Darum gehts
- Telefonangst betrifft viele, besonders jüngere Generationen. Digitalisierung verstärkt das Phänomen
- Auch ältere Generationen bevorzugen zunehmend schriftliche Kommunikation statt Anrufe
- 50 % der 16- bis 29-Jährigen haben laut Studie Angst vor Telefonaten
Du zögerst, gehst tausendmal im Kopf durch, was du sagen möchtest, und schreibst dann doch lieber ein E-Mail, als anzurufen. Wenn es dir vor einem Telefonat beim Arzt oder bei einer Tisch-Reservierung so ergeht, bist du nicht alleine. Die Gen-Z (Jahrgang 1995 bis 2010) leidet überproportional an einer Phobie vor dem Telefonieren. Dies zeigen zahlreiche Erhebungen.
Doch nicht nur das: Wer durch die sozialen Medien scrollt, stösst schnell auf Tiktoker und Influencerinnen, die im Netz zugeben, Anrufe häufiger zu vermeiden. Nicht selten hört man Mittzwanziger sagen: «Ich frage immer meine Mutter, ob sie für mich einen Termin beim Arzt abmacht.» Und auch die Zahlen belegen das Phänomen. Eine neue Erhebung des deutschen Marktforschungsinstituts Bitkom Research zeigt jetzt, dass jeder Zweite zwischen 16 und 29 Jahren Angst vor dem Telefonieren hat. Insgesamt wurden über 1000 Menschen ab 16 Jahren befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.
«Das wäre peinlich»
Die Furcht rührt vor allem daher, einen Fehler zu machen. «Vielleicht gerate ich ins Stottern oder meine Botschaft kommt nicht gut an. Das wäre peinlich.» Eine Textnachricht kann man hingegen leichter korrigieren, bevor man sie abschickt.
Psychologen beobachten diese Entwicklung schon länger. Dabei kommt auch immer das Wort «Sozialphobie» vor. Menschen mit einer Sozialphobie fürchten sich davor, von anderen Menschen als merkwürdig oder komisch wahrgenommen zu werden. Man stellt sich vor einem Telefonat also vor, was alles Negatives passieren oder welche negativen Konsequenzen meine Worte haben könnten.
Lange beschränkte sich das Unbehagen eher auf die jüngeren Generationen. Millennials (1981-1995) und die Gen-Z gelten als «Digital Natives». Sie sind mit den sozialen Medien aufgewachsen. Das Internet und geschriebene Chats waren von Anfang an präsent, während «Live-Situationen» am Telefon heute seltener geworden sind.
Diese Nachricht überrascht
Die neuste Erhebung beherbergt jedoch auch eine überraschende Erkenntnis: Auch ältere Generationen drücken sich vermehrt vor dem Anruf und setzen lieber auf eine geschriebene Nachricht. So geben 33 Prozent der Deutschen an, sich bei einem Telefonat mit einem Fremden unwohl zu fühlen. Ebenfalls ein Drittel wünscht sich eine Ankündigung, bevor sie angerufen werden. Die Vermutung, dass auch ältere Menschen künftig mit Telefonaten zu kämpfen haben, liegt insofern nahe, da sich neue Technologien auf die ganze Bevölkerung ausbreiten.
«Die Angst vor dem Telefonieren entsteht, weil wir uns an Nachrichten gewöhnt haben, bei denen wir Zeit zum Formulieren haben – während ein Anruf schnelle Reaktion erfordert, ohne die Möglichkeit, nonverbale Signale oder Emojis zur Unterstützung zu nutzen», erklärt Dr. Sebastian Klöss, Experte für Consumer Technology beim Bitkom im Rahmen einer Medienmitteilung. Bei jüngeren Menschen sei diese Entwicklung noch akzentuierter. «Sie empfinden spontane Anrufe als aufdringlich oder unangenehm.»