Das Teil-Grounding der Swiss geht auch am Mittwoch weiter. Nach einem Zwischenfall am Dienstagmorgen eines Airbus A220 mussten 73 Flüge gestrichen werden. Am Mittwoch fallen weitere 32 Verbindungen aus. 2940 Passagiere werden laut der Airline heute den Flug in die Ferien oder zum Geschäftstermin verpassen.
Die ganze Flotte soll gemäss Airbus-Informationen bis zum 17. Oktober wieder flugbereit sein. Das bestätigt die Swiss auf ihrem Twitter-Kanal: «Die ersten Flugzeuge sind in perfektem Zustand schon wieder in Dienst gestellt worden.» Andere stehen noch auf dem Flughafen Kloten und werden in Hangars von Experten auf Herz und Nieren geprüft.
Am Mittwochmorgen liefert die Swiss ein Update: «Am Dienstagnachmittag und in der Nacht auf Mittwoch wurden bereits 17 A220-Flugzeuge inspiziert. Die Triebwerke sind in einwandfreiem Zustand, so dass 20 Flugzeuge wieder in den regulären Flugbetrieb zurückgekehrt sind», sagt Swiss-Sprecher Stefan Vasic auf Anfrage von BLICK. Am Donnerstag soll der Flugbetrieb «wieder weitgehend regulär» durchgeführt werden.
29 Flugzeuge betroffen
Die Ausfälle starteten am Dienstagnachmittag. Eine Maschine der Swiss auf dem Weg nach London musste am Morgen wegen einer technischen Unregelmässigkeit am Triebwerk in Paris zwischenlanden. Später wird klar: Der Zwischenfall hat gravierende Konsequenzen für die Swiss. Alle 29 Modelle des «Flüsterjets» A220 müssen in den Hangar.
«Die Swiss hat sich entschieden, eine Triebwerksüberprüfung der A220-Flotte durchzuführen. Aus diesem Grund müssen alle A220 einer umfassenden Inspektion unterzogen werden», sagt Sprecher Stefan Vasic zu BLICK. Beim Flugzeugtyp handelt es sich übrigens um dieselben Maschinen, die früher als Bombardier C-Series bekannt waren.
Air Baltic hatte Zwischenfall mit A220
Der betroffene Airbus-Typ A220 wird in Europa auch von der Air Baltic eingesetzt. In Amerika wird die A220 im Linienverkehr verwendet, unter anderem von Delta Air Lines. Diese Fluggesellschaften lassen die Flieger in der Luft.
Nicht nur die Swiss hat Probleme mit dem A220. BLICK-Recherchen zeigen: Ein Air Baltic Bombardier, der im August des vergangenen einen Flug von Riga (Lettland) nach Baku (Aserbaidschan) durchführte, musste ebenfalls unterbrochen werden. Die Besatzung beschloss damals, das rechte Triebwerk wegen eines niedrigen Öldrucks abzuschalten und nach Riga umzukehren.
Notfallkomitee einberufen
Ob ein allgemeines Problem besteht, ist ungewiss. Klar ist: Die Swiss nehmen den Vorfall ihrer Maschine auf dem Weg nach Paris sehr ernst. Das Portal Aerotelegraph berichtet, dass die Swiss ein Notfallkomitee einberufen hat und beruft sich auf eine Mitarbeiterinformation. Der Grund: Es sei dies bereits der «dritte Inflight Shutdown innerhalb von drei Monaten».
«Zurzeit evaluiert das Gremium sorgfältig, ob und wie ein sicherer Flugbetrieb mit der C-Series-Flotte sichergestellt werden kann.» Schon am 25. Juli musste eine A220 der Swiss auf dem Weg nach London in Paris zwischenlanden. Grund war damals ein defektes Triebwerk.
Swiss nehme diese Vorfälle sehr ernst und stehe im engen Austausch mit den zuständigen Behörden, Airbus Canada und dem Triebwerkhersteller (Pratt & Whitney). «Die Sicherheit unserer Kunden und Crews hat für uns oberste Priorität. Wir werden alles dafür tun, den Flugbetrieb der A220-Flotte schnellstmöglich wieder zu normalisieren und weiterhin einen sicheren Flugbetrieb gewährleisten zu können», heisst es weiter.
7000 Passagiere sitzen in Kloten fest
Am Dienstag sind wegen des Teil-Groundings 73 Flüge ausgefallen. Exakt 6995 Passagiere sind gestrandet, präzisiert Stefan Vasic auf Nachfrage von BLICK.
Die ganze Aktion dürfte länger dauern. «Erst nach einwandfreier Inspektion werden die Flugzeuge wieder in den regulären Flugbetrieb zurückkehren. Dies führt zu einer spürbaren Einschränkung des Swiss-Flugbetriebs, da zahlreiche Flüge annulliert werden müssen», so der Sprecher weiter.
