Die Universität Zürich stellte am Dienstag eine erschütternde Untersuchung vor. Sie zählte 1002 Missbrauchsfälle und bestätige das tragische Ausmass des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche seit Mitte des 20. Jahrhunderts.
«Die Studie ist enorm wichtig», sagt der Unternehmer Guido Fluri (57). Es brauche eine umfassende Aufarbeitung.
«Es braucht Druck»
Gleichzeitig war Fluri erstaunt, wie überrascht sich viele zeigten. Denn dass die Zahl der Missbrauchsopfer im Umfeld der Kirche gross ist, war aus dem Zusammenhang der Heim- und Verdingkinder schon länger bekannt. «Es gab in der Schweiz Hunderte von Heim-Einrichtungen, die unter christlicher Obhut geführt wurden», sagt Fluri. An vielen Orten habe psychischer und körperlicher Missbrauch stattgefunden.
Fluri ist dennoch froh über die aktuelle Diskussion: «Es braucht den gesellschaftlichen Druck, damit überhaupt etwas passiert.» Eine schonungslose Aufarbeitung sei nötig. Das hat der Unternehmer 2019 auch bei einer Audienz gegenüber Papst Franziskus betont. «Um wieder glaubwürdig zu werden, muss die Kirche handeln», findet Fluri.
Juristische und psychologische Hilfe
Fluri selbst macht vorwärts und bietet praktische Hilfe an. Mit einer Million Franken sollen Betroffene juristisch unterstützt werden. Fachpersonen sollen mögliche rechtliche Schritte prüfen und den Opfern rechtlichen Beistand leisten. «Wenn es die Opfer wollen, begleiten wir sie beim Prozess», sagt Fluri.
Dazu gehöre auch die psychologische Begleitung. «Hier haben wir viel Erfahrung», sagt Fluri über seine Stiftung. Auch in Fällen, in denen keine rechtlichen Schritte mehr möglich sind, können die Betroffenen psychologische Unterstützung erhalten. «Wir haben ein qualifiziertes Team und können uns bei Bedarf verstärken.»
Fluri ruft die Opfer von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld dazu auf, sich zu melden. «Niemand soll gezwungen sein, ein Leben lang über ein solches Unrecht zu schweigen», sagt Fluri.
Angebot an die Kirche
Dass die katholische Kirche nun eine neue Meldestruktur für Missbrauchsopfer aufbauen will, sieht Fluri kritisch. Für Opfer seien die Hürden hoch, sich an jene Organisation zu wenden, welche den Missbrauch ermöglicht habe. Eine unabhängige Stelle sei besser geeignet. Fluri bietet der Kirche an, dass seine Stiftung die Aufgabe der Meldestelle offiziell übernehmen könne.
Die Guido Fluri Stiftung initiierte im Jahr 2014 die Wiedergutmachungsinitiative. Sie bewirkte eine umfassende Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen in der Schweiz und ermöglichte einen finanziellen Solidaritätsbeitrag, für den über 12’500 Betroffene bis heute ein Gesuch eingereicht haben. Sie setzt sich weiterhin gegen Gewalt an Kindern ein: Im März 2022 hat die Stiftung 160 Kinder und ihre Mütter mit einem Flugzeug aus der Ukraine evakuiert.
Guido Fluri startete als Unternehmer im Immobilienbereich. Er ist Vater von drei Kindern. Als Kind wurde er selbst an mehreren Orten fremdplatziert. Seine Stiftung gründete der Unternehmer im Jahr 2010 und finanziert diese seither aus eigener Tasche.