Familienberaterin erklärt, was der Vertrauensbruch Kuckuckskindern macht
Zwischen Wut und Trauer – so geht es den Kuckuckskindern

Samuel Künzle ist ein Kuckuckskind. Nachdem sein Papa stirbt, erfährt er, dass ein anderer Mann sein leiblicher Vater ist – nämlich sein Götti. Familienberaterin Rike Weber erklärt, wie Betroffene damit umgehen können.
Publiziert: 24.05.2023 um 20:34 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2023 um 21:34 Uhr
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Samuel Künzle (32) weiss seit einem Jahr, dass er ein Kuckuckskind ist.
Foto: Philippe Rossier
Aurelia Schmidt

Alles war gelogen: Samuel Künzle (32) ist ein Kuckuckskind. Er hat sein ganzes Leben lang dem falschen Mann «Papa» gesagt. Denn in Wahrheit ist sein Götti sein leiblicher Vater.

Den Schock zu verdauen, ist nicht einfach. Das sagt auch Familienberaterin Rike Weber (37), die im Aargau eine Praxis hat. Sie erklärt, was im Inneren eines Kuckuckskindes vor sich geht. Sie sagt zu Blick: «In solchen Fällen ist vermutlich das Schlimmste, dass die engsten Verwandten nicht ehrlich waren.»

«Es ist wichtig, ein offenes Gespräch mit den Betroffenen zu führen»

Als Künzle die Wahrheit über seinen Erzeuger erfährt, bricht für ihn eine Welt zusammen. Damit ist er nicht der Einzige. Wie Kuckuckskinder mit der schockierenden Wahrheit umgehen, «ist sehr individuell», sagt Weber. «Es hängt davon ab, wie stabil und vertrauensvoll das Familienverhältnis war.»

Und: Es sei wichtig, ein offenes Gespräch mit den Betroffenen zu führen. «Es muss einen triftigen Grund für die Angehörigen gegeben haben, die Wahrheit verschweigen zu wollen. Ein Gespräch hilft, das Geschehene besser zu verstehen, was sich wiederum positiv auf die Verarbeitung auswirkt», so Weber. Tatsächlich hat seine Mutter am Anfang alles abgestritten.

Erst nachdem Künzle einen Vaterschaftstest angedroht hatte, rückte sie mit der Wahrheit heraus. Die Familienberaterin weiter: «In den meisten Fällen empfinden Patienten Wut oder Trauer, gerade gegenüber der Mutter, die diese wichtigen Informationen verschwiegen hat.»

«Ansonsten kann man sich an Freunde wenden»

Nach der schockierenden Nachricht kämpfen Betroffene damit, wieder Halt in ihrem Leben zu finden. Weber: «Wenn das Verhältnis zu den Angehörigen gut ist, kann vielleicht wieder neues Vertrauen aufgebaut werden. Ansonsten kann man sich an Freunde wenden.» Und: «Wenn das nicht reicht, können auch professionelle Beratungsstellen oder Psychotherapeuten helfen.»

Derweil verarbeitet Samuel Künzle sein Schicksal in den sozialen Medien. Er will seine Plattform nutzen, um andere Betroffene zu unterstützen und die Gesellschaft über das Thema Kuckuckskinder zu informieren.


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