Die Aufnahmen von Blick-Leser Andreas G.* sind spektakulär: Die Seilbahn-Kabine fährt mitten durch die Tannen, Äste schleifen an den Scheiben entlang. Durch das Fenster sieht man, wie schräg unter der Kabine grosse Äste von der Ladung abgebrochen und weggedrückt werden.
Am Mittwochnachmittag lud der Maschinist zu viel Last unter die Kabine der Seilbahn von Laax GR auf den Crap Sogn Gion. Die Kabine hing anschliessend so tief, dass die Ladung zuerst Tannenkronen absäbelte und dann bei einer erhöhten Stelle den Boden pflügte. Neben einem Schock verletzte sich ein Mädchen leicht an einem Finger. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) untersucht den Zwischenfall.
Warum kein Stopp?
«Es war schnell klar, dass wir viel zu weit unten hängen», sagt der Passagier, der die Aufnahmen machte, zu Blick. Er kann nicht verstehen, warum der Gondelführer nicht bereits hier die Fahrt stoppte. Er sagt: «Die Kollision mit den Ästen fand bereits mehrere Hundert Meter vor dem Grounding statt.»
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Als die Ladung unter der Kabine schliesslich am Boden schleifte, zog der Fahrer die Notbremse. Zum anschliessenden Rückwärtsmanöver hat Passagier Andreas G. weitere Fragen: «Es kontrollierte anscheinend jemand von den Bahnen von unten die Ladung. Wir sahen ihn aber nicht. Dann fuhren wir rückwärts. Dabei schleifte die Ladung wieder eine weite Strecke über den Boden. Wie konnte man sich da sicher sein, dass es an der Befestigung keine Schäden gab?»
Fahrt über belebte Orte
Die Frage findet er relevant, weil die Kabine samt Ladung auf ihrem Rückweg ins Tal über eine stark befahrene Skipiste, über die Talstation einer anderen Seilbahn und über ein geöffnetes Restaurant fuhr. Die Ladung war gemäss seinen Schätzungen mehrere Tonnen schwer. «Wenn da eine der Kisten runter gedonnert wäre, hätte es Tote geben können», ist er überzeugt.
Diese Fragen hat ihm bis jetzt noch niemand beantwortet. Dass es am nächsten Tag für die Betroffenen eine Informationsveranstaltung gab, erfuhr er später aus dem Blick. Er sagt: «Als ich ausstieg, hat niemand nach meinen Daten gefragt.»
Weiterfahrt nach Vorfall
Der Angestellte der Bergbahn hatte dafür eine andere Mitteilung: «Wir hängen die Ladung ab, dann fahren wir gleich wieder hoch. Wer mitfahren will, soll bei der Kabine warten.» Auch das stiess beim Andreas G. sauer auf: «Wieso fährt man gleich wieder weiter nach so einem Zwischenfall? Der muss doch untersucht werden.»
Blick leitete die Fragen weiter an die Leitung der Bergbahnen. Markus Wolf (48), CEO der Weissen Arena, beantwortet die Fragen persönlich. Er sagt: «Wir haben leider tatsächlich nicht alle Fahrgäste erwischt, da einige sich direkt von der Gondel entfernten. Einige konnten wir über ihr Ticket ausfindig machen, andere leider nicht.»
Untersuchung läuft
Warum der Kabinenführer nach den Berührungen mit den Ästen nicht angehalten hatte, kann er noch nicht sagen. Wolf schreibt: «Es ist Teil der Untersuchung, weshalb der Kabinenführer bei der Überfahrt der Bäume nicht reagierte.»
Dafür sei aber die Rückfahrt kontrolliert verlaufen. Er sagt dazu: «Dass auf der Rückfahrt die gleichen Schwierigkeiten entstehen wie bei der Hinfahrt, versteht sich von selbst. Ein Mitarbeiter kontrollierte und sicherte die Rückfahrt im unteren Bereich, also dort, wo Pisten, Restaurant und Bäume überfahren werden, vom Boden aus.»
Auch habe nichts gegen die Weiterfahrt nach dem Zwischenfall gesprochen. «Nach dem Eintreffen der Gondel wurde ein Check auf allfällige Schäden vorgenommen und aufgrund der Tatsache, dass keine Schäden zu verzeichnen waren, die nächste Fahrt ohne Unterlast vorgenommen. Im Hinblick auf später geplante Unterlast-Transporte (ohne Passagiere) wurden nach dieser Fahrt weitere Checks vorgenommen.
*Name geändert.