Befehl zum Postauto-Bschiss kam von oben!
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Postauto-Bschiss:Befehl zum Postauto-Bschiss kam von oben!

BLICK hat den Beweis
Befehl zum Postauto-Bschiss kam von oben!

Der Bund wies 2012 unmissverständlich darauf hin: Postauto darf keinen Gewinn im Regionalverkehr einfahren. Sieben Monate später verlangte der Verwaltungsrat, dem «Gewinnverbot» auszuweichen.
Publiziert: 19.02.2020 um 23:25 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2020 um 10:58 Uhr
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Der frühere Post-Präsident Peter Hasler zog die Notbremse 2013 bei Postauto nicht.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Am 26. November 2012 trichterte der Bund den Post-Vertretern unmissverständlich ein: Im subventionierten Personenverkehr darf Postauto «null» Gewinn machen.

Im Publikum sitzen an diesem Montag, zwischen 13 Uhr und 14.10 Uhr, auch der damalige Post-Finanzchef, Pascal Koradi (45) und der damalige Postauto-Chef, Daniel Landolf (60). Doch die Weisung des Umwelt- und Verkehrsdepartements (Uvek) und des Bundesamts für Verkehr (BAV) machen ihnen keinen Eindruck.

Egal, was der Bund im «Bernerhof» sieben Monate vorher bestimmt hat: Am 26. Juni 2013 fährt der Verwaltungsrat des gelben Riesen weiter, als hätten die Eigentümer der Post nie etwas zum Gewinn gesagt. Das zeigt ein Verwaltungsratsprotokoll vom 26. Juni 2013, das BLICK in Auszügen vorliegt.

Verwaltungsrat für Gewinnverschiebung

Es beleuchtet, dass der Verwaltungsrat bei den krummen Postauto-Touren nicht die Notbremse zog – sondern, auf welchen Verschleierungskurs er die gelben Busse schickte, der dann im Herbst 2017 das BAV auf den Plan rief. Monatelang rechnete es nach. Und im Februar 2018 donnerte die Post in den grössten Skandal ihrer Geschichte: Jahrelang hatte der Staatskoloss verbotene Überschüsse in Millionenhöhe eingefahren.

Für den Postauto-Bschiss erfand man unter anderem Pneukäufe, die es nie gab. Der gelbe Riese musste nach Auffliegen der Betrügereien mehr als 200 Millionen Franken zurückbezahlen.

Das alles hätte verhindert werden können, wenn der Verwaltungsrat im Sommer 2013 das Steuer herumgerissen hätte. Doch das tat er nicht. Im Gegenteil. Wörtlich heisst es im Protokoll: «Es kommt die Frage auf, ob bei ‹Gewinnverbot› im ÖV die Gewinne nicht einfach verschoben werden können. Hier untersucht Postauto gemeinsam mit Finanzen wie dies möglich wäre, dies sei jedoch nicht einfach umsetzbar.» Die Order war klar: Postauto-Chef Landolf und Finanzchef Koradi sollten kreativ sein.

Gegenüber BLICK vertreten mehrere Quellen die Ansicht, dem Post-Verwaltungsrat sei 2013 bewusst gewesen, dass das Verschwindenlassen der Überschüsse äusserst heikel sei. Darum habe man das derart verklausuliert formuliert.

Ex-Post-Präsident widerspricht

Alle damaligen Verwaltungsräte waren für BLICK nicht erreichbar oder verwiesen auf den damaligen Post-Präsidenten Peter Hasler (72). Dieser entgegnet, konfrontiert mit dem Papier: «Natürlich kann man sich nicht an Sitzungen vor sechs Jahren erinnern.» Das Protokoll sage zwar, dass man über Gewinne und Gewinnverschiebungen gesprochen habe. Doch: «Niemand im damaligen Verwaltungsrat hat je darunter verstanden, dass das ungesetzliche oder irgendwie unkorrekte Vorgänge seien.»

Und Hasler führt weiter aus: Alle bisherigen Beiträge zum Stichwort Gewinn hätten unterschlagen, «dass es gar kein prinzipielles Gewinnverbot im öffentlichen Verkehr gibt». Es gebe nämlich im Gesetz einen Ausgleichsfonds, in den man Gewinne verschieben dürfe beziehungsweise müsse, um Defizite später wieder auszugleichen. «Das war für uns immer die erlaubte Bandbreite, innerhalb derer man Gewinne sehr wohl machen durfte.» Keine Firma könne ja die Gewinne treffsicher voraussagen, weshalb ein Ausgleichmechanismus geschaffen wurde.

Hasler räumt aber ein, dass die Postauto-Führung dann in grossem Stil und in «Hintergehung» des Verwaltungsrats Buchungsmanipulation gemacht habe, «die wir nie akzeptiert hätten». In der Folge dieser Sitzung – an die er sich nicht mehr erinnern könne – sei dann auch nicht mehr über das Thema Gewinnverschiebung diskutiert worden. «Weil das Ganze ohnehin ein operatives Thema war und es nicht zu den Aufgaben und Kompetenzen des Verwaltungsrats gehörte, die Buchhaltung von Postauto zu kontrollieren», schliesst der frühere Post-Präsident.

BAV hat eine andere Haltung

Die Haltung Haslers steht im Widerspruch zu derjenigen des Bundesamts für Verkehr. Und Post-Sprecherin Léa Wertheimer sagt zum Protokoll: Die Vorgaben seien sowohl für die Post wie auch für deren Tochtergesellschaften verbindlich «und ohne Ausnahme einzuhalten».

