Er sei charismatisch und sehr intelligent, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin. Ihr früherer Chef wirke vertrauenswürdig und sei redegewandt. Er reagiere agil auf Probleme und könne im richtigen Moment auch Tränen in den Augen haben. «Er war immer extrem überzeugend», sagt die Frau. Der Geschäftsmann erzählte vom eigenen Privatjet, von Weingütern in verschiedenen Ländern und einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Franken.
Die Rede ist vom Unternehmer Julian M.* (44). Er lebte gemeinsam mit seinem Sohn und seiner Frau Johanna M.* (52) ab 2020 in Meilen ZH. Das Paar schuldet der Gemeinde 670'000 Franken an Steuern. Gemäss der Verfügung des Steueramts von Meilen, die im Amtsblatt veröffentlicht wurde, ist das Paar nach Katar ausgewandert. Die «Zürichseezeitung» hat zuerst über den Fall berichtet.
Blick hat mit ehemaligen Mitarbeitern und Geschäftspartnern gesprochen. Die Steuerschulden sind nur die Spitze des Eisbergs. Auch bei Mitarbeitern, Lieferanten und Geldgebern hat M. grossen Schaden angerichtet.
Von der Schweiz aus wollte der Österreicher das Firmennetzwerk NCDH aufbauen. Auf dem Papier gab es einen Mischkonzern mit Food, Wein, Maschinenerstellung und ökologischer Unkrautvernichtung.
Gemäss dem Geschäftsbericht 2020 hatte die Firmengruppe über 1300 Mitarbeiter. «Tatsächlich waren es wohl zwischen 10 und 20», sagt ein ehemaliger Kadermitarbeiter. Auch der Umsatz von knapp 400 Millionen Franken im Bericht sei «erstunken und erlogen».
Ambitionierte Kaffeehauskette
Ehemalige Mitarbeiter berichten, dass sie bereits ihre erste Lohnzahlung nicht pünktlich erhielten. So auch eine Frau, die ab April 2021 in der Food-Division der NCDH arbeitete. Das Ziel war es hier, Bäckereien zu übernehmen und eine Kaffeehauskette aufzubauen.
Gemietet und eröffnet wurde nur ein Lokal in der Schweiz – der Tea-Room Runft in Interlaken-West BE. Er wurde vom Herbst 2021 bis Juni 2022 betrieben. Dann legten die Mitarbeiter ihre Arbeit nieder, weil sie keinen Lohn erhalten hatten, wie das «Thuner Tagblatt» berichtete.
Nie eröffnet wurde dagegen ein Lokal an der Winterthurer Marktgasse mit geplantem 24-Stunden-Betrieb am Wochenende. «Es fehlten schlicht die nötigen finanziellen Mittel», sagt die Gastro-Expertin. Eine Firma wurde beauftragt, den Innenausbau zu planen. «Das fand zwar Anklang, wurde aber nicht bezahlt», sagt der betroffene ehemalige Geschäftspartner.
Bestellungen in Millionenhöhe
Ein anderer Mitarbeiter war in der Druck-Division der NCDH tätig. Dabei ging es um die Direktbedruckung von Weinflaschen. Der Druckfachmann sollte für M. eine Druckerei aufbauen, die Teil eines grösseren Neubauprojekts in Altendorf SZ war. Dafür bestellte M. Spezial-Druckmaschinen für mehrere Millionen Franken. Jedoch bezahlte er die Rechnungen nicht.
Der Österreicher benutzte die unbezahlten Rechnungen jedoch, um Mehrwertsteuern unrechtmässig zurückzufordern, womit er in Deutschland Erfolg hatte. Für die Lieferanten entstand Schaden, weil die Maschinen zum Teil schon gefertigt wurden.
Seinen Mitarbeitern präsentierte M. regelmässig Fake-Dokumente: unwahre Steuererklärungen, gefälschte Kaufverträge für Flugzeuge oder Weingüter. «Er präsentierte Bilanzen und Geschäftsberichte, die von vorne bis hinten gefälscht waren, um bei Banken und privaten Geldgebern an Kapital zu kommen», sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.
Finanziert habe sich M. wohl primär über Darlehen. «Einnahmen waren ja keine da.» Kein ehemaliger Mitarbeiter glaubt, dass sich M. durch das Firmennetzwerk selbst bereichert hat. Er habe Schulden gemacht und neue Gelder in die Firma gesteckt. Was war die Motivation? «Er wollte für seinen Sohn ein Lebenswerk hinterlassen», sagt ein ehemaliger Geschäftspartner.
Innerhalb der Schweiz änderte M. mehrmals den Firmensitz – wohl auch, weil er Mieten nicht bezahlte. Der Hauptsitz des Netzwerks befand sich 2020 zuerst in Baar ZG, dann in Altendorf SZ, später in Zug und Zürich. Noch verbleibende Firmen sind heute in Berg TG gemeldet.
Er drohte ehemaligen Mitarbeitern
Verschiedene Mitarbeiter setzte M. mit unbegründeten Zahlungsbefehlen unter Druck. Von der Gastroexpertin forderte er 250’000 Franken – angeblich als «Schadensersatz aus getätigten Aufträgen». Die Frau erklärt: «Der Zahlungsbefehl kam immer in dem Moment, wenn ein Anwalt mit der Firma in Kontakt getreten war.»
Durch solche Einschüchterung gelang es M. in manchen Fällen, dass Mitarbeiter auf Lohn verzichteten. Insgesamt löste er Zahlungsbefehle über mehr als 5 Millionen Franken aus. Im Fall der Gastroexpertin verlief die Forderung im Sand, weil M. seine Ansprüche nicht belegte.
Untersuchung im Kanton Zürich
Noch während M. in der Schweiz aktiv war, startete er in Deutschland verschiedene Geschäfte. Gemäss einem Insider wird im nördlichen Nachbarland derzeit eine Klage wegen arglistiger Täuschung vorbereitet.
Ebenso läuft gemäss Inside Paradeplatz seit 2021 im Kanton Zürich ein Strafverfahren wegen Betrugs. Eine der Firmen von M. muss der Liechtensteinischen Landesbank auf richterliches Geheiss rund 500'000 Franken zahlen. Ein Insider schätzt den Schaden, den M. mit seinen Machenschaften angerichtet hat, auf einen zweistelligen Millionenbetrag.
Gemäss Verfügung der Gemeinde Meilen ist das Ehepaar M. nach Katar ausgewandert. Ehemalige Mitarbeiter gehen jedoch davon aus, dass sich die Familie im Emirat Dubai aufhalte, wo M. neue Geschäfte betreibe.
Eine Anfrage von Blick an den Unternehmer blieb unbeantwortet.
* Name geändert