Es ist die Frage, die dieser Tage die ganze Schweiz umtreibt. Wann stürzt der Berg ins Dorf? Im Moment gilt in Brienz GR die Phase Rot. Alle Einwohner sind evakuiert, der Bergsturz wird in den nächsten Tagen bis Wochen erwartet. Beim Frühwarndienst Albula um Leiter Stefan Schneider (50) herrscht die höchste Bereitschaftsstufe. «Das heisst, dass wir die Messdaten am Berg mehrmals pro Tag überprüfen.» Zusammen mit seinem vierköpfigen Team von Geologen hat Schneider den Berg in Brienz zu einem der am besten überwachten Felsen der Schweiz gemacht. 90 Messpunkte zeigen jede Bewegung des Bergs. Die Geologen checken die Daten auf ihren Laptops und Handys und ziehen daraus ihre Schlüsse. Bei drohenden Gefahren besprechen sie die Situation und geben dann ihre Empfehlung dem Gemeindeführungsstab weiter. Dieser entscheidet über die Massnahmen, wie zum Beispiel über das Einläuten der Phase Blau. Den Geologen stehen verschiedene Messinstrumente zur Verfügung. Das sind ihre Funktionen:
Der Geo-Radar
Der Georadar ist das Herzstück des Frühwarnsystems und wurde ursprüngliche für den Weltraum entwickelt. Geschützt in einem Häuschen, steht er auf einer Schiene und fährt hin und her. Der Georadar sendet Radarwellen auf das Terrain aus und empfängt Daten, die er an ein zentrales System weiterleitet. Er kann Bewegungsraten von wenigen Millimetern feststellen. «Der Georadar ist ein technisch neueres System und sehr wichtig für uns», sagt Schneider.
Der Laser-Tachymeter
Am ganzen Berg verteilt stehen 25 Reflektoren mit Prisma-Spiegeln und im Dorf steht ein Laser-Tachymeter. Dieser sieht aus wie eine Kamera und sendet einen Laserstrahl auf die verschiedenen Reflektoren. Aus der Zeit, die der Laserstrahl für den Weg zu einem Reflektor und zurück benötigt, errechnet der Tachymeter die Distanz zum Reflektor und daraus seine Bewegungsgeschwindigkeit. Problematisch wird es bei Schneefall, wenn die Reflektoren eingeschneit werden und den Lichtstrahl nicht mehr reflektieren können. Ebenfalls hinderlich sind Nebelwolken, die eine korrekte Messung mit Laser verunmöglichen.
Hochauflösende Kameras
Zwei hochauflösende Kameras haben den Berg im Blick. Sie schiessen jede Stunde ein Bild und schicken es an die Datenzentrale des Frühwarndienstes. Ein Computer vergleicht die Bilder und erkennt die Veränderungen durch die Rutschung. So können die Bewegungen am Berg dargestellt werden.
GPS-Punkte
Verteilt über den ganzen Berg stehen 16 GPS-Empfänger. Sie erfassen mithilfe von Satelliten ständig ihre genaue Position und damit auch, wie schnell sie mit dem Untergrund rutschen. Zusätzlich gibt es in der Region etwa 50 weitere Punkte, die die Geologen vierteljährlich – ebenfalls mit GPS-Geräten – von Hand vermessen. Diese Punkte dienen aber nicht dem Frühwarnsystem, sondern der Langzeitbeobachtung.
Steinschlagradar
Der Steinschlagradar detektiert, wenn Gestein den Berg herunterrollt. Er wird nicht von den Geologen, sondern vom Tiefbauamt betrieben. Er diente der Sicherung der Strasse Richtung Lenzerheide, bis diese in der Woche vor Ostern gesperrt wurde.