Notlage in den Spitälern
Hilft bald das Personal von Schönheitskliniken aus?

Um dem Personalmangel in den Schweizer Spitälern entgegenzuwirken, sollen Pfleger aus Privat- oder Schönheitskliniken abgezogen werden. Eine Idee, die von manchen Spitälern diskutiert und von anderen klar abgeschmettert wird.
Publiziert: 16.12.2021 um 19:46 Uhr
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Die Hospitalisierungen nehmen zu, und gleichzeitig haben die Spitäler mit Personalmangel zu kämpfen.
Foto: keystone-sda.ch
Jana Giger

An vorderster Front kämpfen die Pflegerinnen und Pfleger auf den Intensivstationen um das Leben schwer kranker Covid-Patienten. Und das seit zwei Jahren. Immer mehr Angestellte stossen an ihre Grenzen, manche kündigen. Die Folge: Spitäler verlieren wichtiges Personal und sind überlastet.

Deshalb fordert der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD), dass die Kantone bei Engpässen qualifiziertes Personal aus den Privatkliniken zur Verstärkung in den öffentlichen Spitälern einsetzen.

Der Generalsekretär des Verbands, Stefan Giger, sagt zu Blick: «An der Front versaufen sie in der Arbeit, während an anderen Orten Personal verfügbar wäre. In der jetzigen Situation sollte man das Personal dort einsetzen, wo es gebraucht wird.»

«Wegen unmenschlicher Zustände zu wenig Personal»

Zwei Kantonsspitäler im Thurgau forderten mit einem Hilferuf bereits Unterstützung an, weil sie am Limit sind. Mitarbeiter der Privatklinik Littenheid sollen demnach zur Entlastung in den Akutspitälern aushelfen. Auch in Neuenburg könnte das schon bald eine Option sein. Denn im absoluten Krisenfall soll Pflegepersonal aus den Privatkliniken abgezogen werden, wie die «Berner Zeitung» berichtete.

Für Giger wären solche Entscheidungen wichtig. Denn er warnt, dass der Personalmangel sich zuspitzen könnte, wenn jetzt nichts unternommen werde. «Aufgrund der unmenschlichen Zustände in den Spitälern letztes Jahr haben wir heute zu wenig Pflegepersonal», sagt er. Die Leute hätten gekündigt, weil die Gesundheitsvorschriften nicht eingehalten worden und sie derart erschöpft gewesen seien.

Personal aus Schönheitskliniken?

Auf die Frage von Blick, ob Spitäler auch auf das Personal aus Schönheitskliniken zurückgreifen könnten, sagt Giger: «Ja, auch dort gibt es qualifiziertes Personal, das in öffentlichen Spitälern eingesetzt werden kann.» Engpässe in der Grundversorgung könnten so überbrückt werden.

Es sei höchste Zeit zu handeln, so Giger. «In den Spitälern sterben Leute, und es wird triagiert, während weiterhin Schönheitsoperationen durchgeführt werden, die man verschieben könnte.»

Es fehlen hochspezialisierte Intensivpfleger

Die Idee, Personal aus Privat- oder Schönheitskliniken zu rekrutieren, kommt aber nicht überall gut an. Der Mediensprecher des Kantonsspitals St. Gallen, Philipp Lutz, sagt zu Blick: «Das Problem ist der schweizweite Mangel an hochspezialisiertem Fachpflegepersonal. Das kann man nicht einfach irgendwo abziehen.»

Ausserdem sei es ein akutes Problem, das nicht von heute auf morgen gelöst werden könne. Intensivpfleger seien nicht leicht zu ersetzen. Es gehe im Moment darum, den Betrieb mit dem eigenen Personal am Laufen zu halten – auch wenn ein regulärer Betrieb derzeit nicht möglich sei, so Lutz. Aber er sagt: «Wir unternehmen alles, damit alle medizinisch dringlichen Eingriffe durchgeführt werden können.»

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