Dürrenmatt-Tochter an Corona-Demo
«Ich lasse mir meine Meinung nicht verbieten»

Nicht einmal von ihrem berühmten Vater würde sie sich vorschreiben lassen, was sie tun soll. Ruth Dürrenmatt (68), Tochter des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt (†69), erklärt ihre Teilnahme an den Corona-Protesten vom Samstag.
Publiziert: 12.05.2020 um 15:53 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2020 um 09:04 Uhr
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Ruth Dürrenmatt (68) an der illegalen Demo gegen die Corona-Massnahmen.
Foto: keystone-sda.ch
Georg Nopper

Dem Versammlungsverbot zum Trotz. Am Samstag haben auf dem Bundesplatz und auf dem Bärenplatz in der Berner Innenstadt mehrere hundert Menschen gegen die Corona-Massnahmen demonstriert, unter ihnen zahlreiche Personen aus den Risikogruppen sowie Familien und Kinder. Eine Teilnehmerin war Ruth Dürrenmatt (68), Tochter des verstorbenen Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt (†69). Die ausgebildete Opernsängerin sass an vorderster Front auf ihrem Rollator.

Was bewegte die 68-jährige Bernerin zum Mitmachen bei dieser illegalen Aktion? «Ich finde, die ganzen Massnahmen waren übertrieben», sagt Dürrenmatt zum BLICK. «Ich habe von vielen Seiten erfahren, dass die Spitäler halb leer sind. Währenddessen müssen Menschen, die nicht von Corona betroffen sind, auf dringend benötigte Operationen warten.» Sie habe selber Bekannte, die in dieser Situation sind. «Wenn das Virus wirklich so gefährlich wäre, wären die Spitäler doch voll!»

Was Dürrenmatt dabei vergisst: Die Spitäler und Arztpraxen waren unter anderem leer, weil die Massnahmen des Bundesrats die Ansteckungen verlangsamten – und so die Spitäler, nicht wie in Italien, nicht überlastet wurden. Zudem blieben viele Patienten zu Hause, aus Angst, sich im Spital mit dem Virus anzustecken.

Sicherheitsdirektor Nause irritiert über Aktion

Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause hatte sich nach der Kundgebung gegenüber der Nachrichtenagentur SDA irritiert über die Kundgebung gezeigt. «Mir blutet das Herz aus epidemiologischer Sicht», sagte er. «Diese Art von Protest ist mit massiven Risiken für die Demonstrierenden verbunden.» Er gehe davon aus, dass es zu Ansteckungen gekommen ist.

«Solche Aktivitäten machen die Situation noch schwieriger»
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Auch sie sei im Zusammenhang mit dem Coronavirus nicht komplett frei von Angst, sagt Dürrenmatt. Doch es gehe nicht an, dass man Bürgerrechte wie die Versammlungsfreiheit einfach überrollt. «Ich habe mehr Angst vor einem Staat, der Zensur ausübt. Wenn man Gesetze, Meinungsfreiheit und Menschenrechte nicht achtet, dann wird es gefährlich.»

Forderung nach Aufhebung der Massnahmen

Die Polizisten seien zwar sehr anständig und geduldig gewesen, sagt Dürrenmatt. Letztendlich seien es jedoch die Beamten gewesen, welche die Demonstranten «zusammengepfercht» hätten. «Obwohl die Situation ja angeblich so gefährlich ist.» Das verstehe sie nicht. «Ich war da gefangen mit dem Rollator.»

Dürrenmatt fordert, dass die Corona-Massnahmen jetzt alle aufgehoben werden. «Nicht zuletzt geht es ja auch darum, dass ein enormer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird.» Das habe sie bei der Kundgebung vom Samstag zum Ausdruck bringen wollen. «Ich zahle schliesslich Steuern, da lasse ich mir meine Meinung nicht verbieten.»

Menschenansammlungen als Infektionsherde

Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) gibt es schweizweit insgesamt 30'380 laborbestätigte Corona-Fälle und 1561 Todesopfer im Zusammenhang mit einer Sars-Cov-2-Infektion. Die Webseite corona-data.ch, die mit Zahlen aus den Kantonen operiert, verzeichnet 30'180 Ansteckungen und 1846 verstorbene Covid-19-Patienten.

Seit dem 27. April 2020 dürfen die Spitäler wieder sämtliche Eingriffe durchführen und ambulante Patientinnen und Patienten empfangen. Die Auslastung des Zürcher Universitätsspitals (USZ) beträgt mittlerweile 80 Prozent. Aktuell befinden sich noch 21 Covid-19 Patienten im USZ, davon 9 auf der Intensivstation.

Bei der Rückverfolgung der Infektionswege im Verlauf der Pandemie wurde ersichtlich, dass grosse Menschenansammlungen die Ausbreitung des Virus beschleunigten. So war eine Vielzahl der Fälle in Japan auf einen Infektionsherd auf einem Kreuzfahrtschiff zurückzuführen. Im Elsass und in Südkorea breitete sich das Coronavirus an religiösen Versammlungen christlicher Sekten aus. Auch der österreichische Skiort Ischgl wurde als einer der Orte ausgemacht, von dem die Verbreitung in Europa ausgegangen war. In Ghana zeigte sich unlängst, dass ein einzelner Fischverarbeiter in einer Fabrik 533 Menschen mit dem Coronavirus infizierte.

Wie sie zu Nau.ch sagte, will Ruth Dürrenmatt auch am nächsten Samstag wieder gegen die Corona-Massnahmen auf die Strasse gehen.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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