+++ Schulen stellen Unterricht ein +++ Kontrollen an der Grenze +++ Nothilfe für Wirtschaft +++
So funktioniert die Schweiz in der Corona-Krise

Die Massnahmen des Bundesrats sind einschneidend, gehen aber weniger weit als in anderen Staaten. Kann die Pandemie damit gestoppt werden?
Publiziert: 13.03.2020 um 23:44 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2020 um 18:25 Uhr
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Der Bundesrat hat heute drastische Massnahmen beschlossen.
Foto: KARL-HEINZ HUG
Lea Hartmann, Nico Menzato und Tobias Bruggmann

Freitag, der 13. März 2020. Der Tag geht in die Geschichte ein. Um 15.28 Uhr trat der Bundesrat vor die Kameras, um die einschneidendsten Massnahmen seit dem Zweiten Weltkrieg zu verkünden. «Die Situation ist schwierig», sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (59). Angesichts der Corona-Epidemie gelte es nun, zusammenzuhalten. «Wir alle sind gefordert, jede und jeder Einzelne», sagte sie, an die Bevölkerung gerichtet. «Wir alle können dazu beitragen, dass sich die Ausbreitung des Virus verlangsamt.»

Neben der Bundespräsidentin wandten sich auch Gesundheitsminister Alain Berset (47), Justizministerin Karin Keller-Sutter (56) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60) an die Bevölkerung. Was sie an der Bundesratssitzung zuvor beschlossen hatten, ist nichts anderes als Notrecht. Die Regierung hat eine Corona-Verordnung verabschiedet. Sie gilt maximal ein halbes Jahr, kann aber – sollte sich die Situation entspannen – schon früher aufgehoben werden.

«Verlangsamung des Soziallebens»

Damit herrscht in der Schweiz von einem Moment auf den anderen der Ausnahmezustand. Auch wenn sich die Schweiz laut Bundesrat offiziell noch immer in einer «besonderen», nicht aber in einer «ausserordentliche Lage» befindet. Das bedeutet, dass die Kantone viele Umsetzungsdetails immer noch selbst regeln können.

Der Appell von Gesundheitsminister Berset an die Bevölkerung war eindringlich. Nun sei es allerhöchste Zeit, den Ernst der Lage zu erkennen, sagte er. Über 1100 Menschen sind in der Schweiz inzwischen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Elf Menschen sind am Virus gestorben. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Europa jetzt weltweit die am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Region.

Um die Ausbreitung des Coronavirus zumindest zu bremsen, brauche es nun eine «Verlangsamung des Soziallebens», so Berset. Der Bundesrat betonte, dass sich nicht nur Menschen, die zur Risikogruppe gehören, einschränken müssen. Auch alle anderen müssten jetzt mitziehen.

Schulen zu, Verbot von Grossevents, zehn Milliarden für die Wirtschaft

Folgende Massnahmen hat der Bundesrat konkret beschlossen:

  • Ab sofort sind alle öffentlichen und privaten Veranstaltungen ab 100 Personen verboten. Und dies mindestens sieben Wochen bis Ende April. Das Verbot gilt auch für Freizeitbetriebe wie Museen, Sportzentren, Hallenbäder und Skigebiete. Für Letztere bedeutet dies einen sofortigen Saisonschluss.
  • Bei Restaurants, Bars und Clubs wird die Grenze bei 50 Personen gezogen – Personal inbegriffen. Die Gäste müssen die Hygieneempfehlungen einhalten und Abstand halten. An die Adresse der Nachtschwärmer sagte Berset: Für Partys sei nun nicht die richtige Zeit. Für Kontrollen sind die Kantone zuständig. Der Innenminister sagte jedoch klipp und klar: «Wer sich nicht daran hält, handelt illegal.»
  • Alle Schulen – vom Kindergarten bis zur Uni – bleiben mindestens bis am 4. April geschlossen. Für Kinderkrippen und ausserschulische Betreuungen sind die Kantone zuständig.
  • Im öffentlichen Verkehr gibt es nur Empfehlungen, keine Verbote: Personen über 65 sollen den ÖV nicht benutzen. Aber auch alle anderen sollten ihn «möglichst meiden». Statt Zug und Bus soll man für kürzere Strecken das Velo nehmen oder zu Fuss gehen. Firmen sollen dazu beitragen – mit flexiblen Arbeitszeiten und wenn immer möglich mit Homeoffice.
  • Die Grenze zu Italien wird bis auf weiteres geschlossen, Grenzkontrollen werden eingeführt. Nur Schweizer, Personen mit Aufenthaltsbewilligung, Grenzgänger oder Personen, die sich «in einer Situation der äussersten Notwendigkeit» befinden, dürfen einreisen. Zudem ist der Warentransport in die Schweiz und die Durchreise noch erlaubt. Auch die Einreise aus anderen Ländern könnte beschränkt werden, wenn sich die Situation dort verschärft.
  • Der Bundesrat rät von «nicht dringlichen Reisen» ins Ausland ab.
  • Eine Rezession steht bevor. Die Regierung greift der Wirtschaft mit insgesamt 10 Milliarden Franken unter die Arme. Dies in Form von Kurzarbeitsentschädigung und Soforthilfe. «Oberstes Ziel ist die Lohnfortzahlung für Mitarbeitende», so der Bundesrat.

Die alles entscheidende Frage lautet nun: Reichen diese Massnahmen, um die Epidemie in der Schweiz in den Griff zu bekommen? In den letzten Wochen hat der Bund Schritt für Schritt die Massnahmen verschärft – ohne Erfolg.

Trotzdem hat er auch jetzt nicht den Stillstand des öffentlichen Lebens verfügt. Andere Länder gehen weiter. Etwa Italien, das alle Einrichtungen ausser Lebensmittelläden und Apotheken geschlossen hat. Österreich beschloss Ähnliches.

«Hart» und «drastisch» genug?

In der Schweiz bleiben alle Geschäfte, Restaurants und Bars offen. Die Session des Parlaments geht weiter. Die Rekruten leisten normal ihren Dienst. Der ÖV verkehrt im normalen Takt. Wie Sommaruga sagte, bestünde weder Grund zu Panik noch Anlass zu Hamsterkäufen.

Die Bundesräte argumentieren, die beschlossenen Massnahmen seien bereits «drastisch», «hart» und «einschneidend». Nicht ausschliessen wollten sie mögliche weitere Verschärfungen. Berset dazu: «Wenn wir gewisse Massnahmen zu früh ergreifen, hat die Bevölkerung dafür kein Verständnis und sagt: Der Bundesrat spinnt!»

Bleibt zu hoffen, dass rückblickend nicht der umgekehrte Vorwurf laut wird. Dass der Bundesrat nicht zu forsch agierte. Sondern zu zögerlich handelte. Das hängt auch davon ab, wie sich nun die Schweizerinnen und Schweizer verhalten.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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