Auf einen Blick
- Brigitte Bardot wird 90 Jahre alt
- Die Französin war eine Ikone der sexuellen Revolution der 68er
- 200'000 Liebesbriefe soll sie pro Monat bekommen haben
Der feurige, völlig entfesselte Mambo-Tanz im Film ihres ersten Gatten Roger Vadim hat sie 1956 weltberühmt gemacht: «Et Dieu créa la femme» – und Gott schuf die Frau. Der Vatikan rief nach Zensur. Auf den Filmplakaten stand die Unterzeile: «Und der Teufel schuf die Bardot.» Der Streifen zeigte die Sinnlichkeit einer Blondine mit langen Beinen, frechen Sprüchen und rotierendem Becken, die sich von den engen, von Kirche und Männern bestimmten Sitten der Nachkriegszeit freitanzt. BB wurde zur Botschafterin der Emanzipation. «Die Bardot ist ein Monument, das den Fall von zehntausend Jahren monotheistischem Patriarchat ankündigte», schreibt ihr Biograf Yves Bigot. Jetzt wird die «schönste Frau der Welt» 90. Vor zwei Jahren fuhren Ambulanzen zu ihrem Bauernhof in Saint-Tropez, wo sie mit ihrem vierten Mann, Bernard d’Ormale (83), umringt von vielen Tieren, zurückgezogen lebt. Es war die Hitze! Brigitte Bardot (90) wurde mit Sauerstoff beatmet. Heute geht sie an Stöcken, weil sie aus Angst vor der Narkose eine Hüftoperation verweigert. Im Friedhof mit Blick aufs Meer will sie dereinst neben ihren Eltern beerdigt werden.
Bardot-Mania
«Vor den Beatles übten nur Bardot und Elvis diese unglaubliche Anziehungskraft aus», erklärte Sänger Elvis Costello. 200'000 Verehrerbriefe erhielt sie pro Monat! Dass sie schauspielerisches Talent hat, bewies BB im Film «Le Mépris» (1963) von Jean-Luc Godard (†91). Ein berühmter Dialog mit Michel Piccoli wurde auf Wunsch von Produzent Carlo Ponti erst nachträglich gedreht, «es fehlt mir der nackte Po von BB», meinte Ponti. Sie liegt nackt auf dem Bauch, bewegt die Beine wie eine Schere und fragt völlig unschuldig: «Siehst du meinen Po im Spiegel?» Piccoli: «Ja.» – «Findest du ihn schön, meinen Po?» – «Ja, sehr.» – «Und meine Brüste, liebst du sie?» BB wurde zur Vorbotin der sexuellen Revolution der 68er. Sie hat nicht nur die freie Liebe, den Bikini, die luftigen Blümchenjupes, die ungeordnete «Sauerkraut»-Frisur, das schulterfreie Décolleté und das Barfussgehen popularisiert. Sie verkörperte den neuen Typ von Sexidol, weniger üppig ausgestattet als die Konkurrentinnen Claudia Cardinale (86) oder Sophia Loren (90). Schriftstellerinnen wie Simone de Beauvoir («Sie würde selbst einen Heiligen in Versuchung bringen») schrieben hymnische Texte. BB bestimmte allein, wem sie ihr Herz öffnen will. Sie lebte wie eine Bienenkönigin. Mächtige oder reiche Männer wies sie auch mal schnöd ab. Sogar sexy Sean Connery: «Ich bin doch kein Bond-Girl.» Der wichtigste Mann in ihrem Leben sei sowieso der Schweizer Franz Weber gewesen, erklärte sie noch kürzlich. Er habe ihr gezeigt, wie man medienwirksam Tierschutz betreibt.
Gutbürgerliche Herkunft
Familie Bardot wohnte in Louveciennes, einer Kleinstadt, wo reiche Pariser ihre Wochenenden verbringen. Vater Bardot führte dort eine Fabrik und schrieb Gedichte. Seine Frau Anne-Marie, eine kalte, erzkatholische Dame, die gern Künstlerin geworden wäre, verbot Brigitte und ihrer jüngeren Schwester Marie-Jeanne den Umgang mit Kindern unterer Schichten, schickte sie auf katholische Schulen und strafte hart: Je 20 Peitschenhiebe, vom Vater ausgeführt, gabs, als die beiden beim Spielen eine teure Vase zerbrachen. Die Mutter erklärte: «Ab jetzt müsst ihr uns mit Sie ansprechen, denn ihr seid nicht mehr unsere Töchter. Sondern Fremde.» Mutter Bardot hätte sich eigentlich einen Sohn gewünscht und fand ihr erstes Bébé «moche» – hässlich –, weil Brigitte auf einem Auge halb blind war, deshalb schielte und mit zwei hervorstehenden Schneidezähnen wie ein Häschen aussah. Mit Zahnspange, dicken Brillengläsern und stramm nach hinten gezogenen Zöpfen glich sie als Schülerin nicht gerade einer künftigen Beauty-Queen. Als die Mutter ihrer Tochter einmal einen Kaninchenbraten servierte mit der Bemerkung, das war «Noireau», ihr Lieblingshäsli, sorgte sie für ein Trauma, das wohl deren Karriere als Tierschützerin begründete. Als Tochter aus gutem Hause durfte BB Tanzkurse nehmen, was zu ihrer anmutigen Körperhaltung führte. Aus dem hässlichen Entlein wurde ein schöner Schwan. Roger Vadim (†72), ein slawischer Dandy, sah das Bild der 14 1⁄2-Jährigen, die an einer Schönheitswahl teil nahm, er suchte sie auf und war hin und weg: «Mein Gott, das ist eine Ausserirdische, das ist Mozart!»
