«Meine Mutter hat zuerst alles abgestritten»
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Kuckuckskind Künzle:«Meine Mutter hat zuerst alles abgestritten»

Nach dem Tod seines «Papas» erfuhr Kuckuckskind Samuel Künzle (32) von einem dunklen Familiengeheimnis
«Mein Götti ist mein Vater»

Samuel Künzle hat nach einem Schicksalsschlag herausgefunden, dass sein Papa nicht sein biologischer Vater ist. Stattdessen ist sein Götti sein Erzeuger. Seine persönliche Tragödie nimmt der Ostschweizer nun zum Anlass, um andere Betroffene zu unterstützen.
Publiziert: 24.05.2023 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2023 um 22:34 Uhr
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Samuel Künzle weiss seit einem Jahr, dass er ein Kuckuckskind ist.
Foto: Philippe Rossier

Samuel Künzle ist angelogen worden. 31 Jahre lang. Erst der Tod seines Papas brachte Licht ins Dunkel. Heute weiss der Ostschweizer: «Ich bin ein Kuckuckskind.»

Der 18. März 2022 wird für ihn zum Schicksalstag. Samuels Papa geht seiner Leidenschaft nach: dem Paartanz. Auf der Tanzfläche bricht er zusammen und stirbt. Nachdem sich die ganze Familie noch im Tanzlokal von ihm verabschieden kann, kommt sein Leichnam in das Institut für Rechtsmedizin in St. Gallen. Dort soll die Todesursache festgestellt werden. Etwas später erweist sich dieser Umstand als Vorteil für Künzle.

Zweijährige Affäre

«Mein Grossvater meinte kurz darauf, der Verstorbene sei ja gar nicht mein leiblicher Vater und ob ich das wisse. Mein Erzeuger sei mein Götti», erinnert sich Künzle. Für ihn bricht eine Welt zusammen.

Künzle stellt seine Mutter zur Rede. «Zunächst stritt sie alles ab. Doch dann machte ich ihr klar, dass ich einen Vaterschaftstest veranlassen könnte. Der Leichnam meines Papas war ja noch in der Rechtsmedizin.» Stück für Stück rückt seine Mutter mit der Wahrheit heraus.

«Ich weiss, dass meine Mutter und mein Götti – der nicht verwandt mit der Familie war – während der Ehe meiner Eltern eine zweijährige Affäre hatten und dass ich ein geplantes Kind war. Anscheinend wollten die beiden zu einem späteren Zeitpunkt zusammenkommen», sagt Künzle. Doch daraus wird nichts: «Meine Mutter blieb zuerst bei meinem Papa und später heiratete sie meinen jetzigen Stiefvater.»

Positiver Vaterschaftstest

Aus Enttäuschung über die Hochzeit bricht der Götti den Kontakt mit der Familie ab. Da ist Künzle etwa zehn Jahre alt. Bis dahin sind sein Götti und er wie Pech und Schwefel: «Er war damals sehr präsent in meinem Leben. Er war sogar ein paar Stunden nach meiner Geburt zusammen mit meinen Eltern im Kreisssaal und auch bei meiner Erstkommunion war er anwesend.»

Nach dem Gespräch mit der Mutter sucht Künzle den Kontakt zu seinem Götti. «Da wir 20 Jahre keinen Kontakt hatten, war es schon sehr seltsam, ihn aus diesem Grund anzurufen. Ich war sogar überrascht, dass ich seine Nummer noch hatte und dass er dran ging.»

Nach einem Treffen stimmt der Götti einem Vaterschaftstest zu. Zwei Wochen später liegt das positive Ergebnis vor. «Wenn man das dann so schwarz auf weiss sieht, fährt das einem noch einmal ganz anders ein», sagt Künzle. Er informiert seinen Götti darüber, der seinen Brief noch nicht entgegennehmen konnte. «Es war schwierig, ihm zu sagen, dass er mein leiblicher Vater ist. Die Situation war ja so verwirrend. Wir haben uns auch nicht mehr richtig gekannt, nach all den Jahren Funkstille.»