Am späten Dienstagabend heisst es, am Donnerstag sollte der Betrieb wieder in geordneten Bahnen laufen.
Passagiere werden mit Sandwiches beruhigt
«Ich wurde dreimal umgebucht und sitze immer noch in Zürich fest», sagt die Ostschweizerin Myna (39). Sie will nach Belgrad, um ihre Verwandten zu besuchen. Sie ist verzweifelt. «Ich weiss immer noch nicht, wie es weitergehen soll», sagt sie zu BLICK.
Sie ist nicht die einzige. Hunderte Passagiere sitzen in Kloten fest. Sie wollen am Swiss-Schalter wissen, wie sie an ihr Ziel kommen. Immer wieder kommt Hektik auf. Viele sind genervt. Mit Wasser und Sandwiches versuchen die Angestellten, die Gestrandeten bei Laune zu halten.
Enger Austausch mit Airbus
Die Maschine wird in Paris nun von Technikern des Motorenherstellers untersucht. Sie wollen wissen, was zum Zwischenfall geführt hat (siehe Tweet unten).
«Noch ist unklar, was die Ursache des technischen Defekts am Triebwerk der Maschine war, die in Paris zwischenlanden musste», sagt Stefan Vasic. Die 28 übrigen Maschinen des Typs werden zurück in die Schweiz geflogen, wo sie kontrolliert werden. «Eine nach der anderen wird kontrolliert und dann wieder in den Flugbetrieb integriert», so der Sprecher.
C-Series. So nannte Bombardier seinen völlig neuen und leiseren Jet für die Kurz- und Mittelstrecke. Doch die Kosten liefen während der Produktion aus dem Ruder. Erstabnehmer, Swiss-Chef Thomas Klühr (57), bekam den Flieger mit drei Jahren Verspätung von der Bombardier Aerospace. Die Kanadier sind auch Lieferant der FV-Dosto-Schüttelzüge, die bei der SBB derzeit für Probleme sorgen. Um die C-Series zu retten, verkaufte Bombardier im Sommer vor einem Jahr 50,1 Prozent an Airbus. Die tauften sie in A220 um. Der sogenannte Flüsterjet der Swiss hatte ab 2016 schrittweise die veralteten Jumbolinos ersetzt. Die Maschinen verbrauchen deutlich weniger Treibstoff und können mehr Passagiere (130 bis 165 Personen) transportieren als die Jumbolinos, womit die Lufthansa-Tochter mehr Geld verdienen kann. Ulrich Rotzinger
C-Series. So nannte Bombardier seinen völlig neuen und leiseren Jet für die Kurz- und Mittelstrecke. Doch die Kosten liefen während der Produktion aus dem Ruder. Erstabnehmer, Swiss-Chef Thomas Klühr (57), bekam den Flieger mit drei Jahren Verspätung von der Bombardier Aerospace. Die Kanadier sind auch Lieferant der FV-Dosto-Schüttelzüge, die bei der SBB derzeit für Probleme sorgen. Um die C-Series zu retten, verkaufte Bombardier im Sommer vor einem Jahr 50,1 Prozent an Airbus. Die tauften sie in A220 um. Der sogenannte Flüsterjet der Swiss hatte ab 2016 schrittweise die veralteten Jumbolinos ersetzt. Die Maschinen verbrauchen deutlich weniger Treibstoff und können mehr Passagiere (130 bis 165 Personen) transportieren als die Jumbolinos, womit die Lufthansa-Tochter mehr Geld verdienen kann. Ulrich Rotzinger
Immerhin: «Für die Fluggäste sowie die Besatzungsmitglieder hat zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden. Die Landung am Flughafen Charles de Gaulle ist völlig ereignislos erfolgt», sagt der Swiss-Sprecher. Betroffene Fluggäste würden von der Swiss aktiv informiert. Sie werden auf Kosten von Swiss umgebucht. Zudem können Tickets von Passagieren, die auf einem annullierten Flug gebucht sind, laut der Airline kostenlos umgebucht oder erstattet werden.
Swiss war die erste Airline, die den A220 in die Flotte aufgenommen hatte. Der Flieger wird auf dem Europa-Netz der Swiss eingesetzt und macht knapp die Hälfte der Europa-Flotte oder einen Drittel der gesamten Flotte aus.
Gehören Sie zu den gestrandeten Swiss-Passagieren?
Melden Sie sich bei BLICK via Formular oder Reporter-Telefon: +41 79 608 03 49
«Was Sie zusätzlich bezahlen, darauf haben Sie als Fluggast Anspruch, was sie verpassen, darauf nicht.» Auf diese kurze Formel bringt Simon Sommer (29), Fluggastrechtsjurist und Mitbegründer von Cancelled.ch die Rechte der betroffenen Swiss-Passagiere auf den Punkt.
