«Ich hatte wieder Energie für alles»
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Nick M.*:«Ich hatte wieder Energie für alles»

Nick M. (48) war plötzlich immer schlapp – dann spritzte er sich vermeintliches Wundermittel
«Ich bin überzeugt, dass viele Männer nichts darüber wissen»

Plötzlich ging nichts mehr: Nick M. (48) aus Zürich wollte fit und jung bleiben und seiner Partnerin Lust schenken. Er war sogar bereit, seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen, in dem er sich Testosteron spritzte. Nun versucht er, davon wegzukommen.
Publiziert: 28.09.2023 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2023 um 18:20 Uhr
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Plötzlich ging nichts mehr: Nick M. merkt vor rund fünf Jahren, dass sein Körper langsam herunterfährt. Durch Videos auf Youtube erfährt er, dass er sich wohl in den männlichen Wechseljahren befindet. Sein Arzt bestätigt ihm: Er ist in der Andropause.
Foto: Siggi Bucher
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Nick M.* (48) achtet schon sein Leben lang auf seine Gesundheit. Er treibt Sport, schaut auf seine Ernährung – doch vor fünf Jahren rebelliert sein Körper plötzlich. «Ich war ein ganz anderer», sagt M. zu Blick. «Ich hatte absolut keine Lust mehr auf Sex, Sport machen fiel mir schwerer – obwohl ich normalerweise gerne sprinte und schwimme. Ich hatte keine Kraft und keine Ausdauer. Energielos quälte ich mich durch den Tag.»

Lange weiss der Zürcher nicht, woran das liegt. Vermutet einen Vitaminmangel. Durch Recherchen im Internet erfährt er dann: Er könnte mitten in den männlichen Wechseljahren – der sogenannten Andropause – stecken. «Für mich war das ein Schock! Nie hat jemand darüber gesprochen. Ich bin überzeugt, dass viele Männer nichts darüber wissen.»

Falten und schlaffe Muskeln

Die Wochen darauf achtet er bewusster auf seinen Körper: «Plötzlich fielen mir so viele Dinge an mir auf, die mir sagten, dass ich alt werde. Meine Falten überall und auch meine Muskeln waren nicht mehr so prall. Ausserdem fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren.»

«Aufklärung könnte im Rahmen der Vorsorge erfolgen»

Als Nick M.* in die Wechseljahre kam, wusste er nichts darüber. Zu Blick sagt er: «Ich bin überzeugt, dass viele Männer nicht wissen, dass auch wir in die Wechseljahre kommen und was dann geschieht.» Und: «Es braucht Aufklärung.»

Michaela Mack, Fachärztin für Urologie am Zentrum für Urologie Zürich – Klinik Hirslanden und Klinik Im Park, bestätigt: «Auch heutzutage sind Männer meistens nicht darüber aufgeklärt, dass es eine Andropause gibt und sie automatisch ab dem 40. Lebensjahr in diese eintreten. Ab jetzt beginnt der Testosteronwert physiologisch zu sinken.»

Anzeichen für einen Mangel

Doch nicht alle sind gleichermassen davon betroffen: «Es haben also nicht alle Männer einen Mangel», sagt Mack. «Der laborchemisch nachgewiesene Testosteronmangel ist oft multifaktoriell bedingt. Auch Nebenerkrankungen spielen eine wichtige Rolle.» Deshalb sei eine medizinische Abklärung wichtig, um Erkrankungen zu erkennen, zu behandeln und Folgeschäden verhindern zu können.

Anzeichen für einen Testosteron-Mangel seien individuell unterschiedlich, doch laut Mack können folgende häufig auftreten: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Libidoverlust, Erektionsstörungen, Antriebslosigkeit und eine depressive Verstimmung.