Das ist ein Kuckuckskind

Als Kuckuckskinder werden Kinder bezeichnet, deren Papi nicht der biologische Vater ist. Die Mutter hat das Kind also mit einem anderen Mann gezeugt. Dabei lässt die Frau den Mann und meist auch das gesamte soziale Umfeld im Glauben, dass das Kind vom eigenen Mann ist.

Der Ausdruck ist abgeleitet vom Kuckucksvogel. Dieser legt seine Eier in fremde Nester und überlässt es anderen Vögeln, sein Kleines aufziehen. Das Kuckucksvogel-Baby gilt als anspruchsvolles Einzelkind – es entfernt sogar die Eier oder die Jungvögel seiner neuen Eltern aus dem Nest.

Umgangssprachlich wird der Ausdruck Kuckuckskind als Kritik gegenüber der Mutter genutzt, die einem Mann das Kind eines anderen unterschiebt. Betroffene Kinder können die Beschreibung als verletzend empfinden.

Kuckuck in fremdem Nest.
Wikimedia/vladlen666

Als Kuckuckskinder werden Kinder bezeichnet, deren Papi nicht der biologische Vater ist. Die Mutter hat das Kind also mit einem anderen Mann gezeugt. Dabei lässt die Frau den Mann und meist auch das gesamte soziale Umfeld im Glauben, dass das Kind vom eigenen Mann ist.

Der Ausdruck ist abgeleitet vom Kuckucksvogel. Dieser legt seine Eier in fremde Nester und überlässt es anderen Vögeln, sein Kleines aufziehen. Das Kuckucksvogel-Baby gilt als anspruchsvolles Einzelkind – es entfernt sogar die Eier oder die Jungvögel seiner neuen Eltern aus dem Nest.

Umgangssprachlich wird der Ausdruck Kuckuckskind als Kritik gegenüber der Mutter genutzt, die einem Mann das Kind eines anderen unterschiebt. Betroffene Kinder können die Beschreibung als verletzend empfinden.

Aufklärung über Social Media

Heute hat Künzle kaum Kontakt zu seinem Erzeuger: «Nachdem klar war, dass mein Götti mein Vater ist, hat er relativ zügig den Kontakt gemieden. Trotz vieler Kontaktversuche blockte er immer wieder ab.» Künzle versucht, weitere Familienmitglieder zu kontaktieren, wie etwa seinen leiblichen Grossvater – einen namhaften Immobilienunternehmer aus der Ostschweiz. «Als ich ihm am Telefon erzählt habe, dass ich sein Enkel bin, hat er lauthals gelacht», sagt Künzle. «Er meinte, auf dem Papier mag das schon stimmen und dass er sich bei mir melden werde. Bisher war das aber nicht der Fall.» Gemunkelt wird auch, dass Künzle eine Halbschwester hat. Doch die konnte er bisher nicht ausfindig machen.

Laut Künzle ist auch sein Erzeuger ein Kuckuckskind. «Er hat es selbst mit 18 Jahren von einem Fremden erfahren.» Der Immobilienunternehmer hat damals Künzles Götti als leibliches Kind anerkannt. Künzle steht die Vaterschaftsanerkennung kurz bevor.

Seine persönliche Tragödie nutzt Künzle nun, um andere Betroffene zu unterstützen und die Gesellschaft über das Thema Kuckuckskinder zu informieren. Dies macht er über Social Media, wo er unter dem Namen kuckuck_sam aktiv ist. Auch hat er die Webseite kuckuck-sam.ch errichtet, die am Montag online gegangen ist. «Ich kläre auf und unterstütze Menschen, denen es ähnlich wie mir geht. Es ist mir wichtig, dass die Menschen verstehen, dass sie auf mich zukommen können und ich ihnen fachliche wie auch mentale Unterstützung geben kann», sagt Künzle. «Ich merke, dass das Thema Kuckuckskind noch ein Tabu in der Gesellschaft ist, obwohl es so oft vorkommt.»

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