Schulleiter gelten als Brückenbauer zwischen Lehrpersonen und Behörden. Doch in den letzten Wochen sorgen sie vor allem als Brückensprenger für Schlagzeilen. Ihretwegen haben Lehrpersonen en masse auf Ende März gekündigt. So etwa in St. Gallen, wo 16 von 49 Lehrpersonen der Schule Grossacker gehen oder in Zollikon ZH, wo 25 Lehrpersonen der Schule Rüterwis gekündigt haben. Der Vorwurf: charakterliche Mängel sowie organisatorische und fachliche Inkompetenz.
Auch in der Vergangenheit sorgten Schulleiter als Schul-Schreck für Massenkündigungen: 2020 kündigten an der Primarschule in Trimbach SO acht Lehrpersonen. 2019 schmiss mehr als die Hälfte der Lehrpersonen der Sekundarschule Wigoltingen TG hin. 2017 gingen 21 Lehrpersonen der Schule Fehraltorf ZH.
Medialer Maulkorb
Blick hat betroffene Lehrpersonen kontaktiert. In Zollikon wird auf den Leiter Bildung verwiesen, den Chef aller Schulleiter. Dieser soll laut einem scheidenden Lehrer für einen Medien-Maulkorb gesorgt haben. Ähnlich sieht es in St. Gallen aus: Eine scheidende Lehrerin gibt an, dass es eine Vereinbarung zum Stillschweigen gebe. Sowieso: Es gelte allgemein die Regel, dass Lehrer nicht mit Medien sprechen dürfen.
Fiona B.* dagegen will sich von dieser Regelung nicht abschrecken lassen – obwohl sie als «Nestbeschmutzerin» gelten könnte. Sie selbst sei nicht in den betroffenen Schulen tätig, doch sie habe 30 Jahre Erfahrung – als Lehrperson und als Schulleiterin.
Ein Schulleiter müsse einen gut bepackten Rucksack mit verschiedensten Kompetenzen mitbringen. «Man muss wissen, wie man kommuniziert, Konflikte löst oder eine Schule führt. Fehlen diese fachlichen Kompetenzen, hat das schnell Auswirkungen auf das Schulleben und die Atmosphäre», sagt sie.
Weiter verweist sie auf die zentrale Rolle eines Schulleiters: «Man darf nicht vergessen, dass sie viele bürokratische Aufgaben stemmen müssen und sowohl für Behörde als auch für Lehrpersonen die erste Ansprechperson sind.»
Schüler sind die Leidtragenden
Doch gerade diese bürokratischen Aufgaben würden dazu führen, dass Schulleiter den Bezug zur Schule verlieren. «Ich kenne einen Schulleiter, der hat seit zehn Jahren kein Klassenzimmer mehr von innen gesehen. Das finde ich sehr bedenklich», sagt B. «Wie wollen Schulleiter gute Entscheidungen für ihre Schule treffen, wenn sie diese nicht mehr spüren?» Dadurch komme es zu Entscheidungen, die für eine Schule nicht umsetzbar seien. «Das frustriert dann vor allem das Lehrpersonal, weil es ja alles umsetzen muss.»
Charakterliche No-Gos für einen Schulleiter hingegen seien: «Er darf nicht arrogant, nicht konfliktscheu, aber auch nicht leicht reizbar oder jähzornig sein.» Es brauche ein gesundes Mittelmass. Auch diese Schwächen habe sie bei Schulleitern gesehen: «Einer hat sich geweigert, Schülern und Eltern in Konfliktsituationen auf Augenhöhe zu begegnen. Er hielt sich für was Besseres und fühlte sich in einer höheren Position.»
Solche fachlichen und charakterlichen Schwächen könnten zu einem Konflikt führen, dass Lehrpersonen keinen anderen Ausweg sehen als die Kündigung – auch im Kollegium. «Doch wir dürfen nicht vergessen, dass bei solchen Massenkündigungen immer die Schüler die Leidtragenden sind», sagt Fiona B.
Schulleiterausbildung umgestalten
Das Problem mit den Schulleitern beginnt laut Thomas Minder, dem obersten Schulleiter der Schweiz, schon bei der Ausbildung: «Sie ist definitiv zu kurz. Sie müsste verlängert und ausgebaut werden.» Denn: Die Aufgaben eines Schulleiters seien umfassender geworden. «Heutzutage muss ein Schulleiter eine eierlegende Wollmilchsau sein.»
Dass es auch ungeeignete Schulleiter gibt, sei anzunehmen. «Es ist schwierig, Lehrer zu finden – und Schulleiter sowieso. Da kann es passieren, dass auch Leute engagiert werden, die nicht geeignet sind.»
Minder ist aber überzeugt: «Viele angehende Schulleiter verfügen über das notwendige Talent, bekommen aber in den zwei Jahren zu wenige Kompetenzen mit auf den Weg, sodass die Gefahr besteht, im Alltag schnell verheizt zu werden.» Es brauche eine fundierte Ausbildung, um den hohen Anspruch an Professionalität zu gewährleisten.
Fiona B. spricht sich für eine viel strengere Aussortierung aus: «Es braucht eine Kontrolle der Kompetenzen – und zwar vor der Zulassung an die Schulleiterausbildung. So kann ausgemacht werden, ob die Grundlagen da sind. Ansonsten kommen gerade in Notlagen ungeeignete Menschen in diese so wichtige Führungsposition. Das führt noch mehr zu Konflikten.»
*Name geändert