Der amtierende US-Präsident Donald Trump kann die Wahlen gewinnen. Er hat sie aber noch nicht gewonnen, auch wenn er das fälschlicherweise bereits in einer Rede so verkündet hat (BLICK berichtete).
Trump ignoriert, dass es in umkämpften Bundesstaaten wie Wisconsin, Pennsylvania, Michigan oder auch Georgia noch Tausende Wahlzettel gibt, die noch nicht ausgezählt sind. Es sind die Stimmen von Menschen, die brieflich abgestimmt haben. Von Wählern, die im Ausland leben oder die zum Beispiel für die US-Army irgendwo auf der Welt stationiert sind.
«Wenn es sein muss bis zum Supreme Court»
Alles deutet darauf hin, dass diese Voten das Zünglein an der Waage sein werden. In seiner verfrühten Siegesrede in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) wollte Trump von diesen Stimmen aber am liebsten gar nichts mehr wissen. Die Verzögerungen bei den Auszählungen seien schlicht «Betrug». Dann setzt der Präsident noch einen obendrauf: «Ich will, dass die Auszählung jetzt gestoppt wird. Es dürfen jetzt keine Stimmen mehr hinzukommen. Wenn es sein muss, gehen wir dafür bis zum Supreme Court.»
Es ist eine Drohung, die unter den Experten in den USA viele fragende Gesichter zurücklässt. Denn es ist schlicht unklar, womit genau Trump zum Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten gehen will.
Klar ist: Die generelle Stimmenauszählung an sich kann er dort nicht einklagen oder stoppen. Trump müsste konkrete Vergehen vorweisen und Anhaltspunkte liefern. Andeutungen dieser Art machte der US-Präsident bereits in seiner Rede. Dort sagte er vorwurfsvoll: «Wir wollen nicht, dass da plötzlich noch irgendwelche Stimmzettel auftauchen.» Beweise, dass so etwas in dieser Art passiert ist, gibt es indes keine.
Wäre das Oberste Gericht überhaupt zuständig?
Bereits im Vorfeld der US-Wahlen hielt der Rechtsexperte Niels Petersen von der Universität Münster gegenüber dem Fachmagazin «Legal Tribune Online» ein Szenario mit Klagen gegen die Auszählung für möglich: «Sowohl Trump als auch Biden müssen sich allerdings zunächst an die Gerichte des jeweiligen Bundesstaates wenden. Gegen deren Entscheidung kann dann auch der US Supreme Court angerufen werden.», so der Professor. Selbst in diesem Fall wäre aber nicht restlos klar, ob die dortigen Richter wirklich zuständig sind.
Im Jahr 2000 hatte sich der Supreme Court dafür zuständig erklärt, die Entscheidung der Justiz in Florida zu überprüfen. Diese hatten im Nachgang der damaligen US-Wahlen veranlasst, die Stimmen für die Kandidaten George W. Bush und Al Gore wegen eines extrem knappen Resultats nicht nochmals auszählen zu lassen. Der Supreme Court stoppte dann die neue Auszählung, stellte aber auch klar, dass dies kein Präzedenzfall gewesen sei und bei jedem neuen Fall wieder neu beurteilt werden müsse.