Endlich! Seit gestern rollen wieder Züge über die Strecke beim deutschen Rastatt. Seit dem 12. August war kein Durchkommen mehr, weil sich die Gleise 20 Kilometer südlich von Karlsruhe auf einer Länge von 50 Metern abgesenkt hatten. Eine kurze Strecke mit einem langen Rattenschwanz: Güterzüge mussten Ausweichrouten, Passagiere Busse nehmen. Tranportunternehmen wechselten auf Sattelschlepper, schickten Container auf Schiffen auf den Rhein nach Nord und Süd. Nicht alle Firmen konnten beliefert werden, manche mussten ihre Produktion drosseln oder auf Eis legen.
Kunden von Transporteuren kündigen rechtliche Schritte an
«Ich musste mir Ersatzware über sieben Ecken beschaffen», sagt Thomas Engel (60) von der Lack- und Farbenfabrik Silfa (BLICK berichtete). Ausgerechnet hat er den wirtschaftlichen Schaden nicht. «Da würde ich mich nur aufregen», sagt Engel. Beim Transportunternehmen Bertschi hat man die Rechnung gegenüber dem SRF angestellt: 50 Millionen Franken Verlust.
Hupac, den grössten Schweizer Anbieter im kombinierten alpenquerenden Verkehr, kostete die Bahnunterbrechung wegen entgangenen Umsatzes und Zusatzausgaben einen zweistelligen Millionenbetrag. Jetzt stehen auch noch Schadenersatzforderungen ins Haus. Erste Kunden hätten bereits rechtliche Schritte angekündigt, so Sprecherin Irmtraut Tonndorf.
Die Deutsche Bahn stellt sich auf Schadenersatzforderungen ein
SVP-Nationalrat und Transportunternehmer Ulrich Giezendanner (63) findet: «Rastatt ist eine absolute Katastrophe!» Ihn hat der Stillstand rund 600'000 Franken gekostet. Das ärgert André Kirchhofer, Vizedirektor des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands Astag: «Es kann nicht sein, dass Transportunternehmen auf den Kosten sitzenbleiben, für die sie nicht verantwortlich sind.» Der Verband prüft nun Schadenersatzforderungen.
Bei der Deutschen Bahn stellt man sich schon auf Forderungen ein. Eine könnte auch von den SBB kommen. Die analysieren derzeit noch die finanziellen Auswirkungen des Rastatt-Debakels und prüfen juristische Mittel, wie Sprecher Reto Schärli erklärt. Fest steht für die SBB: Der grenzüberschreitende Austausch muss verbessert werden.
«Desaster Rastatt – Lasst uns daraus lernen!»
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) haut in die gleiche Kerbe: «Der Verwaltungsrat des Korridors Rhein-Alpen muss mehr Kompetenzen erhalten», so BAV-Sprecher Gregor Saladin. Die von der EU unterstützte Organisation orchestriert die wichtige Nord-Süd-Achse, auf der Rastatt liegt. BLICK weiss: Dort diskutiert man schon heiss bessere Umleitungen und Bauplanungen.
An den Korridor ging am Freitag ein Brief von 30 Unternehmen und Verbänden mit dem Titel «Desaster Rastatt – Lasst uns daraus lernen!».