Schweizer Superreiche
«Wer nichts zurückgibt, kommt in die Hölle!»

Zehn Schweizer Milliardäre von Christoph Blocher bis Roche-Erbe André Hoffmann beantworten die Frage: Macht Geld glücklich?
Publiziert: 20.06.2021 um 12:08 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2021 um 15:23 Uhr
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Partners-Group-Mitgründer Urs Wietlisbach weiss, dass das Glücksgefühl durch die erste Million und sogar die erste Milliarde flüchtig ist.
Foto: Gian Marco Castelberg / 13 Photo
Aline Wüst

Sie haben so viel Geld, dass sie nicht sagen können, wie viel auf ihrem Konto ist: die Superreichen der Schweiz. Gedanken darüber, wie nächsten Monat die Miete zu bezahlen ist, kennen sie nicht. Doch sind sie glücklich, unsere Milliardäre? «Ja, ja … schon. Irgendwie», sagt Roche-Erbe André Hoffmann (Vermögen: 30 Milliarden Franken).

«Bilanz»-Chefredaktor Dirk Schütz hat sich aufgemacht, um die Frage aller Fragen zu klären: Macht Geld glücklich? Dafür ist er zum Küchenkönig Michael Pieper (75) nach Aarburg AG gefahren, in den Thurgau zu Peter Spuhler (62), hat Urs Burkard (64) in Baar ZG besucht und Christoph Blocher (80) in seiner Villa in Herrliberg ZH. Viele Milliardäre hat Schütz für sein Buchprojekt angefragt. Viele wollten nicht über ihr Geld sprechen. Zehn machten mit. Nur Männer. Keine Milliardärin wollte über ihren Reichtum sprechen – zu persönlich und sensibel sei das Thema.

Christoph Blocher zeigt dem Besucher zuerst die Garage. Darin ein Mitsubishi-Kleinwagen. «Das ist mein Lieblingsauto. Darin kann man so schön Musik hören», sagt er. Man gebe kein Geld für protzige Autos aus, hält er fest. Für ein paar Millionen (wie viel genau, weiss er nicht) hat Blocher sich kürzlich ein privates Museum für seine Kunstsammlung gebaut. Zu seinem Reichtum sagt er: Wer Verantwortung trage für 2500 Menschen, der trage auch das Risiko. Das sei der Unterschied zu all den Managern, die sich zweistellige Millionensaläre zuschanzten. «Die haben ein schlechtes Gewissen.» Er sage ihnen immer, dass sie 100 Millionen beziehen können, wenn sie auch bereit sind, 100 Millionen zu verlieren. «Doch das sind sie eben nicht.» Für Blocher ist es so: «Geld zu haben, macht nicht glücklich. Aber als Unternehmer mit dem Geld etwas zu bewegen: Das ist Glück für mich.» Geld sei nie sein Antrieb gewesen.

«Emotional wie ein rührender Liebesfilm»

Anders war das bei Urs Wietlisbach (60). Fünf Millionen wollte er bis zu seinem 50. Geburtstag auf dem Konto haben. Es war dann eine Milliarde. Mittlerweile sind es zwei. Sein Geld machte er als einer der drei Gründer der Partners Group. Vermögensanlagen für Reiche ist ihr Geschäftsmodell. Wie viele andere Milliardäre will Wietlisbach, nachdem er das Geld nun angehäuft hat, spenden. 90 Prozent plant er an die Gesellschaft «zurückzugeben». Nimmt er da den ägyptischen Investor Samih Sawiris (64) beim Wort? Der sagt: «Wer nichts zurückgibt, kommt in die Hölle!» Und prophezeit: «Wir Reichen werden auf die Dauer nicht weiterleben können wie bisher. Die Bürger werden irgendwann einmal sagen: Ihr könnt freiwillig etwas zurückgeben, oder es wird böse enden für reiche Menschen wie euch.» Wietlisbach beschreibt seinen Antrieb fürs Spenden so: «Wenn ich einen guten Deal gemacht habe, schafft das eine euphorische Befriedigung.» Sinnvolles Weggeben von Geld sei eine grössere Befriedigung – «emotional wie ein rührender Liebesfilm. Und die Befriedigung hält länger an». Wir lernen: Geben macht glücklich.

