Sunrise-CEO attackiert im Streit um 5G den Bundesrat
«Die Situation ist skandalös»

Im Streit um 5G nimmt der neue Sunrise-Chef kein Blatt vor den Mund. André Krause fordert vom Bundesrat eine rasche Erhöhung der Grenzwerte.
Publiziert: 13.09.2020 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2020 um 09:47 Uhr
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Jedes Jahr verdoppelt sich der Datenverbrauch in der Schweiz. Corona hat den Trend verschärft
Foto: imago images / imagebroker
Interview: Danny Schlumpf

SonntagsBlick: Vor einem Jahr haben Sunrise und Swisscom mit Pauken und Trompeten die 5G-Offensive lanciert. Jetzt ist der Ausbau komplett blockiert. Haben Sie sich überschätzt?
André Krause: Die Verstei­gerung der 5G-Frequenzen fand im Februar 2019 statt. Natürlich wollten wir diese Frequenzen so schnell wie möglich umsetzen. Die ­Bereitschaft der Politik für die anschliessend not­wendigen Entscheidungen lief aber langsamer ab als erwartet. Das war eine negative Überraschung.

Wie viele Ihrer Kunden nutzen denn schon 5G?
Noch sind es weniger als ein Prozent der Daten, die über 5G laufen.

Gleichzeitig werden die Stimmen immer lauter, die vor den Gefahren von 5G warnen. Nehmen Sie die Sorgen der Bevölkerung ernst?
Definitiv. Wir haben die Vehemenz der Diskussion unterschätzt. Aber die neusten Studien der internationalen Expertengremien zeigen, dass es bei den heute von der WHO empfohlenen Grenzwerten keine Beeinträchtigung für die Gesundheit gibt. Und die Grenzwerte bei den Mobilfunkantennen in der Schweiz liegen zehnmal tiefer als die der WHO.

Die Ängste vor der Strahlung sind also unbegründet?
Die Argumente der Kritiker sind überzogen. Sie basieren selten auf Fakten und häufig auf Studien, die zumindest fragwürdig sind. Wir treten dem mit Information ent­gegen. Aber wir hätten uns gewünscht, dass auch der Bund von Anfang an stärker mit Information aufgetreten wäre. Er war zu passiv. Damit hat er die Situation eher ­befeuert als beruhigt.

Nächste Woche treffen Sie Uvek-Vorsteherin Simonetta Sommaruga. Was werden Sie der Bundesrätin sagen?
Es ist wichtig, dass nicht nur die Branche selber die Unbedenklichkeit von 5G zu erklären versucht. Es ist auch Aufgabe der Politik, uns hier zu unterstützen. Wir brauchen schnell Rechtssicherheit und eine sinnvolle Diskussion über eine ­Anpassung der Grenzwerte.

Diese Diskussion ist total blockiert …
Ich bin natürlich frustriert über die aktuelle Situation. Sie ist skan­dalös. Vor 18 Monaten hat der Staat die Frequenzen verkauft – die Rahmenbedingungen für ihren Einsatz aber hat er bis heute nicht geschaffen. Mit der Folge, dass die Kan­tone und Gemeinden beklagen, keine Klarheit bei der Erteilung von Baugenehmigungen zu haben. Ich erhoffe mir vom Gespräch nächste Woche, dass wir ­einen klaren, schnellen Fahrplan bekommen.

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Ist ein Ausbau von 5G auch ohne Erhöhung der Grenzwerte möglich?
In diesem Fall werden gemäss Schätzungen der vom Uvek be­auftragten Expertengruppe 26'500 neue Antennen nötig. Das ist absurd. Wir haben heute schon Schwierigkeiten, Antennenstandorte zu finden. Wenn wir die Kosten Zehntausender weiterer Standorte in das Endprodukt mit einkalku­lieren müssen, wird das so teuer, dass es keiner mehr haben will.

Werden die Grenzwerte doch noch erhöht, stehen Sie allerdings vor einem weiteren ­Problem: Dann wird für jede ­einzelne, bereits bestehende Anlage in der Schweiz eine ­erneute Baubewilligung nötig sein. Das heisst: Es wird wahr­scheinlich Einsprachen am Laufmeter geben …
Wir brauchen heute schon meistens eine Baugenehmigung, wenn wir bestehende Antennen upgraden. Es ist also ein Prozess, den wir kennen. Natürlich werden dann noch viel mehr Einsprachen kommen. Doch das ist mir lieber als ­ das Szenario, in welchem wir nie 5G haben in der Schweiz.

