Bis zu 100 Stunden Überzeit im Monat
So schlimm ist der SBB-Personalmangel wirklich

Zwei Wochen Überzeit pro Monat, Chaos in der Planung, Frustration über das Management – und kaum Besserung in Sicht. So schlimm ist der Personalmangel bei den SBB wirklich.
Publiziert: 19.10.2019 um 10:40 Uhr
|
Aktualisiert: 19.10.2019 um 16:12 Uhr
1/8
Andreas Meyer, Toni Häne und Linus Looser (v.l.): Die drei Personen gehören zu den höchsten SBB-Managern.
Foto: Siggi Bucher
Marc Iseli

Die Notlage bei den Lokführern ist akut. Das Personal arbeitet am Limit. In einem Schreiben an einen hochrangigen SBB-Manager schildert der Berufsverband VSLF, was alles schiefläuft im Lokführerstand. Die Konversation liegt BLICK vor.

Pikant: Lokführern ist am Ende des Tages nicht klar, wann der Dienst am Folgetag beginnt. Ende des Monats fehlt die Planung für den Folgemonat. Und am letzten Arbeitstag vor den Ferien ist nicht definiert, wann Dienstantritt nach den Ferien ist. 

Es sind keine Einzelfälle, die der Berufsverband schildert. Die Beschreibung beruht auf den Erfahrungen verschiedener Bähnler. Sie klagen alle über dieselben Missstände. Die Leute an der Front fordern konkrete Lösungen von der Teppichetage. «Wann werden die von euch selber verursachten Probleme gelöst und interne Vorgaben wieder eingehalten?», heisst es im Mail des Berufsverbands. «Unser soziales Umfeld macht dies nicht mehr mit», so die Klage. «Zur Erinnerung: In der Freizeit sind wir nach GAV nicht zwingend erreichbar. Im sicherheitsrelevanten, unregelmässigen Dienst ist die planbare Erholungszeit für die bevorstehende Arbeit elementar und keine Spielmasse für nicht funktionierende Prozesse.»

Bis zu 100 Stunden Überzeit im Monat

Die Lokführer ziehen die Notbremse. Sie fordern endlich ein Eingreifen. «Im Interesse der Sicherheit und somit unserer SBB und unseren Kunden.» Man stelle sich nur vor, bei Ereignissen werde bekannt, dass Arbeitseinsätze so kurzfristig geplant werden. «Der Schaden könnte maximal sein.»

Wie hoch die Belastung ist, zeigen zwei Stundenabrechnungen, die BLICK vorliegen. Und einige mündliche Berichte. In der Spitze waren Lokführer deutlich über 200 Stunden pro Monat im Einsatz. Diverse Lokführer akkumulieren 50 bis 70 Stunden Überzeit in einem Monat. In einem Extremfall beträgt die Überzeit fast 100 Stunden. Das heisst im Klartext: Innerhalb von nur einem einzigen Monat haben Angestellte mehr als zwei Wochen Überzeit akkumuliert. 

Situation bleibt auch 2020 angespannt

«Die SBB halten selbstverständlich alle Sicherheitsvorgaben ein», sagt ein Sprecher dazu. Verstösse gegen das Arbeitszeitgesetz würden nicht toleriert. «Die Sicherheit hat oberste Priorität.» Ein Lokführer müsse sich jederzeit in der Lage fühlen, die Züge sicher zu führen. «Daher haben wir volles Vertrauen in das Sicherheitsbewusstsein unserer Mitarbeitenden.»

Um dem Mangel entgegenzuwirken, hätten die SBB «organisatorische Massnahmen ergriffen». «So haben wir statt nur Monats- und Tageseinteiler neu auch Wocheneinteiler eingeführt.» Es sei nicht im Interesse der SBB, die Mitarbeitenden im Unklaren zu lassen, wie sie am Folgetag arbeiten müssen. «Auch gibt es keine Pflicht, in der Freizeit erreichbar zu sein.»

Die SBB geben zu, dass es in der Vergangenheit zu Fehlern in der Rekrutierung kam. In den letzten Jahren sei die Planung «zu defensiv» gewesen, sagt der Sprecher – und gelobt Besserung. «Wir werden die Bedarfsplanung verbessern», heisst es. Allerdings wird sich die Situation in diesem Jahr nicht mehr entspannen. Die SBB: «Die Situation bleibt auch 2020 noch angespannt.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.