Ab dem Herbstsemester müssen Studenten der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Wirtschaftsuniversität Prag keine Bachelorarbeiten mehr schreiben. Hintergrund ist, dass die Verwendung von KI-Tools und Ghostwritern massiv zugenommen hat. Die Studenten sollen stattdessen ein praxisorientiertes Abschlussprojekt absolvieren.
Auch an den Schweizer Hochschulen sind künstliche Intelligenz und Ghostwriting ein Thema. Doch wie gehen die Unis mit diesen Herausforderungen um? Werden auch hierzulande bald Studenten keine Abschlussarbeiten mehr schreiben müssen? Blick hat nachgefragt.
ETH Zürich
«Wegen KI werden wir die Bachelorarbeiten mit Sicherheit nicht abschaffen», sagt Gerd Kortemeyer, Mitarbeiter im Rektorat und AI Center der ETH, zu Blick. Die ETH begreift KI nicht als Gefahr oder Schummelwerkzeug, sondern ermutigt die Studenten, sich dem technologischen Wandel zu öffnen. Ein Grossteil der Hochschüler nutze bereits KI. «Wir wollen eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten ermutigen, und dazu gehört der sinnvolle Einsatz von Werkzeugen, wie KI eines ist», macht Kortemeyer deutlich. «Der Einsatz von KI-Tools ist bei uns unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, etwa für erste Formulierungen, als Programmierhilfe oder für Übersetzungen.»
KI werde ein Teil des Alltags sein – sich davor zu verschliessen, hält Kortemeyer für weltfremd. Ganz ohne Regulierung geht es aber nicht. Die Eigenständigkeitserklärung, die die Studenten vor Abgabe ihrer Bachelorarbeiten unterzeichnen müssen, wird mit Blick auf KI angepasst. «Der Einsatz von KI muss in den Arbeiten deklariert werden», betont der ETH-Mitarbeiter. Für die Richtigkeit ihrer Abschlussarbeiten seien die Studenten selbst verantwortlich. Fälle von Ghostwriting seien nicht bekannt.
Universität Bern
«Bisher ist aus einer Fakultät ein Fall bekannt, bei dem ChatGPT unerlaubterweise bei einer Seminararbeit zum Einsatz kam, wobei die betreffende Person einen Verweis wegen Plagiats erhielt», erklärt Uni-Sprecher Manuel Steffen auf Anfrage. Konkrete Fälle bei Bachelorarbeiten seien nicht bekannt.
Zur Aufdeckung von Plagiaten stehe den Dozenten eine Software zur Verfügung. «Diese ist jedoch nicht explizit auf das Erkennen von KI-generierten Texten ausgerichtet», gibt Steffen zu. «Ob Plagiat oder Einsatz von KI: Es obliegt grundsätzlich immer den Gutachtenden zu entscheiden, ob eine Täuschungsabsicht vorliegt oder nicht», ergänzt er. Die Plagiats-Software ist also eher eine Unterstützung, die abschliessende Beurteilung erfolgt noch immer durch einen Menschen. Mit Blick auf KI entwickelt die Uni Bern aktuell Leitlinien.
An der Universität Bern konnte bislang kein Fall von Ghostwriting nachgewiesen werden. Es sei in gewissen Fällen zwar der Eindruck aufgekommen, dass Ghostwriting vorliegen könnte, überführt wurde aber niemand. Wer auf Ghostwriting zurückgreift, dem droht die Note 1 und weitere disziplinarische Massnahmen.
Universität Genf
An der Universität Genf sind bislang keine Fälle von unangemessenem Einsatz von KI-Tools bekannt. Pressesprecher Antoine Guenot merkt jedoch an, dass es äusserst schwierig sei, solche Situationen zu erkennen, da die Instrumente zu ihrer Erkennung noch unzuverlässig seien.
Die Universität Genf hat sich zum Ziel gesetzt, die Nutzung von KI-Tools zu überwachen, ein Verbot ist nicht vorgesehen. «Wir haben diesbezüglich klare Richtlinien aufgestellt», so Guenot. «Wir bieten auch Workshops für Studenten und Dozenten an, um ihnen zu helfen, diese Instrumente verantwortungsvoll zu nutzen», fügt er hinzu. Mit einer mündlichen Prüfung stellt die Uni sicher, dass die Hochschüler nicht unerlaubt KI genutzt oder auf Ghostwriter zurückgegriffen haben. An eine Abschaffung der schriftlichen Bachelorarbeiten denkt niemand.
Universität Lausanne
Die Universität Lausanne UNIL hat KI in den akademischen Alltag integriert. An der Prüfung von KI-Inhalten beisst man sich bislang noch die Zähne aus, wie Mediensprecherin Geraldine Falbriard mitteilt: «Derzeit gibt es kein zuverlässiges System zur Erkennung von Texten, die mithilfe von KI erstellt wurden. Wir haben zwei oder drei der wichtigsten Tools, die sich auf dem Markt positionieren, getestet und keines von ihnen ist in der Lage, ein unwiderlegbares Ergebnis zu liefern und damit die rechtliche Grundlage für die Rechtfertigung einer Strafe zu schaffen.» Es liege an den einzelnen Dozenten, einen Dialog mit den Studenten zu beginnen und zu definieren, was in Bezug auf die Nutzung von KI oder die Art und Weise, wie diese Nutzung zitiert wird, empfohlen werden kann.
Die Rechtsabteilung der UNIL habe in den vergangenen fünf Jahren nur sehr wenige Fälle bearbeitet, die mit künstlicher Intelligenz oder Ghostwriting in Zusammenhang stehen. 2023 habe es zudem überhaupt keinen Fall dieser Art gegeben. Für die Universität Lausanne erscheint es laut Falbriard illusorisch, dass eine Person ein komplettes Studium erfolgreich absolvieren kann, indem sie alle Aufgaben an eine KI oder einen Ghostwriter delegiert. Mündliche oder Präsenzprüfungen könnten nicht durch eine KI oder einen Ghostwriter ersetzt werden.