«Sie profitieren von Vergewaltigungen»
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Sie will Pornhub abschalten:«Das ist der grösste Sexskandal, den die Welt je sah»

Diese Frau fordert Abschaltung von Pornhub
«Das ist der grösste Sexskandal, den die Welt je gesehen hat»

Laila Mickelwait (38) ist Gründerin einer Organisation gegen Menschenhandel. Dieses Jahr startete die US-Amerikanerin eine Kampagne gegen Pornhub. Ihr Ziel: Die Abschaltung der weltweit grössten Pornoseite. Eine Million Menschen haben die Petition schon unterschrieben.
Publiziert: 21.06.2020 um 09:02 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2021 um 17:02 Uhr
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Laila Mickelwait ist Gründerin von Exodus Cry, einer Organisation, die sich gegen Menschenhandel einsetzt.
Foto: ZVG
Aline Wüst

Laila Mickelwait, Sie fordern die Abschaltung von Pornhub. Warum?
Laila Mickelwait:
In der Schweiz genauso wie in jedem anderen Land der Welt ist Pornhub die beliebteste und grösste Porno-Website. Doch Pornhub ist ein Unternehmen, das die Vergewaltigung, den Handel und den Missbrauch von Frauen und Kindern ermöglicht und nutzt, um finanziell davon zu profitieren. Dafür müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Warum gleich abschalten? Wären strengere Richtlinien nicht die sinnvollere Lösung?
Wir sollten diesen Raubtieren nicht bloss auf die Finger klopfen. Das Ausmass der Ausbeutung, an dem Pornhub beteiligt ist, übertrifft das der berüchtigten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein oder Harvey Weinstein bei weitem. Die vielen Opfer, deren Leben zerstört wurden, verdienen eine starke und entschlossene Reaktion. Sie verdienen Gerechtigkeit.

Laila Mickelwait

Die US-Amerikanerin Laila Mickelwait (38) hat einen Master in Public Diplomacy und arbeitete unter anderem bei der Uno in Genf. Sie ist die Gründerin von Exodus Cry, einer Organisation, die sich gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung einsetzt. Zu den Themen Pornografie, Menschenhandel und Prostitution sprach Mickelwait an Konferenzen in verschiedensten Ländern. Dieses Jahr erscheint ihr Buch «The XXX Factor. How porn is changing our world». Mickelwait lebt in Kalifornien.

Die Aktivistin Laila Mickelwait.

Die US-Amerikanerin Laila Mickelwait (38) hat einen Master in Public Diplomacy und arbeitete unter anderem bei der Uno in Genf. Sie ist die Gründerin von Exodus Cry, einer Organisation, die sich gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung einsetzt. Zu den Themen Pornografie, Menschenhandel und Prostitution sprach Mickelwait an Konferenzen in verschiedensten Ländern. Dieses Jahr erscheint ihr Buch «The XXX Factor. How porn is changing our world». Mickelwait lebt in Kalifornien.

Was werfen Sie Pornhub konkret vor?
Die Medien haben über eine Fülle von Fällen berichtet, in denen Pornhubs Mitschuld am Sexhandel und an der Vergewaltigung von Frauen und Kindern nachgewiesen wurde.

Können Sie ein Beispiel geben?
Ein 15-jähriges Mädchen aus Florida wurde vor kurzem für ein Jahr vermisst und ist dann in 58 Videos auf Pornhub aufgetaucht. Jemand hatte ihrer Mutter einen Tipp gegeben, so wurde das Mädchen gefunden und der Menschenhändler festgenommen. BBC berichtete kürzlich, dass die damals 14-jährige Rose Kalemba mit einem Messer bedroht, entführt und zwölf Stunden lang vergewaltigt wurde. Videos ihrer Folter wurden auf Pornhub hochgeladen. Ein anderes, ebenfalls 14-jähriges Mädchen aus Kalifornien wurde von einer älteren Verwandten vergewaltigt und die Videos davon auf Pornhub hochgeladen. Die «Sunday Times» beispielsweise berichtete, dass sie innerhalb von Minuten Dutzende illegaler Videos auf Pornhub gefunden hat. Die Internet Watch Foundation in Grossbritannien untersuchte und bestätigte 118 Fälle von Vergewaltigung und Ausbeutung von Kindern auf Pornhub, von denen fast die Hälfte Missbrauch der Kategorie A war.

