Der SBB-CEO tritt zurück! Nicht per sofort, aber «spätestens Ende 2020». Seit Anfang 2007 ist Andreas Meyer (58) Chef des grössten Verkehrsunternehmens der Schweiz. Nächstes Jahr werden es 14 Amtsjahre sein. Genauso so lange war sein Vorgänger Benedik Weibel (72) im Amt, als dieser seinen Posten an Meyer abgab.
Meyer habe seien Rücktritt bereits im Frühjahr beschlossen, sagt Monika Ribar (59), Präsidentin des SBB-Verwaltungsrats, am Mittwoch in Bern. Dort sollte es eigentlich darum gehen, wie gut die SBB im ersten Halbjahr gearbeitet haben.
Er habe den Verwaltungsrat frühzeitig über seine Absichten informiert. «Es war keine Überraschung, sondern ein gemeinsamer Prozess», erklärt Ribar im BLICK-Interview. Es sei normal, dass Verwaltungsrat und CEO zum Thema Rücktritt austauschten, wenn dieser ein gewisses Amtsalter habe.
Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga (59) sei bereits sehr früh über den Plan informiert worden. Die Suche nach einem neuen CEO hat das Unternehmen bereits eingeleitet, so Ribar.
Grosszügig beschenkt
Wann genau Meyer zurücktrete, hänge stark von der Nachfolgeplanung ab. Ein Abschiedsgeschenk verteilt Meyer aber schon jetzt. Wie der Chef vor Medien ausführt, werden alle SBB-Angestellten, die dem GAV unterstehen, für die Anstrengungen der letzten Monate belohnt. Wahlweise gibt es zwei Ferientage oder 800 Franken.
An die Passagiere verteilen die SBB zusätzlich 60 Millionen Franken – für Preissenkungen und Serviceverbesserungen.
Lob für guten Job
Für ihn sei es ein sehr emotionaler Moment, sagt Meyer, als er auf dem Podium das Wort ergreift. Er habe eine Weiche gestellt, weg von einem Unternehmen, dem er sich sehr verbunden fühlte. «Ich hatte fast die meiste Zeit Freude an meinem Job», sagt der Noch-Bahnchef. Erleichtert ist er, weil sein Rücktritt nun raus sei. «Für viele im Konzern wird nun klar, was hinter dem Codenamen 'Challenge 2020' steckte», sagt Meyer. Er versichert: «Ich nehme bis zu meinem Rücktritt die volle Verantwortung für das Unternehmen wahr und gehe die aktuellen Herausforderungen mit hoher Priorität an.»
Lob für den SBB-CEO teilt Präsidentin Ribar aus: «Andreas Meyer hat die integrierte Bahn durchgesetzt, um die uns viele Länder beneiden, und etliche Grossprojekte erfolgreich bewältigt.» Zudem sei es ihm gelungen, ein starkes Kader mit gutem Spirit aufzubauen und die Transformation der SBB zu einem modernen Unternehmen im Besitz und Dienst der Schweiz voranzutreiben.
Doch nicht mehr so frisch
Der Rücktritt des CEO kommt überraschend. Auch deshalb, weil er noch vor Kurzem im Interview mit dem SonntagsBlick erklärte: «Ich bin zwar nicht mehr neu, aber noch frisch.»
Der Verdacht liegt nahe, dass Meyer die Turbulenzen der letzten Wochen und Monate zu viel geworden sind. Viel Kritik musste das Unternehmen einstecken. Zu reden gaben etwa die vielen Verspätungen, die marode Bahninfrastruktur und schliesslich der tödliche Unfall der Zugbegleiters Bruno R.
Im BLICK-Interview darauf angesprochen, weist Meyer den Zusammenhang weit von sich. Marode Bahninfrastruktur lässt er nicht gelten. «Es stimmt, dass wir im Moment die bestellten Züge noch nicht haben, aber ich gehe davon aus, dass die jetzt zum Fahrplanwechsel Stück für Stück kommen.»
Weitere Wechsel in Aussicht
Laut Meyer sei der jetzige Zeitpunkt richtig für einen Wechsel, weil der Strategieprozess 2020 im nächsten Jahr abgeschlossen werde. Es zeichne sich in den nächsten Jahren auch ein Generationenwechsel in verschiedenen Führungspositionen ab. Die Wahl eines neuen Führungsteams wolle er seiner Nachfolge überlassen.
«Ich freue mich auf eine neue Phase in meinem Berufsleben», sagt Meyer, «in der ich meine Erfahrungen vermehrt in strategische Aufgaben und ausgewählte Projekte einbringen möchte.» Der CEO dürfte also ein oder gleich mehrere Mandate als Verwaltungsrat anstreben.
Weniger Lohn für den nächsten SBB-CEO
Was muss sein Nachfolger mitbringen? Es müsse eine Person sein, die ein solch grosses Unternehmen führen könne, erklärt Ribar das Anforderungsprofil. Man sei sehr offen. Gefordert sei aber eine Affinität für die Politik, den schliesslich gehören die SBB dem Bund. «Eine Frau ist herzlich willkommen.»
Klar ist, der neue Spitzenmann der SBB wird weniger verdienen als Meyer. Dieser kam 2018 auf einen Lohn von 987’000 Franken. Seit 2010 verdiente er sogar regelmässig über eine Million.
Ein Plus bei den Passagieren
Während die Rücktrittsankündigung die Hauptneuigkeit der SBB war, gings am Mittwoch auch noch um die Halbjahreszahlen. Das Konzernergebnis ist im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent auf 279 Millionen Franken leicht gesunken.
Zugelegt haben die Bundesbahnen bei den Passagieren. Täglich wurden 1,29 Millionen Passagiere transportiert. Ein Plus von 3,9 Prozent im Vergleich zur ersten Hälfte 2018.
Im Ausblick zeigt sich das Unternehmen vorsichtig. Die betriebliche Lage bleibe anspruchsvoll, dies unter anderem wegen fehlender Doppelstockzüge und «einer anspruchsvollen Ressourcensituation beim Personal». Überschattet werde das laufende Jahr durch den Arbeitsunfall eines Kundenbegleiters Anfang August, schreiben die SBB.
Versprechen an die Passagiere
Was immer interessiert: Die Kundenpünktlichkeit im Personenverkehr bleibe mit 90,7 Prozent stabil, so die SBB. Etwas schlechter ist die Anschlusspünktlichkeit. Das Unternehmen zeigt sich auch kritisch: «In der Westschweiz und im Tessin sowie auch einzelnen Strecken sind die Werte niedriger.» Besserung solle ein Programm bringen, das Anfang 2019 gestartet wurde.
«Erste Massnahmen sind im Hinblick auf den Fahrplanwechsel geplant», so das Versprechen.