Glück beim Kaffeetrinken mit der Frau

Ganz einfach scheint dieses Geben nicht zu sein. Zumindest nach Hansjörg Wyss (85), der mit einer Medizinaltechnologiefirma reich wurde. Es sei schwierig, 90 Prozent seines Vermögens zu Lebzeiten sinnvoll auszugeben, sagt er. «Der Haufen wächst und wächst.» Drei Milliarden hat Wyss bereits gespendet. Glücklich macht ihn, morgens mit seiner Frau einen Kaffee zu trinken und die Natur zu bewundern. Für Peter Spuhler, Stadler-Rail-CEO und ehemaliger SVP-Nationalrat, ist Glück: «Zeit zu haben mit der Familie und mit ihr etwas Spannendes zu unternehmen. Und Freunde zu haben.»

So banal? Es fällt auf, dass keine der zehn Milliardäre sagt, dass er glücklich ist, wenn er im Privatflugzeug den teuersten Rotwein trinkt, sich eine Villa auf Mallorca, ein Schloss oder einen Tesla kaufen kann, ohne nachzudenken (obwohl das alles durchaus vorhanden ist). Ob sich diese Männer das nicht trauen zu sagen? Oder es tatsächlich nicht glücklich macht? Was ist mit all den schönen Sachen, die man sich mit dem Geld leisten kann? Michael Pieper, Besitzer des Küchengeräteherstellers Franke AG, antwortet darauf: «Alles, was ich mir dafür kaufen kann, brauche ich doch gar nicht. Ich bin mit relativ wenig zufrieden.» Mit welchem Auto er herumfahre, sei ihm völlig egal. Ein Zweithaus im Engadin hat er aber schon.

Schluss mit Wohltätigkeit

Und dann ist da André Hoffmann (63), der einen Teil seiner Kindheit in der Camargue verbrachte. Anders als die Reisbauern in der Gegend konnte sich seine Familie Personal leisten. Als er fünf war, sagte ihm die französische Hausangestellte: «Die Apotheke deines Vaters in der Schweiz muss tatsächlich sehr gross sein.» Nun, das war sie in der Tat. Und sie wurde nochmals ziemlich viel grösser. Hoffmann gehört zur Roche-Familie. Die Börse handelt Roche heute mit einem Wert von 250 Milliarden Franken. Das ist ein Drittel der Wirtschaftsleistung der Schweiz. Doch genauso wie die anderen Milliardäre treibt auch Hoffmann um, wie das viele Geld sinnvoll verwendet werden kann. Bei der «Giving Pledge», also den Superreichen, die sich verpflichten, einen Teil ihres Vermögens zu spenden, macht er nicht mit. Obwohl Bill Gates schon mehrmals anfragte.

Hoffmann ist überzeugt, dass er sozial mehr erreichen kann, wenn er das Familienvermögen zusammenhält. Sein Ansatz geht dabei über das «wohlige Spenden» hinaus. Zusammen mit seiner Frau hat er an der französischen Managerschmiede Insead das Hoffmann Global Institute for Business and Society gegründet. Das Ziel: Gewinnstreben mit sozialen und ökologischen Zielen zu verzahnen. Denn reine Wohltätigkeitsprogramme würden Abhängigkeit schaffen. Das sei nicht nachhaltig. Eine Milliarde Franken hat die Familienstiftung schon gespendet. Ab 2022 ist Schluss damit. Die Stiftung will allen Empfängern helfen, ein eigenständiges Finanzierungsmodell zu etablieren. Und dann selber aussteigen. Es dürfe nicht sein, dass man sich einfach warm und gemütlich fühle, weil man Geld gespendet habe. Wir lernen also: Geben kann für Milliardäre ein zu billiger Glücksmacher sein.

Und dann stellt der «Bilanz»-Chefredaktor dem Roche-Erben die Frage: «Was macht Sie glücklich?» Hoffmann entgegnet: «Was heisst das schon, glücklich zu sein?» Es berührt, als er sagt, dass jeder seine privaten Probleme habe. Und dann sagt, dass sein jüngster Sohn gestorben sei. «Das hat uns sehr geprägt als Familie. Da hilft alles Geld der Welt nicht.»

Es gibt 100 Milliardäre in der Schweiz. Die Chance ist also gross, dass Sie nicht dazugehören. Fürs Glück würde es Ihnen auch nichts nützen. Autor Dirk Schütz stützt sich auf seine Gespräche mit den Milliardären und die Glücksforschung, wenn er sagt: «Jeder muss Leidenschaft finden für das, was er tut im Leben. Das macht glücklich.»

Dirk Schütz: Milliardäre: «Zehn Schweizer Superreiche – und die grosse Frage: Macht Geld glücklich?» Bilanz.


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