Es gibt tatsächlich nichts, was es nicht gibt. Der Fall des Bankräubers Boris K.* (42) war in jeder Hinsicht aussergewöhnlich. Welcher Kriminelle stellt dem Reporter schon sein Foto zur Verfügung und erlaubt einen Blick in seine Untersuchungsakten?
Zwischen 2003 und 2005 hatte Boris K. in Deutschland bereits 13 Geldinstitute überfallen. Unter anderem gab er Herzschmerz als Motiv an. Er habe wegen einer Liebschaft immense Telefonrechnungen gehabt, so K.
Der serbische Profiräuber war im Herbst 2013 schliesslich finanziell völlig abgebrannt. Nach seiner Festnahme klagte er, in Zürich schwarz auf dem Bau gearbeitet zu haben und um den Lohn geprellt worden zu sein. So sei ihm nichts anderes übriggeblieben, als einen weiteren Bankraub zu begehen.
Der Serbe wählte dafür eine Filiale der Zürcher Kantonalbank (ZKB) an der berüchtigten Langstrasse, mitten im Sündenpfuhl des Zürcher Kreis 4.
Die Zusammenfassung seiner Einvernahme erinnert an eine Slapstick-Komödie:
Staatsanwalt: Wie kam es zum Überfall?
Boris K.: Ich habe in der Nähe der ZKB gewohnt und gesehen, dass immer die gleichen Frauen herumgelaufen sind. Ich habe sie an ihren Uniformen erkannt. Dunkelblau mit weisser Bluse.
Weiter!
Mit der Zeit stieg der Frust, weil ich kein Geld hatte. Ich habe den Gedanken gehabt, die Bank zu überfallen. Ich dachte so an 50'000 Franken. Eine der Damen öffnete die erste Tür. Ich ging ihr nach. Ich habe dann die Pistole gezogen, die nicht geladen war, Sonnenbrille und Kapuze aufgesetzt.
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Was geschah dann?
Die Frauen waren sehr erschrocken. Ich habe versucht, ihnen klarzumachen, dass ihnen nichts passiert, dass ich nur dieses blöde Geld haben will. Es dauerte eine Ewigkeit, bis es «ausbezahlt» war. Ich fragte, wie viel Geld in den Automaten sei. Eine Frau sagte 1,5 Mio. Ich sagte gut.
Weiter!
Ich gab ihnen mitgebrachte, schwarze Müllsäcke, um das Geld hineinzulegen.
Es scheint, dass Sie grosse Beute machen wollten?
Nein. Ich wollte Kleider wegwerfen. Ich trug zwei Hosen übereinander.
Was geschah weiter?
Die Säcke waren sehr schwer, ich befürchtete, dass sie platzen.
(Nachdem der Räuber die Frauen eingeschlossen hatte, verliess er mit sage und schreibe rund 2,5 Millionen Franken die ZKB.)
Und was taten Sie dann?
Wenn man die Säcke gegen das Licht hielt, sah man das Geld. Ich hatte ein wenig Panik. Ich lief die Langstrasse hoch. In einem Café trank ich einen Espresso und ging auf die Toilette.
Und das Geld liessen Sie unter dem Tisch?
Ja. Ich dachte zuerst, ich mache den Überfall und gehe in meine Wohnung. Doch das ging jetzt nicht mehr.
Wieso nicht?
Was soll ich der Frau (seiner Zimmerwirtin) sagen, wenn ich mit Säcken voll Geld ankomme? Ich habe die Kellnerin gebeten, ein Taxi zu rufen. Der Fahrer nahm den einen Sack, ich den andern. Ich musste mir unbedingt eine Tasche (für das Geld) kaufen.
Was kostete die Fahrt?
Keine Ahnung. Ich habe einfach Geld aus dem Müllsack genommen.
(Nachdem Boris K. einen Koffer gekauft hatte, fuhr er mit der Bahn nach Serbien. Dort verbrachte er nach eigenen Angaben wegen des Raub-Stresses einen viertägigen Kuraufenthalt.)
Was machten sie dort?
Ich verfiel in Depressionen und fing wieder mit Spielen in einem Casino in Belgrad an.
Haben Sie gewonnen oder verloren?
Den Grossteil verloren. Einen kleinen Rest habe ich einem Freund zum Aufbewahren gegeben. Wem, sage ich nicht.
Boris K. flog auf, weil er seine DNA an einem anderen Tatort zurückgelassen hatte. Er hatte auch versucht, eine Zürcher CS-Filiale zu überfallen. Im Februar 2014 wurde er in Kroatien verhaftet, nach Zürich ausgeliefert und zu sechs Jahren Knast verurteilt.
*Name geändert