Das heisst: Nur weil der Flug zum Beispiel nach London ausfällt, muss die Airline das Hotel am Zielort oder die Tickets für das verpasste Konzert nicht bezahlen.
Betroffene Passagiere haben jedoch Anspruch auf sogenannte Care-Leistungen. Darunter versteht man notwendig gewordene, zusätzliche Hotelübernachtungen, Verpflegung aber auch Kommunikation (Möglichkeit ein Telefongespräch zu führen oder eine E-Mail zu versenden). Selbstverständlich steht die Airline überdies in der Pflicht, für einen kostenfreien, adäquaten Alternativtransport zu sorgen.
Anspruch auf pauschale Entschädigung
Grundsätzlich gilt: Bei Annullationen hat der betroffene Passagier gemäss EU-Fluggastrechteverordnung grundsätzlich Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung in der Höhe von 250 bis 600 Euro (je nach Flugdistanz). Bei den betroffenen Swiss-Flügen handelt es sich fast ausschliesslich um Kurzstreckenflüge, womit also 250 Euro fällig würden. In einigen Fällen sind bei der Swiss vom temporären Ausfall der gesamten A-220-Flotte auch Mittelstreckenflüge betroffen. Hier besteht ein Anspruch auf 400 Euro Entschädigung.
Neben Cancelled.ch gibt es weitere Anlaufstellen wie Refund.me, Fairplane, Airhelp.ch, Flightright oder EUclaim. Sie versprechen Hilfe bei der Rückerstattung der Tickets oder Entschädigungen für verspätete Abflüge. Bei Erfolg behalten diese Firmen eine Gebühr ein.
Wer nicht den Weg über ein privates Fluggastrechteportal wie Airhelp nimmt, kann sich ans Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) wenden. Dieses rät Gestrandeten, zuerst direkt die Airline anzugehen und ihr eine Frist von sechs Wochen zu setzen. Passiert nichts, dann steht auf www.bazl.admin.ch unter Fluggastrechte ein Formular bereit. Bazl-Anwälte prüfen dann den Fall. In der Regel liegt innert sechs Wochen eine Antwort vor.
«Was Sie zusätzlich bezahlen, darauf haben Sie als Fluggast Anspruch, was sie verpassen, darauf nicht.» Auf diese kurze Formel bringt Simon Sommer (29), Fluggastrechtsjurist und Mitbegründer von Cancelled.ch die Rechte der betroffenen Swiss-Passagiere auf den Punkt.
Das heisst: Nur weil der Flug zum Beispiel nach London ausfällt, muss die Airline das Hotel am Zielort oder die Tickets für das verpasste Konzert nicht bezahlen.
Betroffene Passagiere haben jedoch Anspruch auf sogenannte Care-Leistungen. Darunter versteht man notwendig gewordene, zusätzliche Hotelübernachtungen, Verpflegung aber auch Kommunikation (Möglichkeit ein Telefongespräch zu führen oder eine E-Mail zu versenden). Selbstverständlich steht die Airline überdies in der Pflicht, für einen kostenfreien, adäquaten Alternativtransport zu sorgen.
Anspruch auf pauschale Entschädigung
Grundsätzlich gilt: Bei Annullationen hat der betroffene Passagier gemäss EU-Fluggastrechteverordnung grundsätzlich Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung in der Höhe von 250 bis 600 Euro (je nach Flugdistanz). Bei den betroffenen Swiss-Flügen handelt es sich fast ausschliesslich um Kurzstreckenflüge, womit also 250 Euro fällig würden. In einigen Fällen sind bei der Swiss vom temporären Ausfall der gesamten A-220-Flotte auch Mittelstreckenflüge betroffen. Hier besteht ein Anspruch auf 400 Euro Entschädigung.
Neben Cancelled.ch gibt es weitere Anlaufstellen wie Refund.me, Fairplane, Airhelp.ch, Flightright oder EUclaim. Sie versprechen Hilfe bei der Rückerstattung der Tickets oder Entschädigungen für verspätete Abflüge. Bei Erfolg behalten diese Firmen eine Gebühr ein.
Wer nicht den Weg über ein privates Fluggastrechteportal wie Airhelp nimmt, kann sich ans Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) wenden. Dieses rät Gestrandeten, zuerst direkt die Airline anzugehen und ihr eine Frist von sechs Wochen zu setzen. Passiert nichts, dann steht auf www.bazl.admin.ch unter Fluggastrechte ein Formular bereit. Bazl-Anwälte prüfen dann den Fall. In der Regel liegt innert sechs Wochen eine Antwort vor.