Krisengeschüttelte Firmen können auf Hilfe jenseits von Banken und Staaten hoffen: Viele Superreiche schwimmen trotz des von der Coronavirus-Pandemie ausgelösten Markteinbruchs im Geld und sind auf der Suche nach Schnäppchen. Während das Potenzial der Aktien- und Anleihenmärkte als begrenzt gilt, locken Investitionen in privat gehaltene Firmen mit hohen Renditen.
Bisher wurden zwar kaum Deals abgeschlossen, aber Superreiche stehen Bankern zufolge in den Startlöchern. «Angesichts all der Verwerfungen bieten sich abseits der Börsen viele Möglichkeiten, das Geld zu sehr vorteilhaften Bedingungen einzusetzen», sagt ein Manager einer US-Grossbank.
Interesse an riskanten Anlagen
Die Weltwirtschaft schlittert gerade in die möglicherweise schlimmste Rezession seit den 1930er-Jahren. Doch vielen Vermögenden ist der Appetit auf Investitionen nicht vergangen, wie eine Erhebung der UBS ergab. «Unsere Umfrage zur Anlegerstimmung hat klar gezeigt, dass wohlhabende Investoren weltweit immer noch über Liquidität verfügen, um sich in riskanten Anlagen zu engagieren», sagt Tom Naratil, Co-Chef der Vermögensverwaltungssparte der Schweizer Grossbank. 37 Prozent wollten über die kommenden Monate mehr investieren.
Die Perspektiven sind indes nicht überall verlockend. Mit den Anleihenkäufen der EZB oder der US-Notenbank springt bei Staatsanleihen kaum mehr etwas raus. Und Aktien haben nach ihrem starken Lauf nach Einschätzung von vielen Strategen bereits einen grossen Teil der Erholung vorweggenommen. «Das rechtfertigt für einige Kunden das Risiko nicht mehr», sagt der Manager der US-Bank.
«Chancen in der Realwirtschaft»
«Kunden denken darüber nach, wo sich Chancen in der Realwirtschaft ergeben könnten», beobachtet UBS-Manager Naratil. Als Beispiel führt er unter anderem die Übernahme von ganzen Firmen, Investitionen in Jungfirmen, Unternehmensfinanzierungen oder Immobilienkäufe an. Wenn alles gut gelaufen sei, sässen Family Offices – die Vermögensverwaltungs-Teams von Superreichen – gegenwärtig auf Bargeld, erklärt Claudio de Sanctis, der das Wealth Management der Deutschen Bank leitet.
«Sie könnten dieses Geld leihen oder einem Unternehmen, das ihnen gehört, zur Verfügung stellen. Oder sie können dieses Geld einsetzen, um notleidende Vermögenswerte zu kaufen, die einen langfristigen Wert haben.» An Gelegenheiten dürfte es angesichts des Konjunktur-Kollapses, der viele Firmen in Bedrängnis bringt, nicht mangeln. Denn die Banken sind mit Finanzspritzen deutlich zurückhaltender geworden. Besonders hart getroffen sind die Einzelhändler. In den USA ist etwa die Bekleidungskette J. Crew unter ihrer Schuldenlast zusammengebrochen.
«Wenn Unternehmen restrukturiert werden, brauchen sie neue Finanzierungen», so der Manager der US-Bank. Das schaffe Anlagemöglichkeiten. Ein Investmentbanker erklärte, er arbeite gegenwärtig an Finanzierungspaketen für drei Firmen, darunter eine europäische Bekleidungsfirma. Family Offices seien interessiert, Geld einzuschiessen.
Mittel werden langsam knapp
Viele Family Offices hätten sich in der Krise zuerst nach innen orientiert, seien inzwischen aber zuversichtlich, dass ihr Haus bestellt sei, sagt Robert Weeber von der Investmentfirma Tiedemann Constantia. Es gebe durchaus gute Unternehmen, die in einigen Wochen Mittel bräuchten. «Dann dürften sie auf Family Offices treffen, die die Krise gut gemeistert haben und in der Lage sind, das Geld zu verleihen, falls die Banken die Lücke nicht füllen.»
Er wisse von einer Familie, die vor drei Monaten eine Anlagemöglichkeit im Versicherungsbereich ausgemacht habe. «Sie sind weiterhin interessiert, aber sie warten noch sechs bis acht Wochen, um zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln, und ob die Gelegenheit noch verlockender wird.» Preise wie diese böten sich in einem Zyklus nur ein Mal. (me)
Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.
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