Aber irgendwann ist der Zug doch einfach abgefahren?
Natürlich. Wir haben einen ähn­lichen Fall mit dem Glasfasernetz erlebt. Die Schweiz war eines der ersten Länder, die damit starteten. Vor sechs Jahren gehörten wir zu den am besten positionierten Ländern Europas. Heute haben Spa­nien und Portugal 100 Prozent Glasfaserabdeckung. Die Schweiz steht bei 35 Prozent.

5G-Kritiker fordern den Ausbau des Glasfasernetzes mit dem Ziel, dass wir in Innenräumen nur noch über Glasfaser tele­fonieren. So wollen sie die ­Anzahl der notwendigen Antennen stark minimieren.
Das ignoriert die physikalischen Gesetze. Es ist aber auch ökonomisch sinnlos, mehr als 70 Prozent der Haushalte in der Schweiz mit Glasfasern abzudecken. Es kostet ein Vermögen, jeden einzelnen Bauernhof anzuschliessen. Genau solche Orte müssen aber erreichbar sein, denken Sie nur an die ­zu­nehmende Bedeutung von Smart Farming und Telemedizin. Deshalb ist Mobilfunk der einzig sinnvolle Weg, die Abdeckung zu schaffen.

Das scheint in der Schweiz ohne Huawei nicht mehr möglich. Alle drei grossen Telekom-Firmen setzen auf die Technologie des chinesischen Konzerns. Aber die Kritik an dieser Kooperation wächst.
Ich will die Diskussion nicht kleinreden, doch sie ist überhitzt wegen des Handelskriegs USA-China. Wir wollen auf die Technologie von ­Huawei zugreifen, aber auch die ­Sicherheit schaffen, ihr nicht ausgeliefert zu sein. Wir haben bereits viele Massnahmen ergriffen, um ein Eindringen von aussen zu verhindern.

Ist eine Schweiz ohne 5G für Sie vorstellbar?
Es wäre eine Bankrotterklärung für den Wirtschaftsstandort Schweiz.

Zahllose Studien – aber sie widersprechen sich

Schädigt die Strahlung von 5G-Antennen Mensch, Tier und Natur? Ja, sagen die Gegner der neuen Technologie – und führen Hunderte von internationalen Studien auf, die ihre Behauptung untermauern sollen. Nein, entgegnen die Befürworter – und verweisen auf ebenso viele Untersuchungen, die zeigen sollen: 5G schädigt nichts und niemanden! Das Problem: Die vielen Studien zeigen kein klares Ergebnis.

Im Jahr 2011 stufte die internationale Agentur für Krebsforschung hochfrequente nicht ionisierende Strahlung, wie sie von 5G-Antennen ausgeht, als möglicherweise krebserregend ein. Es gibt auch anerkannte Untersuchungen an Mäusen, die zeigen, dass die Strahlung das Wachstum aggressiver Tumore beschleunigen kann. Doch das Gesamtbild all der unzähligen Expertisen widerspricht ebenso klar der Behauptung, dass von 5G eine allgemeine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht. Dies wird aus dem Bericht der Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» im Auftrag des Bundesrats deutlich. In dem Papier, das 2019 publiziert wurde, heisst es: «Die Arbeitsgruppe stellt fest, dass bei den heute verwendeten Mobilfunkfrequenzen unterhalb der Grenzwerte bisher Gesundheitsauswirkungen nicht konsistent nachgewiesen wurden.»

Schädigt die Strahlung von 5G-Antennen Mensch, Tier und Natur? Ja, sagen die Gegner der neuen Technologie – und führen Hunderte von internationalen Studien auf, die ihre Behauptung untermauern sollen. Nein, entgegnen die Befürworter – und verweisen auf ebenso viele Untersuchungen, die zeigen sollen: 5G schädigt nichts und niemanden! Das Problem: Die vielen Studien zeigen kein klares Ergebnis.

Im Jahr 2011 stufte die internationale Agentur für Krebsforschung hochfrequente nicht ionisierende Strahlung, wie sie von 5G-Antennen ausgeht, als möglicherweise krebserregend ein. Es gibt auch anerkannte Untersuchungen an Mäusen, die zeigen, dass die Strahlung das Wachstum aggressiver Tumore beschleunigen kann. Doch das Gesamtbild all der unzähligen Expertisen widerspricht ebenso klar der Behauptung, dass von 5G eine allgemeine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht. Dies wird aus dem Bericht der Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» im Auftrag des Bundesrats deutlich. In dem Papier, das 2019 publiziert wurde, heisst es: «Die Arbeitsgruppe stellt fest, dass bei den heute verwendeten Mobilfunkfrequenzen unterhalb der Grenzwerte bisher Gesundheitsauswirkungen nicht konsistent nachgewiesen wurden.»

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