Das bedeutet?
Der Missbrauch umfasst Penetration und Sadismus.

Am bekanntesten ist der «Girls Do Porn»-Fall.
Die Girls-Do-Porn-Händler nutzten Täuschung und Zwang, um sexuelle Handlungen zu filmen. Das ist per Definition Menschenhandel. Die Verantwortlichen stehen vor einer Bundesanklage wegen Sexhandel mit Minderjährigen und Kinderpornografie. Girls Do Porn war acht Jahre lang ein Partner-Channel auf Pornhub und sammelte 600 Millionen Videoaufrufe und fast 800'000 Abonnenten. 22 Frauen haben kürzlich erfolgreich gegen Girls Do Porn geklagt. Der Kanal wurde auch nach Einreichung der Klage nicht entfernt. Vor ein paar Wochen konnte ich diese Videos immer noch auf Pornhub finden.

Tragische Einzelfälle?
Leider nicht. Das, was ich Ihnen geschildert habe, und die vielen Fälle, die ich kenne, sind nur die Spitze des Eisbergs. Pornhub ist die wohl weltweit grösste öffentliche Sammlung von sexuellem Missbrauch.

Auf Pornhub kann jeder Filme hochladen. Sind die illegalen Videos Absicht oder Versehen vonseiten von Pornhub?
Pornhub sagte in seinem eigenen Verteidigungs-Statement gegen meine Kampagne, dass es ein Team von Moderatoren gibt, die jedes Video beim Hochladen überprüfen und manuell genehmigen. Das bedeutet: Entweder lügt Pornhub, oder Pornhub hat Mitarbeiter, die sich die Vergewaltigungen von Kindern ansehen und sie willentlich freischalten, um mit den Anzeigen, die sie dazu schalten können, Geld zu verdienen. Beides ist nicht akzeptabel.

Es gibt eine Funktion auf der Seite, um missbräuchliche Videos zu melden. Was passiert, wenn Frauen das tun?
Rose, die entführt und vergewaltigt wurde, sagt, sie habe Pornhub sechs Monate lang gebeten, die Videos zu entfernen. Erst als sie sich als Anwältin ausgab und mit rechtlichen Schritten drohte, wurden sie entfernt.

Was bedeutet es für Frauen und Kinder, wenn sie vergewaltigt werden und jedermann sich diesen Missbrauch auch noch ansehen kann?
Es ist ein schweres und spezifisches Trauma, das Frauen und Kinder erleiden, wenn ihre schrecklichsten Momente auf Pornoseiten hochgeladen werden. Weil damit Millionen von Menschen die Möglichkeit haben, diesen traumatischen Moment herunterzuladen, zu besitzen und jederzeit wieder auf eine Seite hochzuladen. Der Missbrauch wird für immer im Internet weiterleben, und Menschen werden dazu masturbieren. Was Pornhub damit ermöglicht, ist eine Form von Terror gegen diese Frauen und Kinder. Es verhindert, dass die Betroffenen das hinter sich lassen und Heilung finden können.

Pornhub hat mir auf Anfrage Folgendes über Sie gesagt: «Laila Mickelwait und ihre Organisation Exodus Cry, die Gruppe hinter der Kampagne, haben Hass gegen Frauenrechtsgruppen, gegen die LGBT-Gemeinschaft, Minderheiten, Juden und mehr verbreitet. Das ist eine rechte, christlich-fundamentalistische Gruppierung.» Was sagen Sie dazu?
Das ist so absurd, dass es schon fast wieder lustig ist.

Lustig?
Diese Anschuldigungen sind so komplett falsch. Es zeigt, dass Pornhub in Schwierigkeiten ist und keine legitime Verteidigung hat. Und weil sie sich nicht verteidigen können, zielen sie stattdessen auf mich persönlich und versuchen, mich und meine Organisation in Misskredit zu bringen.

Was wäre die bessere Strategie für Pornhub?
Sich bei den Opfern zu entschuldigen. Stattdessen aber versuchen sie, diese Frauen psychisch zu destabilisieren und zu manipulieren. Und sie blockieren sie in den sozialen Medien, wenn sie über ihren Missbrauch sprechen.

Welche Rolle spielt Ihr Glauben bei dieser Kampagne?
Diese Petition und die Kampagne sind keine Sache des Glaubens, sondern eine Sache von Fakten.

