Der Entscheid fiel relativ knapp. Mit 20 zu 17 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat sich der Ständerat am Dienstag für die Abschaffung des Eigenmietwerts ausgesprochen.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Parlament das fiktive Einkommen auf der Steuerrechnung von Hausbesitzerinnen und -besitzern ins Visier nimmt. Der Hauseigentümerverband (HEV) kämpft seit Jahren für eine Abschaffung. Doch bis jetzt sind alle Versuche gescheitert – weil man sich nicht einig ist, wie die Alternative genau aussehen soll.
BLICK erklärt, was Sie über den Eigenmietwert und die geplante Revision wissen müssen.
Was ist der Eigenmietwert?
Ziel des Eigenmietwerts ist die Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern bei den Steuern. Der Eigenmietwert wird Eigentürmern angelastet, die in ihren eigenen vier Wänden wohnen. Theoretisch entspricht er den Einnahmen, die ein Eigentümer erzielen würde, wenn er seine Liegenschaft vermieten würde. Die «künstliche Miete» muss der Eigentümer als Einkommen versteuern.
Also benachteiligt der Eigenmietwert Haus- und Wohnungsbesitzer?
So ist es. Allerdings wird die steuerliche Mehrbelastung auf Einkommensseite mit zahlreichen Abzugsmöglichkeiten kompensiert. So können Eigentümer heute Schuldzinsen und gewisse Unterhaltsarbeiten oder Energiesparmassnahmen an den Immobilien vom Einkommen abziehen.
Wer legt die Höhe des Eigenmietwerts fest?
Die Steuerverwaltung macht Schätzungen vor Ort. Für die Berechnung werden Faktoren wie Lage, Wohnfläche, Bauweise und Baujahr sowie das lokale Mietpreisniveau berücksichtigt. So kann es zu grösseren Unterschieden zwischen den Kantonen kommen. Laut Analysen des Bundes liegt der Eigenmietwert jedoch generell unter dem gängigen Marktwert.
Welche Änderungen hat der Ständerat beschlossen?
Die Wirtschaftskommission des Ständerats, die den Vorstoss aufgegleist hat, will den Eigenmietwert komplett abschaffen. Dafür sollen aber auch einige Abzüge für Häuser- und Wohnungsbesitzer gestrichen werden. Der Ständerat hat diesen Änderungen im Grundsatz zugestimmt.
Der Abzug von Schuldzinsen soll aber unter bestimmten Bedingungen weiterhin möglich sein, hat die Kleine Kammer beschlossen. Ausserdem soll die Besteuerung von selbstbewohnten Zweitliegenschaften gleich bleiben wie heute. Ebenso die Einnahmen aus vermieteten oder verpachteten Liegenschaften. Der Bundesrat plädierte dafür, den Eigenmietwert auch auf selbstbewohnte Zweitliegenschaften abzuschaffen.
Darf ein Eigentümer künftig Unterhaltsarbeiten also nicht mehr abziehen?
Ja, solche Abzüge wird es bei den Bundessteuern nicht mehr geben. Eine Massnahme, die umstritten ist. Denn damit verhindert das Parlament Anreize für energiesparende Sanierungen, die bisher steuerlich abzugsfähig sind. Das stünde im Widerspruch zur 2017 beschlossenen Energiestrategie 2050. Immerhin soll laut Vorschlag der ständerätlichen Wirtschaftskommission den Kantonen vorbehalten sein, solche Abzüge beizubehalten.
Wer profitiert von der Revision?
Generell würden die Gesamtheit der Eigentümer davon profitieren, so die Einschätzung des HEV. Langjährige Eigenheimbesitzer, die schon fast die ganze Hypothek abbezahlt haben, kommen zum Handkuss. Neubesitzer jedoch, die sich für den Kauf von Wohneigentum verschulden, eine hohe Hypothek aufgenommen oder Unterhaltsarbeiten eingeleitet haben, müssen mit Einbussen rechnen.
Also ist der Erwerb von Wohneigentum künftig nicht mehr attraktiv?
Um das zu verhindern, will der Ständerat als Abfederungen einen sogenannten «Ersterwerbsabzug» vor. Dieser soll es gerade auch jüngeren Personen erleichtern, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Für Erstbesitzer sollen demnach Schuldzinsen für einen bestimmten Zeitraum nach dem Erwerb abzugsfähig sein. Vorgesehen ist ein Abzug von maximal 10'000 Franken für Ehepaare bzw. 5000 Franken für Alleinstehende im ersten Steuerjahr, danach soll der Abzug von Jahr zu Jahr abnehmen.
Was bedeutet die Abschaffung des Eigenmietwerts für die Steuereinnahmen?
Die Ständeratskommission schätzt, dass eine Abschaffung des Eigenmietwerts bei einem Zinsniveau von 1,5 Prozent Bund, Kantone und Gemeinden jährlich rund 660 Millionen Franken kosten würde. Bei einem Zinsniveau von 3,5 Prozent rechnet sie mit Mehreinnahmen von rund 2 Milliarden Franken.
Wie stehen die Chancen der Revision?
Schon zweimal ist die Abschaffung des Eigenmietwerts an der Urne gescheitert. Unter den Befürwortern herrschte Zuversicht, dass es dieses Mal anders ausgeht. «Ein Wendepunkt ist erreicht. Diesmal könnte die Abschaffung des Eigenmietwerts tatsächlich gelingen», gab sich WAK-Präsident Pirmin Bischoff (59, CVP) vor drei Jahren zuversichtlich.
Doch trotz des grünen Licht vom Ständerat ist die Diskussion noch nicht gelaufen. Als Nächstes kommt die Vorlage in den Nationalrat – wo die geforderte Abschaffung erneut für Kontroversen sorgen wird. Und auch wenn die Grosse Kammer ebenfalls zustimmt: die grosse Hürde ist dann das Stimmvolk. Ein Referendum ist absehbar.
Was sind die Argumente der Gegner?
Während FDP, SVP und Mitte im Ständerat für die Abschaffung des Eigenmietwerts weibelten, sind die Linken dagegen. SP-Ständerat Paul Rechsteiner sprach im Rat von einer «missratenen Vorlage», die der Steuergerechtigkeit diametral widerspreche. Denn Hauseigentümer würden gegenüber Mieterinnen und Mietern viel besser fahren. Der Eigenmietwert ist aus Sicht von dessen Befürwortern ein Mittel, um einen Ausgleich zu schaffen zwischen Eigentümern und Mietern. Zudem kritisieren die Linken, dass die Abschaffung zu starken Mindereinnahmen für Bund und Kantone führen würde.
Der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband würde der Abschaffung des Eigenmietwerts nur dann zustimmen, wenn gleichzeitig auch sämtliche Abzüge gestrichen werden. (duc/lha/SDA)