Die Verantwortung für den Post-Verwaltungsrat liegt aber beim Bund. Das Uvek, das die Bundesinteressen bei der Post wahrzunehmen hat, konnte am Mittwoch keine Stellung nehmen.

Das Verwaltungsstrafverfahren, das sich gegen frühere operativ Verantwortliche des Post-Konzerns richtet, so gegen Landolf und Koradi, hat den Verwaltungsrat nicht im Visier. Zwei frühere Mitglieder des Post-Verwaltungsrats, Adriano P. Vassalli (65) und Susanne Blank (46), räumten ihren Stuhl im Zuge des Postauto-Bschisses selbst. Mit Philippe Milliet (56) sitzt heute nur noch ein einziger Vertreter des Verwaltungsrats 2013 im Aufsichtsgremium.

Das Protokoll des Bschisses

6. Februar 2018: Der Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), Peter Füglistaler (60) gibt bekannt, dass Postauto im subventionierten Personenverkehr unerlaubte Gewinne versteckt hat. Gleichentags sagt Post-Konzernchefin Susanne Ruoff (62): «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen.» Sie aber habe erst im November 2017 durchs BAV davon erfahren.

7. Februar 2018: BLICK macht eine Aktennotiz publik, die zeigt, dass die Post-Spitze schon im August 2013 von der internen Revision auf «Quersubventionierungen» aufmerksam gemacht wurde.

8. Februar 2018: BLICK legt nach: Ein weiteres internes Papier zeigt, dass die Post-Spitze bei ihrer Klausur vom 1. bis 3. Mai 2013 unter dem Traktandum «Gewinnsicherung» darüber beriet, wie sich die unerlaubten Gewinne im subventionierten Regionalverkehr verstecken lassen.

11. Februar 2018: Susanne Ruoff sagt im SonntagsBlick, sie hätte sich «schneller und tiefer» mit dem Bschiss beschäftigen sollen. Einen Rück- tritt lehnt sie ab.

14. Februar 2018: Der Bund reicht Strafanzeige wegen der Gewinnumbuchungen bei Postauto ein – auch gegen die Geschäftsleitung und die Mitglieder des Verwaltungsrats.

15. Februar 2018: Post-Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller (67, CVP) spricht Ruoff das Vertrauen aus.

27. Februar 2018: Wie das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bekannt gibt, hat der Bundesrat beschlossen, dass es ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Post wegen der zu viel bezogenen Subventionen gibt.

10. Juni 2018: Postchefin Susanne Ruoff verkündet ihren Rücktritt.

11. Juni 2018: Der Post-Verwaltungsrat zieht Konsequenzen: Die gesamte Geschäftsleitung der Postauto AG ist per sofort freigestellt.

16. Juni 2018: Post-Vizepräsident Adriano Vassalli (66) gibt unter dem Druck der Öffentlichkeit seinen Rücktritt bekannt.

26. Juni 2018: Auch Verwaltungsrätin Susanne Blank (47) nimmt den Hut.

9. November 2019: BLICK präsentiert neue Dokumente. Diese zeigen, dass die Chefs der Post, aber auch des zustän- digen Umwelt- und Verkehrsdepartements (Uvek) informiert waren über die Gewinnproblematik. Auch die damalige Bundesrätin Doris Leuthard.

6. Februar 2018: Der Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), Peter Füglistaler (60) gibt bekannt, dass Postauto im subventionierten Personenverkehr unerlaubte Gewinne versteckt hat. Gleichentags sagt Post-Konzernchefin Susanne Ruoff (62): «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen.» Sie aber habe erst im November 2017 durchs BAV davon erfahren.

7. Februar 2018: BLICK macht eine Aktennotiz publik, die zeigt, dass die Post-Spitze schon im August 2013 von der internen Revision auf «Quersubventionierungen» aufmerksam gemacht wurde.

8. Februar 2018: BLICK legt nach: Ein weiteres internes Papier zeigt, dass die Post-Spitze bei ihrer Klausur vom 1. bis 3. Mai 2013 unter dem Traktandum «Gewinnsicherung» darüber beriet, wie sich die unerlaubten Gewinne im subventionierten Regionalverkehr verstecken lassen.

11. Februar 2018: Susanne Ruoff sagt im SonntagsBlick, sie hätte sich «schneller und tiefer» mit dem Bschiss beschäftigen sollen. Einen Rück- tritt lehnt sie ab.

14. Februar 2018: Der Bund reicht Strafanzeige wegen der Gewinnumbuchungen bei Postauto ein – auch gegen die Geschäftsleitung und die Mitglieder des Verwaltungsrats.

15. Februar 2018: Post-Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller (67, CVP) spricht Ruoff das Vertrauen aus.

27. Februar 2018: Wie das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bekannt gibt, hat der Bundesrat beschlossen, dass es ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Post wegen der zu viel bezogenen Subventionen gibt.

10. Juni 2018: Postchefin Susanne Ruoff verkündet ihren Rücktritt.

11. Juni 2018: Der Post-Verwaltungsrat zieht Konsequenzen: Die gesamte Geschäftsleitung der Postauto AG ist per sofort freigestellt.

16. Juni 2018: Post-Vizepräsident Adriano Vassalli (66) gibt unter dem Druck der Öffentlichkeit seinen Rücktritt bekannt.

26. Juni 2018: Auch Verwaltungsrätin Susanne Blank (47) nimmt den Hut.

9. November 2019: BLICK präsentiert neue Dokumente. Diese zeigen, dass die Chefs der Post, aber auch des zustän- digen Umwelt- und Verkehrsdepartements (Uvek) informiert waren über die Gewinnproblematik. Auch die damalige Bundesrätin Doris Leuthard.

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