Arbeiten an der Aufklärung

Sie appelliert an alle Männer, den Weg über Mediziner zu gehen, sollten sie bei sich Veränderungen wahrnehmen. «Von Testosteron-Spritzen auf eigene Faust halte ich gar nichts. Ohne ärztliche Aufsicht ist es ein blinder Eingriff in den Hormonhaushalt, der Veränderungen nach sich zieht.»

Mack findet es wichtig, dass Männer über die Andropause aufgeklärt werden. «Eine Aufklärung könnte im Rahmen der Vorsorge bei den Hausärzten oder Urologen erfolgen. Dann kann auch direkt reagiert werden, falls es Hinweise für einen Testosteron-Mangel geben sollte.»

Michaela Mack, Fachärztin für Urologie am Zentrum für Urologie Zürich – Klinik Hirslanden und Klinik Im Park.
zVg

Als Nick M.* in die Wechseljahre kam, wusste er nichts darüber. Zu Blick sagt er: «Ich bin überzeugt, dass viele Männer nicht wissen, dass auch wir in die Wechseljahre kommen und was dann geschieht.» Und: «Es braucht Aufklärung.»

Michaela Mack, Fachärztin für Urologie am Zentrum für Urologie Zürich – Klinik Hirslanden und Klinik Im Park, bestätigt: «Auch heutzutage sind Männer meistens nicht darüber aufgeklärt, dass es eine Andropause gibt und sie automatisch ab dem 40. Lebensjahr in diese eintreten. Ab jetzt beginnt der Testosteronwert physiologisch zu sinken.»

Anzeichen für einen Mangel

Doch nicht alle sind gleichermassen davon betroffen: «Es haben also nicht alle Männer einen Mangel», sagt Mack. «Der laborchemisch nachgewiesene Testosteronmangel ist oft multifaktoriell bedingt. Auch Nebenerkrankungen spielen eine wichtige Rolle.» Deshalb sei eine medizinische Abklärung wichtig, um Erkrankungen zu erkennen, zu behandeln und Folgeschäden verhindern zu können.

Anzeichen für einen Testosteron-Mangel seien individuell unterschiedlich, doch laut Mack können folgende häufig auftreten: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Libidoverlust, Erektionsstörungen, Antriebslosigkeit und eine depressive Verstimmung.

Arbeiten an der Aufklärung

Sie appelliert an alle Männer, den Weg über Mediziner zu gehen, sollten sie bei sich Veränderungen wahrnehmen. «Von Testosteron-Spritzen auf eigene Faust halte ich gar nichts. Ohne ärztliche Aufsicht ist es ein blinder Eingriff in den Hormonhaushalt, der Veränderungen nach sich zieht.»

Mack findet es wichtig, dass Männer über die Andropause aufgeklärt werden. «Eine Aufklärung könnte im Rahmen der Vorsorge bei den Hausärzten oder Urologen erfolgen. Dann kann auch direkt reagiert werden, falls es Hinweise für einen Testosteron-Mangel geben sollte.»

Also sucht sich M. im Jahr 2018 Hilfe bei seinem Hausarzt. Dieser bestätigt: Nick M. ist in der Andropause. Ein Symptom: Das freie Testosteron in seinem Körper liegt deutlich unter der Norm. Es ist das wichtigste Sexualhormon des Mannes. Neben der Sexualität beeinflusst es auch das Knochen- und Muskelwachstum sowie auch den Fett- und Zuckerstoffwechsel. Darüber hinaus hat es auch Auswirkungen auf die Psyche.

«Mein freies Testosteron lag bei 120 pmol/L, der Normwert ist 150-800 pmol/L», sagt M. Der Mittvierziger wird alle fünf Tage mit 125 Milligramm Anabolika behandelt. Er sei vom Effekt, der rasch eingetreten sei, begeistert gewesen.

Wieder Lust auf Sex

«Zuvor hängten mich sogar meine Gleichaltrigen beim Fussball ab», sagt Nick M. «Nach der Anabolika-Spritze rannte ich sogar deren Kindern davon. Es fühlte sich echt cool an!»

