Er trank täglich zwei Flaschen Schnaps und zwei Flaschen Wein – bis der Körper kollabierte
Felix trank sich in die Einsamkeit

Wenn der Alkohol den Alltag bestimmt, gehen Beziehungen in die Brüche. Felix* (64) war süchtig. Seinen Alkoholismus versteckte er. Isolation war die Folge. Heute ist er trocken – und möchte es für immer bleiben.
Publiziert: 24.11.2019 um 23:11 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2019 um 10:43 Uhr
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Dreissig Jahre lang hing Felix* an der Flasche. Er funktionierte nur noch, wenn er getrunken hatte.
Foto: Philippe Rossier
Karin Frautschi

Über Jahre hinweg merkte Felix* (64) gar nicht, wie allein er eigentlich war. Lieben konnte er nicht mehr. Wer ihm zu nahe kam, den stiess er weg. Der Rausch hatte einen Filter über sein Leben gelegt. Lange schien alles in Ordnung – obwohl die Whisky-Flasche sein engster und einziger Begleiter war.

Felix, frühpensionierter Kaufmann, ertränkte seine Probleme während 30 Jahren im Alkohol. Und bezahlte dafür mit Einsamkeit. «Ich war nicht beziehungsfähig und konnte nie eine eigene Familie aufbauen – bis heute», sagt er zu BLICK.

«Während der Arbeit trank ich in der Tiefgarage»

Mit 15 Jahren trank Felix zum ersten Mal. Später gehörte das Feierabendbier zu seinem Alltag. Zum Essen im Restaurant bestellte er ein Glas Wein, wie andere Erwachsene auch. Doch beim Genuss blieb es nicht.

Plötzlich fing er an, seinen Frust nach einem schlechten Tag mit Bier herunterzuspülen. Dann ersetzte er Bier durch Whisky. Täglich einen Schluck mehr. «Meinen Konsum hatte ich immer weniger im Griff. Schleichend geriet ich tiefer in die Sucht, ohne es zu merken», erzählt er.

Es kam so weit, dass er sich täglich einen gewissen Pegel antrinken musste, um überhaupt normal zu funktionieren. Vor der Arbeit schüttete er den Alkohol in PET-Flaschen um. Felix: «Ich zog mich täglich zur gleichen Zeit in mein Auto zurück, das in der Tiefgarage stand – nur um dort zu saufen.»

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Pro Tag eine Flasche Whisky und Wodka

Damals sei ihm bewusst gewesen, dass er süchtig war. Sein Umfeld aber konnte er täuschen: Alkohol trank er hauptsächlich heimlich.

Bis sein Körper mit 45 Jahren Alarm schlug. Felix wurde mit Herzproblemen ins Spital eingeliefert. Es folgten Magen-Darm-Beschwerden, Bluthochdruck und diverse Allergien. «Zu dieser Zeit trank ich täglich eine Flasche Wodka, eine halbe bis ganze Flasche Whisky und zwei Flaschen Bier oder Wein. Nur deshalb wurde ich überhaupt so krank.»

Trotzdem machte Felix weiter. Die Sucht hatte ihn fest im Griff. «Mein ganzes Geld gab ich für Alkohol aus», sagt er. Dabei habe er kaum auf die Qualität geachtet. Nur günstig und hochprozentig musste er sein. «Ferien konnte ich mir gar nicht mehr leisten. Manchmal reichte das Geld kaum bis zum Monatsende», sagt er.

«Im Entzug habe ich gelitten»

Erst als Felix die Kündigung drohte und er kurz davor stand, seinen Job zu verlieren, realisierte er, dass sich etwas ändern musste. Er erinnert sich: «Mein Chef erwischte mich beim Trinken während der Arbeit. Das war mein absoluter Tiefpunkt.»

Danach machte der Kaufmann in einer psychiatrischen Klinik einen Entzug. «Die ersten Tage waren hart, ich habe sehr gelitten. Durch die Medikamente fühlte ich mich wie in einem Film und hatte fiebrige Träume», erzählt Felix. Während des Klinikaufenthalts lernte er Mitglieder der Anonymen Alkoholiker kennen. Heute ist er selbst ein überzeugtes Mitglied.

Seit dem Entzug hat Felix keinen Alkohol mehr angerührt. Sein Leben hat sich gewandelt. «Ich verspüre viel mehr Lebensfreude, kann endlich die Natur wieder geniessen», sagt er stolz.

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Felix kämpft mit den Folgen der Sucht

Seine Freizeit füllt der Pensionierte mit Hobbys, besucht gern Konzerte. Im Restaurant fragt er nach, wenn er nicht sicher ist, ob ein Gericht Alkohol enthält.

Felix möchte für den Rest seines Lebens trocken bleiben. Rückschläge auch ohne Alkohol überstehen. Bisher gelinge ihm das gut: «Statt mit dem Griff zur Flasche diskutiere ich meine Probleme mit den betroffenen Menschen aus.»

Seine Vergangenheit hat Felix akzeptiert. Auch wenn er weiss, dass er für den Rest seines Lebens unter den Folgen leiden wird. «Ich möchte nach vorn schauen, im Hier und Jetzt leben», sagt er und fügt an: «Leider werde ich es nie mehr schaffen, so viel Lebenszeit nüchtern zu verbringen, wie ich betrunken war.»

* Name bekannt

BLICK-Serie

Weniger Konsum, aber mehr Rauschtrinkerei. Alkoholismus ist die Sucht, die unsere Gesellschaft noch immer am meisten kostet. Die grosse BLICK-Serie mit neuen Zahlen, erschütternden Schicksalen und wertvollen Tipps.

Weniger Konsum, aber mehr Rauschtrinkerei. Alkoholismus ist die Sucht, die unsere Gesellschaft noch immer am meisten kostet. Die grosse BLICK-Serie mit neuen Zahlen, erschütternden Schicksalen und wertvollen Tipps.

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