es Spears nicht erlaubt worden sei, wieder zu heiraten und Kinder zu bekommen.
Seitdem folgen beinahe täglich Neuigkeiten. Spears, ihr Vater und Dutzende Nebenfiguren äussern sich über alle möglichen Kanäle, ein Ende ist nicht absehbar. Vergangene Woche schrieb Spears auf Instagram: «Ich werde niemals in der Lage sein, das nächste Kapitel aufzuschlagen, bis ich nicht alles gesagt habe, was zu sagen ist – und ich bin noch lange nicht fertig.»
In Louisiana nimmt das Drama seinen Lauf
Spears' Vater ist die zentrale Person in einer ganzen Reihe von Männern, die über ihr Leben bestimmen und daraus Profit schlagen. Ein Blick auf seine Biografie kann nicht entschuldigen, weshalb sich ein derartiges Drama entwickelt hat, aber Hinweise geben.
Als Jamie dreizehn ist, implodiert sein kleiner Kosmos: Seine Mutter begeht am Grab eines ihrer Söhne Selbstmord, dieser starb acht Jahre zuvor als Säugling. Jamie Spears schlägt sich als Schweisser und Koch in der Kleinstadt Kentwood in Louisiana durch und heiratet seine Jugendliebe Lynne (heute 66). Er hat einen unbändigen Durst und eine lose Hand, die Ehe ist ein Massaker. Die einzige brillante Leistung der überforderten Eltern, die sich 2002 scheiden lassen: Sie erkennen das Talent ihrer Tochter und sehen darin einen Ausweg aus ihrer Misere. Mit elf wird Britney Teil des Disney-TV-Talentschuppens «Mickey Mouse Club», wo sie Justin Timberlake (40) kennenlernt und 1998 mit ihm zusammenkommt. Nach ihrer Trennung 2002 behauptet der Sänger, sie habe ihn betrogen. Der Liebeskummer-Song «Cry Me A River» kurbelt seine ins Stocken geratene Laufbahn wieder an.
Britney Spears' eigene Karriere hat da bereits überirdische Dimensionen angenommen: «Baby One More Time» bricht 1999 alle Rekorde. Allein das Video ist eine Sternstunde der Popkultur: Das auf männliche US-Teenager abzielende, erotisch aufgeladene Schulmädchen-Outfit hat Spears mitentwickelt, es sorgt weltweit für Aufregung. Kommerziell gesehen ist sie die erfolgreichste Musikerin der 2000er-Dekade.
«Ich bin kein Mädchen mehr»
Doch was hat sie selber davon, schon als Teenager zum Superstar und globalen Sex-Objekt geworden zu sein? Gerade in ihren frühen Auftritten habe Spears ein starkes Gefühl der Selbstbestimmung an den Tag gelegt, schreibt der «New Yorker»: «Wenn sie sich bewegte, war sie scharfsinnig, wissend, schien alles, was ihr entgegengeworfen wurde, aufzusaugen und durch schieren Willen und Charisma zu überwinden.»
Und auch wenn alle wissen, dass sie ihre Texte nicht selber schreibt, scheint sie dadurch über sich selber zu sprechen: «Meine Einsamkeit bringt mich um / Ich bin ein Sklave für dich / Ich bin kein Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau.»
Gerade weil sie so noch so jung, aber schon berühmt und wohlhabend ist, versuchen Horden von Profiteuren, ihr Leben zu manipulieren, darunter an erster Stelle ihre Eltern. Das zeigt die bloss 55 Stunden dauernde Blitzehe 2004 mit Jugendfreund Jason Alexander (39). Was von aussen bizarr wirkt, zeigt das Ausmass der Kontrolle bis in die intimsten Bereiche. Laut Scheidungsanwalt ist es Spears' Mutter Lynne, die ihre Tochter zwingt, die Heirat zu annullieren, weil sie sich an ihr eigenes Ehe-Schicksal erinnert fühlt.
2008 kommt es zur Totalentgleisung
Als Spears’ zweite Ehe mit Kevin Federline (43) 2007 geschieden und ihm das alleinige Sorgerecht für die Söhne Sean Preston und Jayden (heute 15 und 14) zugesprochen wird, entgleist die Situation vollends. Im Januar 2008 wird Spears in eine Klinik zwangseingeliefert, nachdem sie sich zuvor mit ihren Kindern in ihrer Villa in Los Angeles vor der Polizei verschanzte. Im Februar folgt auf Antrag der Eltern die Entmündigung.
Weil sie ihre Karriere danach aber scheinbar unbeirrt fortsetzt, wird die Vormundschaft im Verlauf der Jahre als gegeben hingenommen und erst wieder richtig zum Thema, als sich Spears 2019 weigert, weiter aufzutreten.
Nach Veröffentlichung der Dokumentation «Framing Britney Spears» diesen Februar gerät Spears' Vormundschaft noch stärker in den Fokus. Stars wie Miley Cyrus (28) oder Sarah Jessica Parker (56) ergreifen Partei für sie, was Spears neue Energie verleiht. Sie postet ein seltenes Bild mit ihren Söhnen. Sie sei sehr glücklich, dass sich beide zu Gentlemen entwickelt haben, schreibt sie. «Also muss ich etwas richtig gemacht haben.»
Seit letzter Woche reagiert nun auch die Politik. Parteiübergreifend haben Mitglieder des US-Kongresses ein neues Gesetz vorgeschlagen, wonach Bevormundete künftig auf eigenen Wunsch beantragen können, dass eine neue Person als Vormund eingesetzt wird.
Britney Spears' Kampf um Selbstbestimmung
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