«Ich hatte wegen den Türen auch schon blaue Flecken»
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SBB-Mitarbeiter verärgert:«Ich hatte wegen den Türen auch schon blaue Flecken»

SBB-Kollegen trauern um Zug-Chef Bruno R. (†54) – und erheben Vorwürfe
«Diese Tür hat mich auch schon eingeklemmt!»

Bruno R. (†54) hing am Zug und wurde mehrere Kilometer mitgeschleift. Jetzt ist er tot. Die Trauer unter seinen SBB-Kollegen ist gross. Ebenso die Wut. Denn eigentlich wusste man längst von den Mängeln, die R. das Leben kosteten.
Publiziert: 09.08.2019 um 23:12 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2019 um 08:36 Uhr
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SBB-Angestellte gedenken am Hauptbahnhof des verstorbenen Bruno R. (†54).
Foto: KEYSTONE
Helena Schmid

Als der Minutenzeiger über der Anzeigetafel auf zwölf springt, steht der Hauptbahnhof Zürich plötzlich still. Kein Zug rollt mehr an. Kein Pendler hetzt mehr durch die Menge. Kein Verkäufer tippt mehr in die Kasse. Nur die schrillen Töne aus Hunderten Trillerpfeifen schallen durch die Bahnhofshalle. Begleitet vom Horn der stehenden Züge. 60 Sekunden orchestrierter Lärm. 60 Sekunden für Bruno R.* (†54).

SBB-Angestellte aus der ganzen Schweiz haben sich am Freitagmittag versammelt, um ihres verstorbenen Kollegen zu gedenken. Sie fallen sich in die Arme, wischen sich Tränen aus den Augen, halten sich an den Händen. Noch sitzt ihnen der Schock über den tragischen Unfall tief in den Knochen.

«Ich vermisse ihn ganz schrecklich»

In der Nacht auf den vergangenen Sonntag möchte Zugchef Bruno R. in den Interregio 36 von Baden AG nach Zürich steigen. Doch die Tür schnappt zu, klemmt ihn ein. Der Lokführer fährt los. Bruno R. ist machtlos. Mehrere Kilometer schleift ihn der Zug mit. Sein lebloser Körper wird am frühen Morgen an den Gleisen nahe dem Bahnhof Wettingen AG entdeckt.

Erst am Mittwoch informieren die SBB ihre Mitarbeiter über den Todesfall. Silvia Lüthi ist während der Schweigeminute am Hauptbahnhof den Tränen nahe. Die Bahnbegleiterin kannte Bruno R. gut. An ihrer Uniform trägt sie eine schwarze Rose. «Ich vermisse ihn ganz schrecklich», sagt sie zu BLICK.

Sie habe sich mit dem Verstorbenen häufiger auf dem Perron unterhalten. Oder im Zug. «Man fällt sich um den Hals, gibt sich einen Kuss auf die Wange», erzählt sie. Kurze Begegnungen, die Nähe schaffen. Ali Selman traf den Verunglückten regelmässig im Zug-Restaurant an. Die beiden waren sich vertraut. «Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Meine Gefühle reissen mich hin und her», sagt er.

«Das Problem war schon bekannt!»

Doch sei es die Trauer, die Fassungslosigkeit, die alles überschatte. Und die Wut. Wut auf die SBB, die Bruno R. nicht schützten. Die es so weit kommen liessen. Die langjährige Bahnbegleiterin Eva Bilgeri kritisiert: «Diese Türen schnappen unvermittelt zu. Man muss ständig auf der Hut sein. Das war bekannt, schon vor Brunos Tod.»

Erste Ermittlungen der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) zeigen: Das Einklemmschutzsystem der Tür hat versagt. Die Schliesskraft wurde nicht deaktiviert. Obwohl die Tür blockiert war. Zugbegleiterin Lüthi: «Ich hatte schon blaue Flecken, weil die Tür mich eingeklemmt hatte. Doch sie ging wieder auf. Ich konnte mich befreien. Bruno nicht.»

Auch im Internet erzählen Mitarbeiter von prekären Erfahrungen mit dem Unfall-Zug. Ihre Lernende habe sie einmal in den fahrenden Waggon ziehen müssen, weil die Tür sie eingeklemmt habe, berichtet eine Nutzerin. Sie appelliert: «Jetzt muss sich etwas ändern!»

SBB wissen von nichts

Claudio Pellettieri, stellvertretender Leiter der Bahnproduktion, beteuert gegenüber BLICK, der SBB seien keine solchen Fälle bekannt. «Die Sicherheit von Mitarbeitern und Kunden hat oberste Priorität», sagt er. Bei technischen Problemen verfüge man über einen klaren Meldeprozess.

Das nütze nichts, kontert ein Angestellter. «Niemand füllt die Meldeformulare mehr aus, weil sie sowieso nicht bearbeitet werden», bemängelt er in einem Facebook-Post. 

Pellettieri stellt klar, man müsse erst die Ergebnisse der Untersuchung abwarten. Bis dahin rollt der Verkehr normal weiter. Die Mitarbeiter an der Gedenkfeier sind sich aber bewusst: Es hätte jeden von ihnen treffen können. Und könnte jeden von ihnen noch treffen. Eva Bilgeri: «Solange die SBB nichts unternehmen, sind wir alle in Gefahr.»

* Name der Redaktion bekannt

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