Keine Veranstaltungen mehr mit mehr als 100 Personen und geschlossene Grenzen: Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, greift der Bundesrat zu einschneidenden Massnahmen. Massnahmen, die möglicherweise sehr bald noch weiter verschärft.
Wenn das öffentliche Leben stillsteht, hat das auch Folgen für die Demokratie. Im Bundeshaus geht vorerst gar nichts mehr: Die aktuelle Frühjahrssession wurde abgebrochen.
Kinobus bleibt in der Garage
Wie es weitergeht, ist unklar. Das gilt auch für den Abstimmungskampf zur Begrenzungsinitiative der SVP. Eine Annahme der Initiative würde das Ende der Personenfreizügigkeit bedeuten. Trotz Corona-Stillstand soll das Schweizer Volk am 17. Mai darüber abstimmen. Vorerst sei keine Absage vorgesehen, sagte der Bundesrat am Freitag.
Und so müssen SVP und Initiativgegner unter erschwerten Bedingungen kämpfen. Auch die Operation Libero, deren Chefin und Gründungsmitglied Flavia Kleiner (30) im Jahr 2016 zum Gesicht des erfolgreichen Kampfes gegen die Durchsetzungsinitiative der SVP wurde.
Gegen die Kündigungs-Initaitive wollte die Operation Libero eigentlich mit einem mobilen Kino und eigenem Werbespot auf Schweiz-Tour gehen. Doch der Kinobus bleibt in der Garage. Und auch sonst ist wegen des Coronavirus alles anders.
Kino-Werbung ohne Publikum
«Es wird schwieriger, die inhaltliche Debatte zu führen», sagt Laura Zimmermann (28), Co-Präsidentin der Operation Libero. Angesichts eines Gesundheitssystems am Anschlag, einer darbenden Wirtschaft und geschlossenen Schulen hätten sich die Prioritäten der öffentlichen Debatte verschoben.
Viele der klassischen Instrumente des Abstimmungskampfes sind wegen des Corona-Stillstandes nicht mehr möglich. «Es bringt nichts, breitflächig Kinowerbung schalten zu wollen, wenn niemand in den Kinos ist. Oder Plakate aufzuhängen, wenn alle zuhause bleiben», sagt Zimmermann.
Abstimmungskampf verschoben
Stattdessen setzt Operation Libero jetzt auf die digitale Debatte. Dass die Menschen in den nächsten Wochen mehr zu Hause und damit vermutlich auch mehr vor ihren Bildschirmen sitzen, sieht Zimmermann auch als Chance, um «neue, kreative Online-Formate auszuprobieren».
Schwierig bleibt der Zeitpunkt. Eigentlich hätte die Operation Libero heute Montag zumindest mit der Online-Kampagne beginnen wollen. Nur blickt die ganze Schweiz stattdessen gespannt auf den Bundesrat, der sich zur Krisensitzung getroffen hat. Man werde nun abwarten und die Situation beobachten, sagt Zimmermann.
Schwierige Zeiten für Unterschriftensammler
Auf digitale Instrumente zu wechseln, ist aber nicht für alle möglich. Das Unterschriftensammeln etwa ist schwierig, wenn niemand draussen unterwegs ist und es keine grossen Anlässe gibt.
Eben erst mit Sammeln angefangen hat die Unia für die 13. AHV-Rente. Dort sieht man künftigen Corona-Massnahmen gelassen entgegen, wie Sprecher Serge Gnos sagt. «Wir folgen den Empfehlungen des Bundes und forcieren alternative Sammelmöglichkeiten per Brief und online.»
Sorgen um Beglaubigungen
Eng wird dagegen aber für Uniterre. Die Bauerngewerkschaft hat unter dem Slogan «Stop Palmöl» das Referendum gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien ergriffen. Jetzt wäre man eigentlich im Schlussspurt, die Sammelfrist endet am 9. April.
«Das Sammeln auf der Strasse kann man eigentlich vergessen», sagt Rudi Berli (57), Co-Direktor von Uniterre. Noch mehr Sorgen macht Berli aber, wie die Gemeinden angesichts der Corona-Krise die bislang 40'000 gesammelten Unterschriften auch beglaubigen können. «Wenn die Gemeinden nicht mehr funktionieren, liegt die Demokratie im Koma.»
Längere Sammelfrist gefordert
Andere haben ihre Sammlungen ganz aufgegeben. Beim Initiativkomitee «Ja zum E-Voting-Moratorium» ist die Unterschriftensammlung mindestens bis Ostern auf Eis gelegt, wie dessen Präsident, der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter (56), zu BLICK sagt.
Sowohl Uniterre wie auch Franz Grüter fordern jetzt mehr Zeit für ihre Unterschriftensammlungen. «Ich erwarte vom Bundesrat einen zeitnahen Entscheid, um die demokratischen Grundrechte zu sichern», sagt Grüter.
Die langsamen Mühlen des Parlaments
Noch vor einer Woche hatte der Bundesrat in der nationalrätlichen Fragestunde beim Thema verlängerte Sammelfristen abgewinkt: Trotz schwieriger Situation sei das Initiativ- und Referendumsrecht noch gewährleistet, hiess es auf die Frage von EVP-Nationalrat Nik Gugger (49). Grünen-Nationalrat Nicolas Walder (53) hat am Donnerstag noch per Interpellation nachgedoppelt. Bis zur Antwort kann es aber bis zur nächsten Session dauern, allenfalls bis zur Sondersession im Mai – und bis dahin wird die Schweiz wohl eine andere sein.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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