«Wir haben ein kleines Wunder vollbracht»
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Neues AC/DC-Album:«Wir haben ein kleines Wunder vollbracht»

Brian Johnson über die Rückkehr von AC/DC
«Wir haben ein kleines Wunder vollbracht»

Vor 40 Jahren wurde er Sänger bei AC/DC. Plötzlich ging sein Gehör kaputt. Brian Johnson erklärt, wie er es zurück in die Erfolgsband geschafft hat.
Publiziert: 08.11.2020 um 18:03 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2021 um 20:44 Uhr
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AC/DC wieder vereint: Bassist Cliff Williams, Schlagzeuger Phil Rudd, Gitarrist Angus Young, Sänger Brian Johnson und Gitarrist Stevie Young (v.l.).
Foto: Zvg
Dominik Hug

Brian Johnson (73) sitzt zu Hause im US-Sonnenstaat Florida und jodelt gleich mal fröhlich drauflos, als sich der Interviewer aus der Schweiz vorstellt. Das Gespräch zum grossen Comeback von AC/DC geschieht via Video-Konferenz. Der Sänger ist bestens gelaunt. Hier freut sich einer riesig darüber, dass er nach vier Jahren endlich wieder rocken darf – dank neuer Hörtechnologie.

SonntagsBlick: Wie geht es Ihnen?
Brian Johnson: Ausgezeichnet, Florida ist bekanntlich nicht der schlechteste Ort, um zu überwintern. Anderseits bin ich inzwischen auch etwas gelangweilt von dieser ewigen Herumhockerei wegen der Pandemie. Verdammt, wir haben eine Platte, die bald rauskommt, und wollen damit um die Welt touren.

Keiner hat mit diesem neuen Album gerechnet.
Stimmt. Am allerwenigsten ich selber. Ich meine, ich hörte bis vor kurzem fast nichts mehr.

2016 mussten AC/DC die Tournee unterbrechen, da Ihnen permanente Taubheit drohte.
Genau. Dann sprang Axl Rose für mich ein. Es war schrecklich. Dennoch: Die Jungs hatten eine Verantwortung. 75 Leute stehen auf der Payroll von AC/DC, die Versicherungen hätten uns den Hals umgedreht, Hunderttausende Fans wären enttäuscht gewesen, wenn sie nicht weitergemacht hätten. AC/DC machten mit Axl das Beste aus einer schlechten Situation.

Wie fühlten Sie sich, als Sie ersetzt wurden?
Furchtbar natürlich. Mich bedrückte es, die anderen gezwungenermassen im Stich gelassen zu haben. Anderseits bin ich ein Typ, der auch loslassen kann. Ich musste anerkennen, dass meine Zeit vorbei war. Ich fand mich damit ab und lebte mein Leben weiter.

Wie sah das aus?
Nicht viel anders als heute. Ich stehe früh auf und springe auf mein Rennvelo. Später verbringe ich etwa eine Stunde im Gym. Danach rufe ich Freunde in aller Welt an. Ich habe einen Oldtimer-Bentley aus den 20er-Jahren, damit kurve ich am Nachmittag gerne in der Nachbarschaft herum und treffe Kollegen auf ein Tässchen Tee. Dann ist bald schon Abend.

Immer mit Mütze

Brian Johnson stieg nach dem Tod von Sänger Bon Scott (†33) bei AC/DC ein. Ihr erstes gemeinsames Album «Back in Black» wurde 1980 ein Riesen-Hit. Seither nahmen sie ein Dutzend Alben auf, die sich gegen 400 Millionen Mal verkauften. 2016 trennten sich AC/DC von Johnson, da er Probleme mit seinem Gehör hatte. Mit der neuen CD «Power up» kommt es jetzt zum überraschenden Comeback der Erfolgsrocker. Johnson lebt mit seiner zweiten Ehefrau in Florida (USA) und hat zwei Töchter. Sein Markenzeichen ist eine Ballonmütze, die ihm sein Bruder schon zu Jugendzeiten schenkte, damit seine Haare bei der Arbeit in einer Autofabrik nicht verklebten.

Brian Johnson stieg nach dem Tod von Sänger Bon Scott (†33) bei AC/DC ein. Ihr erstes gemeinsames Album «Back in Black» wurde 1980 ein Riesen-Hit. Seither nahmen sie ein Dutzend Alben auf, die sich gegen 400 Millionen Mal verkauften. 2016 trennten sich AC/DC von Johnson, da er Probleme mit seinem Gehör hatte. Mit der neuen CD «Power up» kommt es jetzt zum überraschenden Comeback der Erfolgsrocker. Johnson lebt mit seiner zweiten Ehefrau in Florida (USA) und hat zwei Töchter. Sein Markenzeichen ist eine Ballonmütze, die ihm sein Bruder schon zu Jugendzeiten schenkte, damit seine Haare bei der Arbeit in einer Autofabrik nicht verklebten.