Sie weisen schon seit längerem darauf hin, dass Pornhub rassistische Inhalte verbreitet.
Zu den Videos, von denen Pornhub selbst sagt, dass sie manuell überprüft und genehmigt wurden, gehören solche mit den Titeln «Black Slave Brutalized» (grausame und gewalttätige Behandlung von schwarzen Sklaven), «Exploited Black Teens» (ausgebeutete schwarze Teenager), «Nazi Fuck Camp» und «N* whore» (N* Hure). Die Welt erhebt sich gerade gegen Rassismus. Und Pornhub profitiert in gewohnter Weise davon.

Wer steht hinter Ihrer Kampagne?
Über 300 der weltweit angesehensten Organisationen für Kinderschutz und Bekämpfung des Menschenhandels. Und fast eine Million Menschen aus 192 Ländern mit unterschiedlichem Hintergrund. Liberale, Konservative, Christen und Atheisten haben die Petition unterzeichnet. Sogar Menschen aus der Pornoindustrie. Vergangene Woche forderte Jenna Jameson, der berühmteste Pornostar aller Zeiten, auf Twitter, dass Pornhub wegen Ausbeutung von Kindern vernichtet werden soll.

Pornhub hat täglich 92 Millionen Besucher. Es gibt Tausende anderer Pornoseiten. Ist dieser Kampf nicht hoffnungslos?
Dieser Kampf ist voller Hoffnung! Das ist die grösste Petition zur Bekämpfung von Menschenhandel, die jemals existiert hat. Wir haben in sehr kurzer Zeit unglaubliche Erfolge erzielt. Mehrere Regierungsbeamte und Gesetzgeber fordern Ermittlungen auf Bundesebene gegen Pornhub und seine Muttergesellschaft Mindgeek wegen Mitschuld am Sexhandel. Strafverfolgungsbehörden sowie Politiker, Künstler, Anwälte, Überlebende und normale Bürger wurden mobilisiert.

Sie führen die Kampagne «Traffickinghub» mit Ihrem persönlichen Twitter- und Instagram-Konto. Ich nehme an, Sie erhalten viele Hassnachrichten.
Ich bekomme Hass, aber noch viel mehr Unterstützung und Liebe. Denn das ist kein kontroverses Thema. Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund sind sich in dieser Sache einig. Niemand, der bei klarem Verstand ist, findet es in Ordnung, dass Frauen und Kinder auf der grössten und beliebtesten Pornoseite der Welt vergewaltigt und mit Gewinn gehandelt werden. Jeder weiss, dass die traumatischsten Momente von Frauen und Kindern kein Masturbationsmaterial sind. Viele Menschen sind dankbar, dass ich mich dieser Sache annehme.

Ist Ihr Ziel, alle Pornos zu verbieten?
Meine Kampagne hat nichts mit dem Verbot von Pornos zu tun. Ich will Vergewaltigung, Missbrauch und den Handel damit stoppen.

Deutschland erwägt Netzsperren für Porno-Webseiten, damit Kinder nicht mehr so einfach darauf zugreifen können. Unterstützen Sie das?
Wenn wir Kinder davor schützen können, durch diese Inhalte traumatisiert zu werden, unterstütze ich das voll und ganz. Eine Mutter schrieb mir, dass ihr 12-jähriger Sohn versehentlich auf Pornhub gestossen sei und geglaubt habe, Zeuge einer echten Vergewaltigung zu sein. Er habe sich durch das Trauma dieser Erfahrung völlig verändert. Ein Vater schrieb mir, dass seine Kinder alle in sehr jungen Jahren auf Pornhub zugegriffen hätten und sein 12-jähriger Sohn die jüngere Tochter vergewaltigt habe. – Das muss aufhören.

Sie veröffentlichen bald ein Buch über Pornografie. Gemeinsam mit Ihrem Co-Autor haben Sie acht Jahre dafür recherchiert. Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis?
Das Wichtigste, was ich gelernt habe: Big Porn, also vor allem Pornhub und seine Muttergesellschaft Mindgeek, hat ein Monopol für die Produktion und den Vertrieb von Pornografie auf der ganzen Welt. 42 Milliarden Besuche haben sie pro Jahr auf der Website. Trotzdem überprüft Pornhub weder das Alter, noch ob die Menschen, die in diesen Hardcore-Sex-Akten zu sehen sind, ihre Einwilligung gegeben haben. Das ist der grösste Sexskandal, den die Welt je gesehen hat. Ich bin entschlossen, ihn aufzudecken.

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