Und während sich seine Lebensgefährtin zuvor noch lustig machte und ihm riet, der Natur freien Lauf zu lassen, ändert auch sie ihre Meinung. Nick M.: «Ich hatte wieder Lust auf Sex, hatte Erektionen. Auch für meine Partnerin war das ein Gewinn.»

Mehr und mehr

M. will sich nun immer mehr Anabolika spritzen. Also fragt er einen Kollegen im Gym nach dem Stoff und verdoppelt seine wöchentliche Dosis. Sein Körper reagiert darauf, indem er die eigene Produktion an Testosteron nun noch stärker herunterfährt. «In dem Moment war mir das aber egal, ich sah vor allem das Positive. Obwohl ich immer wieder von Anabolika-Konsumenten gehört habe, die an schlimmer Akne, extremen Haarausfall und sogar Prostatakrebs litten, hatte ich davor keine Angst.»

Laut Philip Bruggmann, Co-Chefarzt für Innere Medizin beim Zürcher Zentrum für Suchtmedizin (Arud), ist der Konsum von Anabolika gefährlich: «In den schlimmsten Fällen kann der Konsum tödlich enden. So kann es zu plötzlichem Herztod oder bösartigen Tumoren der Prostata oder der Leber kommen. Aber auch Nierenerkrankungen und Störungen der Sexualität und Fruchtbarkeit sind Folgen eines Anabolika-Konsums.»

Laut Bruggmann konsumieren rund 200'000 Personen in der Schweiz Anabolika. «Aus Studien wissen wir, dass bei regelmässigem Konsum bis zu 30 Prozent eine Abhängigkeit entwickeln.»

Reissleine gezogen

Ähnlich ergeht es Nick M. «Ich kam in die Wechseljahre und rutschte in die Anabolika-Sucht ab.» Das wird ihm während des Corona-Lockdowns 2020 bewusst: Weil er nicht trainieren kann, sind die positiven Effekte kaum noch spürbar.

Doch M. kann mit dem Spritzen nicht aufhören: «Ich hatte Angst, dass, wenn ich damit aufhöre, ich all die tollen Dinge verliere und mich wieder so schlecht fühle wie zu Beginn.»

Diese Angst ist für ihn der Anstoss, sich Hilfe zu holen. Seit Juni dieses Jahres wird er von den Arud-Experten bei seinem Entzug begleitet. Gleichzeitig wird ihm mit Medikamenten geholfen, seine eigene Testosteronproduktion wieder zu stabilisieren. «Diese Monate nenne ich die Kellerperiode. Ich bin zwar etwas down, aber dank der Ärzte überstehe ich diese Zeit viel besser als befürchtet.»

Spritzen als Anti-Aging-Kur

Gemäss Philip Bruggmann bietet das Arud seit diesem Jahr Hilfe bei einer Anabolika-Abhängigkeit. Doch Nick M. sei kein typischer Vertreter der Betroffenen: «Das sind eher Männer zwischen 20 und 40, die extrem auf Muskelmasse aus sind.»

Nick M. gehöre zur kleinsten Gruppe der Sucht-Betroffenen. «Menschen wie ihm geht es nicht um einen stählernen Körper wie bei Arnold Schwarzenegger in seinen besten Jahren. Männer aus dieser Gruppe wollen mehr Lebensqualität – noch bis ganz spät in ihrem Lebenszyklus. Das Spritzen von Testosteron ist bei ihnen eine Art Anti-Aging-Kur.»

Doch auch hier: «Sie greifen blind und folgenschwer in ihren Hormonhaushalt ein.» Und gehen das Risiko ein, später unter fatalen körperlichen Nebenwirkungen zu leiden.

* Name geändert 

Liebe Blick-Leser, wie geht ihr mit den Veränderungen während der Andropause um? Wie zeigt sich eure Andropause und was unternehmt ihr für euer Wohlbefinden? Feedback bitte unten in die Kommentare oder via Leserreporter. 

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