Jedes Jahr gehen 1000 Betriebe ein – trotzdem gibts zu wenige für den Nachwuchs
Jungbauern suchen verzweifelt Höfe

Eine schräge Situation: Obwohl jedes Jahr rund 1000 Schweizer Bauernhöfe dichtmachen, finden junge Landwirte keinen Betrieb. Im BLICK erzählen Betroffene von ihrer nahezu aussichtslosen Suche.
Publiziert: 04.10.2020 um 23:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2020 um 07:57 Uhr
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Thomas Baumann (29) kann anpacken. Er ist gelernter Zimmermann, Landwirt und Betriebsleiter.
Foto: Anian Heierli
Anian Heierli

Thomas Baumann (29) aus Attinghausen UR wünscht sich nichts mehr als einen eigenen Bauernhof. Doch obwohl er seit vier Jahren intensiv sucht und sich extra ausbilden liess, findet er einfach keinen Betrieb, den er pachten oder kaufen könnte. Er ist kein Einzelfall, denn vielen Jungbauern geht es so. Der Grund: Es gibt nicht genug freie Betriebe.

Das klingt paradox. Pro Jahr machen nämlich rund 1000 Schweizer Höfe dicht. Die aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) belegen den Trend: 2019 gab es 50'038 Landwirtschaftsbetriebe, 2009 waren es noch 60'034. Dabei schliessen jährlich gut 1000 motivierte Personen die Lehre als Bauer ab.

Pensionierte Landwirte bleiben meist auf dem Hof

Das Problem: Landwirte, die aufhören oder pensioniert werden, bleiben oftmals auf dem eigenen Hof. Das günstige Wohnen ist ein wichtiger Teil ihrer Altersvorsorge. Hinzu kommt, dass die Landwirtschaft sehr kapitalintensiv ist. So verschlingt der Kauf von Maschinen, Tieren und Futter grosse finanzielle Mittel. Eine Hürde, die für viele Jungbauern schlicht zu gross ist.

Am schwersten haben es Quereinsteiger wie Thomas Baumann. Er weiss: «Vieles geht unter der Hand weg. Wenn du nicht aus einer Bauernfamilie stammst, bekommst du das gar nicht mit.» Ein weiteres Problem seien Investitionen in alte Gebäude, die selber finanziert werden müssten.

Als Zimmermann gestartet, Landwirt obendrauf

Eigentlich ist Baumann gelernter Zimmermann. 2018 schloss er als Zweitausbildung die Landwirtschaftslehre ab. Anschliessend machte er den Betriebsleiter und in diesem Winter wird er noch den Meister anhängen. «Dadurch erhoffe ich mir bessere Chancen», sagt er. Versucht hat er schon vieles. Er ging sogar bei Bauern klingeln und stellte sich vor: «Das braucht zwar Überwindung, ist aber persönlicher. So können sich die Leute ein Bild von mir machen.»

Doch weshalb hält Baumann trotz aller Widrigkeiten am Berufswunsch Landwirt fest und investiert Zeit, Geld und Kraft? «Meine Grosseltern waren Bauern», sagt er. «Schon immer war es für mich der schönste Beruf auf der Welt.» Er gerät ins Schwärmen: «Das Arbeiten in der Natur und die Beziehung zu den Tieren machen für mich den Reiz aus.» Seinen Wunsch will er deshalb nicht aufgeben. Doch dem Urner ist bewusst, dass er seine Suche künftig wohl ausdehnen muss.

Schnell erreichbar und mit Wohnhaus

Noch länger sucht Werni Barmettler (28) aus Büren NW einen Hof für sich – mittlerweile seit acht Jahren. Und das, obwohl er finanzielle Mittel hat und lieber ein Objekt kaufen will, statt es zu pachten. Der gelernte Landwirt besitzt die Nidwaldner Alp Trogmatt. Hier kümmert er sich aktuell um 25 Kühe und etwas Jungvieh von regionalen Bauern. «Meine Alp will ich behalten», sagt er zu BLICK. «Darum sollte mein zukünftiger Hof von hier innert 30 Minuten mit dem Auto zu erreichen sein.»

Dieses Kriterium erschwert seine Suche natürlich massiv. Barmettler schaltet seit drei Jahren Inserate im regionalen Anzeiger und lässt sich von der Kleinbauern-Vereinigung beraten. Der Verein hilft bei der Hofübergabe ausserhalb der Familie. «Es gab Offerten», sagt Barmettler. «Nur leider nicht in meiner Region.» Auch aktuell führe er Verhandlungen. Doch noch sei nichts unterschrieben.

Nicht jeder Hof geeignet

Zudem eignet sich nicht jeder Hof, um auf einen grünen Zweig zu kommen. «Ich suche einen Betrieb mit Wohnhaus», sagt der Nidwaldner und betont: «Etwa 70 Prozent vom dazugehörigen Land möchte ich mit der Maschine mähen können.» Er weiss, die Zeit drängt. Ein Kauf lohnt sich nur, wenn er in der Lage ist, die gemachten Schulden bis zur Pension abzuzahlen.

Bauernverbandspräsident Markus Ritter (53, CVP) kennt das Problem der ausserfamiliären Hofübergabe. «Diese ist sehr kapitalintensiv», sagt er zu BLICK. «Selbst innerhalb der Familie geht es oft nur, wenn die abtretende Generation einen Teil des Kaufpreises als Darlehen stehen lässt.» Lösungsansätze gäbe es in der neuen Agrarpolitik (AP 22+).

Ritter macht sich keine Illusionen

Ritter erklärt: «In der AP 22+ soll die Bewilligungspflicht der Belehnungsgrenze aufgehoben werden. So könnten sich Betriebe einfacher höher verschulden.» Das birgt natürlich Risiken. Deshalb betont Ritter: «Wir sehen diese Entwicklung nicht gerne.» Zudem sollen künftig weitere Partner bei einem Kauf investieren können. «Doch wer hat Interesse, in die Landwirtschaft zu investieren?», fragt Ritter.

Macht es also Sinn, wenn Quereinsteiger eine Bauernlehre machen? «Landwirt ist der schönste Beruf, den es gibt», sagt Ritter. «Allerdings ist es für Quereinsteiger mit wenig Eigenkapital schwierig, selber einen Betrieb zu übernehmen.» Es braucht also Lösungen, damit die Schweizer Landwirtschaft langfristig bestehen kann.

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