Brigitte gestand später: «Es war Liebe auf den ersten Blick.» Vadim traf die Schülerin dann regelmässig heimlich, bat schliesslich um ihre Hand. «Nicht vor ihrem 18. Geburtstag», beschied Vater Louis, erst müsse Vadim einen anständigen Lohn verdienen. Er versorgte seine Tochter in einem Mädcheninstitut in London, was zum ersten von vier Selbstmordversuchen führte. BB steckte den Kopf in den Backofen und wurde gerettet. Vadim fand einen Job als Reporter bei «Paris Match».
Es folgten «Bohème»-Jahre, Vadim stellte seiner Freundin viele Künstler vor. Als sie für Aufnahmen in Rom weilte, teilte sie ihr Zimmer mit der völlig unbekannten Ursula Andress (88), die von einem Casting zum andern rannte. Die beiden verstanden sich gut. Schliesslich heiratete sie Vadim drei Monate nach ihrem 18. Geburtstag, zwei Jahre später drehte das Paar den alles entscheidenden Film. BB, die Bienenkönigin, verliebte sich am Set gleich in den Filmpartner Jean-Louis Trintignant. Es gab eine Scheidung, Vadim tröstete sich mit der 17-jährigen Catherine Deneuve (80), später mit Jane Fonda (86).
Mutter wider Willen
Dann ging die Leinwandkarriere von BB erst richtig los. Sie spielte in insgesamt 48 Filmen, mit guten und weniger guten Regisseuren. Alle waren erfolg reich, weil das Publikum unbedingt die halb nackte Bardot sehen wollte. Als Trintignant zur Armee eingezogen wurde, heiratete BB einen anderen Filmpartner, Jacques Charrier (87), von dem sie schwanger wurde. Sie wollte ein drittes Mal abtreiben, doch Charrier war dagegen. «Ich hätte lieber einen Hund geboren», erklärte BB später in ihrer Biografie, sie sei für das Muttersein einfach nicht geschaffen. Charrier zog den kleinen Nicolas allein auf, klagte später gegen die Ex wegen verletzender Worte in der Biografie.
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Ihren dritten Mann, den charismatischen Playboy Gunter Sachs (†78), lernte sie 1966 bei Partys kennen. Sie fand ihn «magnifique», war hypnotisiert, wie sie sagte. Der Milliardär warf alles in die Schlacht, um Bardot zu erobern, liess vom Helikopter Tausende rote Rosen über ihr abwerfen, führte sie mit dem Privatjet zu den gekrönten Häuptern, stellte ihr den Schah von Persien vor und heiratete sie in Las Vegas.
Da BB auch Sängerin war, wurde sie von Plattenfirmen umschwärmt und landete beim Komponisten Serge Gainsbourg (†62) mit den Glupschaugen und den abstehenden Ohren, verliebte sich prompt und wünschte, dass er ihr ein Liebeslied komponierte. Ehemann Sachs protestierte. Sie verliess schliesslich sowohl Sachs (Scheidung 1969) als auch Gainsbourg.
Militanter Tierschutz
Mit 39 Jahren beschloss die meist fotografierte Frau der Welt, das Showbusiness aufzugeben, obschon Angebote aus Hollywood für eine Million pro Film vorlagen. Sie wollte nur noch für ihre Tiere da sein, die sie vor dem Schlachthof rettete und in einem Bauernhof hoch über Saint-Tropez weiter leben liess, gründete 1976 eine Bardot Stiftung zur Rettung der Tiere und liess sich vom Schweizer Franz Weber beibringen, wie man die Leute aufrüttelt: Er flog mit ihr und einem Medientross in den hohen Norden, wo Robbenbabys zur Gewinnung ihrer weissen Pelzchen mit Hämmern getötet wurden.
Ihren vierten Mann – den italienischen Lebemann und Vegetarier Bernard d’Ormale – lernte sie 1991 bei einem Essen im Kreise des rechtsextremen JeanMarie Le Pen kennen, mit dessen Ideen sie offen sympathisierte. Für ihre skandalösen Bemerkungen über Ausländer wurde sie mehrmals wegen Verletzung der Rassismusstrafnorm gebüsst.
Ihre wichtigste Mission blieb der Kampf gegen die Transporte von Schlachtpferden quer durch Europa und für ein Verbot des Schächtens ohne Ausnahme für religiöse Gruppen. «Ist mir doch egal, wenn meine radikale Verteidigung der Tiere die Leute aufregt», sagt sie, «ich machte immer, was ich wollte. Warum sollte ich damit aufhören. Die Tiere sind meine besten Freunde. Für sie kämpfe ich bis zum Umfallen.» Aufregung in die Welt zu bringen, war von Anfang an ihr Job.
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