Unsicherheit, Wut, Frust, Enttäuschung: In der Corona-Krise fühlten sich die Schweizer Camping-Betreiber im Stich gelassen. Wochenlang hörten sie nichts vom Bundesrat. Ende Mai kam schliesslich die erlösende Nachricht: Auf Anfang Juni sind Ferien mit dem Wohnmobil wieder möglich.
Kaum hat der Bundesrat diese Lockerung verkündet, deckten Reisehungrige den Berner Camping-Betreiber Marcel Zysset (53) mit Anfragen ein. Sein Camping-Platz liegt direkt am Brienzersee. «Innert Stunden hatten wir 300 Buchungsanfragen», sagt Zysset. «Für Fronleichnam und die Sommerferien sind wir bereits ausgebucht!»
Eine Einzelstimme aus dem Berner Oberland? Keineswegs. Auch andere Camping-Plätze berichten von einem Ansturm. «Unsere Telefone laufen heiss und unsere Mails sind voll», sagt etwa Klaus Bürgi, der mit 70 Lenzen immer noch einen Camping-Platz am Obwaldner Lungernsee führt. «Die Nachfrage für die Sommersaison ist riesig, und wir müssen hier bereits Absagen erteilen.»
Lage am See als Vorteil
Sowohl bei Zysset als auch bei Bürgi melden sich besonders viele Deutschschweizer. Zum Teil sind es Stammgäste, zum Teil Camping-Frischlinge. Das bietet den Camping-Platz-Betreibern eine einmalige Chance: Sie können den Zelt-Novizen die Vorteile des Campings schmackhaft machen. Womöglich finden einige auch in den nächsten Jahren den Weg zurück ins Zelt oder das Wohnmobil.
«Wir sind überzeugt, dass unsere Lage am See für uns ein Vorteil bedeutet», sagt Bürgi. Ähnlich klingt es auch bei Zysset, der nicht nur einen eigenen Camping-Platz führt, sondern auch noch den Camping-Verband im Berner Oberland präsidiert. Zysset weiss: «Für die Camping-Plätze in den Bergen ist die Situation etwas schwieriger.»
Zu kämpfen haben auch die Plätze in der Sonnenstube der Schweiz. Das Tessin ist ein eigentlicher Hotspot der Camper. Jahr für Jahr stürmen Deutschschweizer an den Lago Maggiore oder den Lago di Lugano. Die Vorfreude auf eine Pizza im Grotto ist normalerweise gross.
Schleppendes Geschäft im Tessin
Aber im Nachgang zur Corona-Krise ist die Situation anders. In den Köpfen hallen die Bilder von überfüllten Notfallstationen aus Norditalien nach. Das Tessin war zeitweise der Krisenherd der Nation. Polizisten forderten Ferienreisende am Gotthard auf, wieder zu wenden. Wo normalerweise das italienische Lebensgefühl mit viel Sonne lockt, war plötzlich die Angst vor dem Virus.
Das spüren auch die Camping-Betreiber. Die Deutschschweizer meiden die Fahrt durch den Gotthard zum Teil immer noch. «Das Geschäft läuft noch sehr schleppend hier im Tessin», sagt etwa Familie Berner vom Camping Riarena in der Magadinoebene, wo der Fluss Ticino in den Laggo Maggiore fliesst.
«Wir haben nach dem Beschluss des Bundesrates umgehend diverse Anfragen erhalten», so die Aussage. Von einem Ansturm kann aber keine Rede sein. «Wir verfügen derzeit noch über freie Kapazität in allen Buchungsperioden. Heisst Feiertage, Vorsaison, Hauptsaison und auch für den Herbst.»
Sommer und Sonne
Zysset bestätigt die Situation im Tessin. Er betreibt nicht nur einen eigenen Camping-Platz, sondern ist auch Vollblut-Camper mit Saisonstellplatz in der italienischen Schweiz. Letzte Woche hat er seinen Wohnwagen in der Sonnenstube parkiert. Normalerweise macht er dies in den ersten Frühlingswochen. Aber eben: In Corona-Zeiten ist alles anders.
«Im Tessin», so sagt Zysset, «hat die Krise deutlich grössere Spuren hinterlassen.»
Die Hoffnung bleibt. Die Hoffnung auf einen Sommer mit viel Sonne. Damit die Zelt-Novizen und Wohnmobil-Neulinge auf ihre Kosten kommen. So könnte ein schlecht gestartetes Jahr noch ein versöhnliches Ende finden.