Sie sangen in einer der lautesten Bands der Welt, taub wurden Sie aber nicht wegen der Musik. Ironie des Schicksals?
Oh ja, mein Sohn! Ich fahre gerne Autorennen. Bei einem dieser Rennen vor etwa zehn Jahren hatte ich mal den Gehörschutz vergessen. Plötzlich hörte ich ein hässliches Ploppen im Ohr. Ich hatte danach einen wirklich brutalen Tinnitus. Die späteren Tourneen waren bestimmt nicht förderlich, diesen wegzubringen. 2016 rieten mir die Ärzte, mit der Musik sofort aufzuhören. Ohren können ja nicht wieder nachwachsen, meinten sie. Wenn die futsch sind, sind sie futsch.

Wie kamen Sie wieder mit AC/DC zusammen?
Ende 2017 starb Malcolm Young (der legendäre AC/DC-Gitarrist, Anm. der Redaktion).
Für die Beerdigung flogen wir alle nach Australien. Danach sassen wir mit der Familie zusammen. Es fühlte sich wunderbar an, wieder vereint zu sein. Dennoch wurde mit keinem Wort erwähnt, ob wir es nochmals versuchen sollten. Weil eben auch noch nicht sicher war, ob ich überhaupt je wieder richtig hören würde.

Und dann?
Vor knapp zwei Jahren meldete sich Angus. Erst bei mir, dann bei Cliff, später bei Phil und Stevie. Er fragte, wie es so gehe, druckste rum. Endlich stellte er die entscheidende Frage: «Wollen wir nochmals ein Album machen?» Ich bin fast vom Hocker gefallen. Und sagte Ja. Die anderen Jungs auch.

Und Ihr Gehör?
Mein Team und ich haben in der Zwischenzeit an einer wirklich ausgeklügelten Hör-technologie gearbeitet. Jetzt ist wieder alles bestens mit meinen Lauschern. Wir haben ein kleines Wunder vollbracht.

Mit 73 Jahren hätten Sie genauso gut weiter Golf spielen können in Florida, statt wieder mit AC/DC zu rocken.
Ich hasse Golf! Nur Lahmärsche latschen auf dem Platz ein paar Bällen nach. Ernsthaft: Klar wäre ich auch glücklich gewesen als Rentner. Aber in meinem Innern spüre ich einfach: Die AC/DC-Story ist noch nicht zu Ende. Da sind so etwas wie Nadelstiche in mir drinnen. Hau noch einmal einen raus, drängen sie mich.

Worauf sind Sie am meisten stolz?
Auf «Back in Black»! Mein Gott, in den 70er-Jahren war ich ein semi-populärer Sänger. Dann kam plötzlich diese Anfrage rein, ob ich mit AC/DC auf den Bahamas ein Album aufnehmen möchte. «Ja klar, ein paar Wochen Ferien in der Karibik, das tönt doch gut», sagte ich mir. Was wir dann dort vollbracht haben, raubt mir bis heute den Atem. Stolz bin ich auch darauf, wie wir in vielen Ländern Grenzen niederrissen. Man darf nicht vergessen: Rock 'n' Roll war nicht immer überall populär. Nach so verrückten Konzerten fragten Angus und ich uns oft: Meinst du, wir kommen hier wieder lebend raus?

Haben Sie noch Träume?
Ja, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans zu gewinnen, danach mit Champagner übergossen zu werden. Sportwagenrennen haben mich immer fasziniert. Ich könnte mir das ja nicht leisten, wenn ich nicht bei AC/DC wäre, solche Rennen sind verdammt teuer. Ich liebe den Thrill, man ist voll fokussiert, drückt aufs Pedal, die Welt draussen hört auf zu existieren. Es zählen nur noch du und das Auto. «When the flag drops, the bullshit stops», heisst es so schön.

Was ist der Sinn des Lebens?
Himmel, ich hatte ein fantastisches Leben. Ich bin der Sohn eines Minenarbeiters. Kürzlich las ich meine Tagebücher von 1975. Ich war pleite, musste mir von meiner Mutter wieder mal fünf Pfund borgen. Seit 40 Jahren bin ich nun aber in einer der erfolgreichsten Rockbands überhaupt. Sich zu lösen, zu akzeptieren, wer man ist, und an die eigene Fähigkeit zu glauben, das Glück auf seine Seite ziehen zu können. Ich glaube, das ist der Sinn des Lebens. Hm. Ich wünschte, ich wäre ein Philosoph. Aber ich bin noch immer bloss der kleine Brian aus Donston, England. Und das ist auch völlig okay für mich.

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