Neue NSU-Spur in die Schweiz
War sie die heimliche Geliebte des Nazi-Terroristen?

Rechtsterroristin Beate Zschäpe behauptet, ihr Komplize habe im Kanton Zürich ein Doppelleben geführt. Daraufhin durchsuchten Ermittler die Wohnung von Julia G.
Publiziert: 08.06.2024 um 19:32 Uhr
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Fahnder durchsuchten die Wohnung der Zürcherin Julia G.
Foto: zVg
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Ein brisanter Verdacht: Das Terrortrio Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) soll einen Unterschlupf in der Schweiz gehabt haben. Das legen Aussagen von Beate Zschäpe (49) nahe, über die der «Spiegel» in seiner neusten Ausgabe berichtet.

Die inhaftierte Rechtsterroristin behauptet, ihr Komplize Uwe Mundlos (†38) habe eine Beziehung zu einer Frau im Kanton Zürich gepflegt und häufig länger bei ihr gewohnt.

39-Jährige passt zur Beschreibung

Zschäpes Aussagen haben neue Ermittlungen ausgelöst. Mehr als zwölf Jahre nach der Enttarnung der rechtsextremen Zelle, die zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete, verfolgen die Fahnder jetzt die Spur in die Schweiz.

Zschäpe konnte sich laut «Spiegel» nur noch an den Vornamen der Frau erinnern. Daraufhin machten die Ermittler im Kanton Zürich eine 39-Jährige ausfindig, zu der ihre Beschreibung passt.

Im März rückten Schweizer Polizisten aus und durchsuchten die Wohnung der Frau. In einer Zeugenbefragung mit deutschen Fahndern bestritt die Verdächtigte jedoch sämtliche Vorwürfe und gab an, Mundlos nicht gekannt zu haben.

Blick-Recherchen zeigen: Bei der Frau handelt es sich um Julia G.*. Sie ist Mitglied des internationalen Neonazi-Netzwerks Blood & Honour sowie von dessen bewaffnetem Arm Combat 18 (C18 oder «Kampftruppe Adolf Hitler»).

WG mit deutschen Neonazis

G. unterhält enge Verbindungen zu namhaften Rechtsextremisten in ganz Europa und hat seit der Jahrtausendwende zahlreiche Kontakte von Italien bis ins deutsche Bundesland Thüringen, die Heimat des NSU-Trios.

Sie koordinierte Auftritte von Rechtsrockbands und lud sie auch immer wieder in ihre WG im Zürcher Unterland ein, in der sie mit militanten Rechtsextremisten aus Deutschland lebte. Gemäss der antifaschistischen Rechercheplattform Exif bezeichnete ein führender C18-Mann G. als «unsere Organisationsfrau für den Raum Schweiz und Italien». 

Der NSU

Die aus Jena stammenden Terroristen Uwe Mundlos (†38), Uwe Böhnhardt (†46) und Beate Zschäpe (49) ermordeten zwischen 2000 und 2007 neun Migrantinnen und Migranten und eine deutsche Polizistin. Mundlos und Böhnhardt verübten darüber hinaus zwei Bombenanschläge in Köln mit zahlreichen Verletzten. Das Trio lebte über Jahre im Untergrund, bis es 2011 aufflog. Die beiden Rechtsterroristen Mundlos und Böhnhardt wurden in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Mit dem Suizid wollten sie ihrer Festnahme entgehen. Zschäpe hingegen wurde 2018 vom Oberlandesgericht München zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die aus Jena stammenden Terroristen Uwe Mundlos (†38), Uwe Böhnhardt (†46) und Beate Zschäpe (49) ermordeten zwischen 2000 und 2007 neun Migrantinnen und Migranten und eine deutsche Polizistin. Mundlos und Böhnhardt verübten darüber hinaus zwei Bombenanschläge in Köln mit zahlreichen Verletzten. Das Trio lebte über Jahre im Untergrund, bis es 2011 aufflog. Die beiden Rechtsterroristen Mundlos und Böhnhardt wurden in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Mit dem Suizid wollten sie ihrer Festnahme entgehen. Zschäpe hingegen wurde 2018 vom Oberlandesgericht München zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die rechtsextreme Aktivistin bezeichnete sich selbst als «Band-Mutti» von Oidoxie, einer Neonaziband aus Dortmund (D). Ermittler verorten die Gruppe im Umfeld des NSU. Ein langjähriges Mitglied der Band wohnte um 2015 in der Wohnung von Julia G.

Mordwaffe stammt aus der Schweiz

Zschäpes Schilderungen über das Doppelleben von Uwe Mundlos könnten zur Klärung von bisher ungelösten Rätseln im Ermittlungskomplex NSU beitragen. Nach dem Selbstmord von Mundlos und dessen Kumpan Uwe Böhnhardt 2011 liegt noch vieles im Dunkeln. Unter anderem suchen die Fahnder nach dem Grund für den auffallend geringen Strom- und Wasserverbrauch im letzten Versteck der Terrorzelle, einer Wohnung im sächsischen Zwickau.

Die mutmassliche Liebschaft von Mundlos im Kanton Zürich ist nicht die einzige NSU-Spur in die Schweiz. Auch die Mordwaffe – eine tschechische Ceska 83 vom Kaliber 9,5 mm – stammt von hier. Ein Berner Waffenhändler hatte die Waffe 1996 an eine Privatperson in der Schweiz verkauft, von wo sie auf unbekannten Wegen zu den Tätern gelangte.

Mundlos sei, so erzählte es Zschäpe nun, bei einer seiner Schweiztrips von einem sächsischen Neonazi begleitet worden. Den Grund für die mehrtägige Reise kenne sie nicht. Bereits im Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht hatte Zschäpe den gleichen Neonazi belastet. Der frühere «Blood & Honour»-Aktivist sei angeblich an der Beschaffung der Pistole für die Terroristen beteiligt gewesen. Er selbst wies Zschäpes Aussage als «vollkommen verrückt» zurück. 

* Name geändert 

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