Darum gehts
- Elke Heidenreich spricht über ihr Buch «Altern» und ihre Lebenseinstellung
- Sie ermutigt, das Älterwerden als normalen Teil des Lebens anzunehmen
- Ihr Buch «Altern» hat über 700'000 Exemplare verkauft
Mit dem Buch «Altern» ist Elke Heidenreich seit Monaten in der Bestsellerliste vertreten und hat über 700'000 Exemplare verkauft. «Das zeigt mir, dass mein Weg angekommen ist. Ich kriege viele wunderbare Reaktionen», sagt die Schriftstellerin, die soeben 82 Jahre alt geworden ist. Als Literaturkritikerin ist Heidenreich öfter im SRF-«Literaturclub» zu Gast.
GlücksPost: Frau Heidenreich, welches ist Ihre liebste Geschichte in Ihrem Buch?
Elke Heidenreich: Das kann ich gar nicht so sagen – aber die Geschichte «Neulich im Himmel» habe ich schon besonders gern, die ist ziemlich verrückt und ging mir mal in einer Notsituation für eine Zeitung, der ein Text ausgefallen war, leicht und schnell von der Hand.
Wie ruft man die Erinnerungen wieder bild- und lebhaft hervor?
Erinnerungen bleiben ja, aber wenn aus ihnen Geschichten werden, ist das nicht mehr das eigene Leben. Da ist oft ein Anstoss, und dann entsteht etwas ganz Neues.
Was ist Ihre schönste Geschichte mit der Schweiz?
Das hat jetzt nichts mit Literatur zu tun, sondern mit persönlichem Erleben: Ich war damals 2002 auf der Expo, der «Tagesspiegel» hatte mich hingeschickt. Ich hatte überhaupt keine Lust dazu und habe nichts Gutes erwartet, und dann war es ganz wunderbar. Ich habe grossartige Veranstaltungen erlebt, wunderschöne und kluge und witzige Dinge gesehen, und ich war eine Woche lang rundum nur glücklich. In meinem Buch «Ihr glücklichen Augen» habe ich diesen Expo-Besuch ausführlich und liebevoll beschrieben.
Mit Ihrem neuesten Buch «Altern» sind Sie seit Wochen in der Bestsellerliste, Sie haben einen Nerv getroffen. Wieso ist das Altern für viele oder gar alle eine Herausforderung?
Vielleicht weil man so lange nicht über das Altwerden nachdenkt, bis es einen plötzlich trifft. Ich glaube, der Erfolg des Buches liegt in der einfachen Botschaft: Fürchtet euch nicht vorm Alter, es ist ein ganz normaler Teil des Lebens und gar nicht schlimm, sondern sogar gut, wenn man ein bisschen vorgesorgt hat – in Sachen Geld, Freundeskreis, Gesundheit. Wenn es da einigermassen stimmt, kann man doch im Grunde nur dankbar dafür sein, in einem demokratischen Land ohne Krieg alt werden zu dürfen. Meine Botschaft ist, nicht zu Hause rumzusitzen und auf den Tod zu warten – der findet uns schon! –, sondern am Leben teilzunehmen bis zuletzt.
Viele haben Angst vor der Einsamkeit im Alter, wie sieht das bei Ihnen aus?
Ich war nie einsam und bin es auch im Alter nicht. Das ist zum Teil Glück, zum Teil Vorsorge durch einen immer sehr guten Freundeskreis. Ich fürchte mich also nicht vor Einsamkeit.
Und welche bürokratischen Vorkehrungen haben Sie für das Alter getroffen?
Keine.
Im Buch reflektieren Sie stark über Ihr eigenes Leben. Wann hat es geschmerzt?
Es ist ja ein Essay, kein literarisches Buch, und wenn ich da über das Altern schreibe, dann fliesst natürlich mein eigenes Leben mit ein. Aber in dem Alter schmerzt gar nichts mehr, da ist alles, was mal war, bewältigt, und das Zurückschauen bringt eh nix. Ich schau lieber vorwärts.
Am 15. Februar 1943 im deutschen Korbach geboren, studierte Elke Heidenreich Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete bei Hörfunk und Fernsehen. Für ihre Werke wurde die Bestsellerautorin mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis. Seit 2012 gehört sie zum Kritikerteam des SRF-«Literaturclub». Sie war zweimal verheiratet und lebt mit ihrem Partner Marc-Aurel Floros in Köln.
Am 15. Februar 1943 im deutschen Korbach geboren, studierte Elke Heidenreich Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete bei Hörfunk und Fernsehen. Für ihre Werke wurde die Bestsellerautorin mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis. Seit 2012 gehört sie zum Kritikerteam des SRF-«Literaturclub». Sie war zweimal verheiratet und lebt mit ihrem Partner Marc-Aurel Floros in Köln.
Aber Sie schreiben, dass Sie zu viel geraucht, zu viel getrunken, keinen Sport getrieben und keine Monogamie gelebt haben – wie sehr ist Reue bei Ihnen vorhanden?
Nicht ein Funken. Ich rauche immer noch, trinke täglich Wein, mir ist völlig egal, was andere machen, tun, denken. Ich lebe so, wie es mir persönlich guttut.
Eine Zeile lautet «Das Leben in den Sand gesetzt» – ist dies unerbittliche Ehrlichkeit oder Selbstschutz?
Das ist eine Metapher. Mein Buch beginnt ja mit zwei Ansichten des eigenen Lebens – alles war schlecht, und alles war gut. Erst aus beidem aber wird die Wahrheit, und das, denke ich, bei jedem. Nichts ist nur gut oder nur schlecht.
Wie wichtig ist Selbstreflexion, auch im Bezug auf das Thema Loslassen?
Selbstreflexion klingt so grossartig – man sollte immer über sich und die eigenen Entscheidungen nachdenken. Aber wenn die Entscheidungen dann getroffen sind, ergibt Bedauern keinen Sinn. So ist es eben, und dann kommt was Neues. Und klar, loslassen muss man im Alter können – Dinge, Gewohnheiten, hochhackige Schuhe und manchmal sogar dann noch Menschen, die einem nicht guttun.
Inwiefern darf man Erwartungen an das Alter haben?
Man muss immer Erwartungen haben. Das ist vom Alter unabhängig. Das Leben hält jeden Tag Überraschungen bereit!
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Glückspost» veröffentlicht. Mehr aus der Welt der Schweizer Prominenz, Royals und Sportstars erfährst du immer montags in unserem Gratis-Newsletter! Zur Anmeldung
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Kann man überhaupt «gut» altern?
Das ist individuell natürlich sehr verschieden, je nach Charakter, Lebensform und Anspruch. Aber gut ist, so viel wie möglich selbst zu gestalten, Freunde zu haben, rauszugehen, sich nicht hängenzulassen und nicht in Schlumpfklamotten zu Hause zu vergammeln.
Körperliches oder geistiges Altern – was ist schwieriger?
Das kann nur jeder für sich beantworten. Ich komme mit beidem klar.
Worin sind Sie jung geblieben – sofern dies erstrebenswert ist?
Ich hab dasselbe Temperament wie immer und wunderbarerweise kaum Falten. Gute Gene.
Und was können Sie heute als «Alte» besser als als «Junge»?
Keine Ahnung. Vielleicht Klavierspielen.