Auf einen Blick
- Vermisst-Anzeigen auf Smoothie-Flaschen sorgen für Aufsehen in Schweizer Supermärkten
- Fruchtsaft-Hersteller geht ungewöhnlichen Weg zur Suche nach Vermissten
- Coop und Migros bieten die auffälligen Fruchtsaft-Flaschen breit an
«Vermisst» steht auf den Fruchtsaftflaschen, gefolgt vom Hinweis: «Belohnung 50'000 €». Ausführlich werden darunter die Geschichten von Inga und Lars geschildert, die seit vielen Jahren spurlos verschwunden sind. Fotos zeigen das Mädchen und den jungen Mann.
Nach Inga suchen die Eltern seit neun Jahren. Im Alter von fünf Jahren ging die Tochter in Sachsen-Anhalt während eines Besuchs bei Freunden verloren. Die Spuren von Lars verloren sich im Juli 2014 am Flughafen von Varna in Bulgarien. Der damals 28-jährige Deutsche wurde seither nicht mehr gesehen.
Coop, Migros, Spar und andere Detailhändler konfrontieren ihre Kundschaft mit diesen Fällen. Sie verkaufen in der Schweiz die Smoothies der deutschen Firma True Fruits, die auf einem Teil ihrer Fruchtsäfte die Vermisst-Anzeigen platziert hat. Seit dem vergangenen November stehen die Flaschen in den Regalen, auch in deutschen und österreichischen Supermärkten.
Zufällige Suche
Die Kampagne irritiert insofern, als kein Bezug zur Schweiz ersichtlich ist, das Mädchen und der Mann schon jahrelang vermisst werden und nicht klar wird, was der hohen Belohnung zugrunde liegt. Umso mehr, als nicht die Polizei wie bei der bekannten TV-Sendung. «Aktenzeichen XY ... ungelöst» fahndet und sich gezielt an ein interessiertes Publikum richtet, sondern ein Fruchtsaftproduzent mit betroffenen Familien im Hintergrund Verschwundene sucht. Zufällig, in den Regalen von Supermärkten.
Die Firma True Fruits in Bonn erzielte 2023 nach eigenen Angaben einen Umsatz vom umgerechnet 70 Millionen Franken, sie verkauft ihre Säfte in Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich und der Schweiz.
Die Gesellschaft ist bekannt dafür, ihre Flaschen mit humorvollen und frechen Texten zu versehen.
«Ungewöhnlicher Weg»
Vor diesem Hintergrund erstaunen die Vermisst-Anzeigen erst recht. Fee Surges, Sprecherin von True Fruits, sagt dazu: «Wir sind kein gesichtsloses Unternehmen und kommunizieren so, wie wir es auch privat tun würden. Mal sind wir lustig, mal ernst.» Es sei ein persönliches Anliegen der Gründer, den Eltern der Vermissten eine Plattform zu geben, um nach ihren Kindern zu suchen. Surges hält fest, das sei zwar «ein ungewöhnlicher Weg, aber gerade deshalb kann er lösungsbringende Hinweise ergeben». Ob in den letzten Wochen solche eingegangen sind, gibt die Sprecherin nicht bekannt.
Coop-Sprecher Thomas Ditzler sagt auf Anfrage von SonntagsBlick, die Fruchtsäfte mit den Vermisst-Anzeigen würden in rund 500 Coop-Verkaufsstellen – das entspricht gut der Hälfte – angeboten. Man wolle eine grosse Vielfalt an Produkten führen und richte sich dabei nach den Bedürfnissen der Kundschaft. Dass die Fälle von im Ausland Verschwundenen ohne Bezug der Schweiz befremdend wirken können, lässt Ditzler unkommentiert: Er verweist für Fragen zu Absicht und Motiv der Kampagne an die Herstellerfirma.
Hersteller zuständig
Migros-Sprecherin Estelle Hain sagt, True-Fruits-Säfte würden breit, aber nicht in allen Verkaufsstellen geführt. Die Migros führe die Marke seit 2021 im Sortiment.
Was auf den Flaschen aufgedruckt sei, liege in der Zuständigkeit des Produzenten. «Die Art der Kampagnen auf den Flaschen bestimmt der Hersteller selbst», hält Hain fest. Er erhoffe sich mit den Vermisst-Anzeigen zu den Fällen aus Deutschland, auch aus der Schweiz und Österreich sachdienliche Hinweise zu erhalten, da die gesuchten Personen aus dem deutschsprachigen Raum stammten.» Hain betont: «Keineswegs besteht die Absicht, die Kundschaft zu irritieren.»