Nach dem Überschreiten der Marke von 200'000 Toten in der Corona-Pandemie in den USA hat US-Präsident Donald Trump (74) erneut China für die Ausbreitung des Virus verantwortlich gemacht. «Die Chinesen hätten es an ihrer Grenze stoppen sollen, sie hätten niemals zulassen dürfen, dass es sich über die ganze Welt ausbreitet», sagte Trump am Dienstagabend (Ortszeit) im Weissen Haus.
Die 200'000 Toten seien «schrecklich». Aus seiner Sicht haben die USA trotzdem alles richtig gemacht. Ohne das Krisenmanagement seiner Regierung hätten die USA aber «zwei Millionen, zweieinhalb Millionen und drei Millionen» Tote zu beklagen.
Vorwürfe vor UN-Vollversammlung
«Wir haben Millionen Leben gerettet», sagte Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Pittsburgh im Bundesstaat Pennsylvania. «Sie haben die Seuche herausgelassen», fügte der Präsident mit Blick auf China hinzu. «Es ist das China-Virus, nicht das Coronavirus. Corona klingt nach einem Ort in Italien, einem schönen Ort. Es ist Corona. Nein, es ist das China-Virus, sie wollen es nicht sagen, wisst Ihr, die radikalen Linken, sie wollen es nicht sagen.»
Am Dienstagmorgen hatte Trump bereits bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen schwere Vorwürfe gegen China erhoben. «Wir müssen die Nation zur Rechenschaft ziehen, die diese Seuche auf die Welt losgelassen hat – China», sagte Trump in seiner Videobotschaft für die Uno-Vollversammlung.
Kritiker werfen ihm Ablenkung von eigenem Versagen vor
Die Zahl der Toten in den USA seit Beginn der Corona-Pandemie war am Dienstag nach Daten der Universität Johns Hopkins in Baltimore auf mehr als 200'000 gestiegen. Die Schwelle von 150'000 Opfern war Ende Juli erreicht worden. Mehr als 6,8 Millionen Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 sind seit Beginn der Pandemie in den USA bestätigt worden. Kritiker werfen dem Republikaner Trump vor, mit seinen eskalierenden Angriffen auf China vor der Wahl am 3. November vom eigenen Versagen im Kampf gegen die Pandemie ablenken zu wollen.
Trumps Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl, der Demokrat Joe Biden (77), sagte: «Wir brauchen einen Präsidenten, der sich dem Problem ehrlich stellt und führt. Dieser Präsident hat bewiesen, dass er beides nicht kann.» Biden kritisierte auch eine Aussage Trumps bei einer Wahlkampfveranstaltung am Montagabend in Ohio, bei der der Präsident mit Blick auf das Virus und auf junge Menschen gesagt hatte: «Es betrifft praktisch niemanden.»
«Mein Gegner ist gegen Öl, Gewehre und Gott.»
Über Biden sagte Trump in Pittsburgh, er selbst habe in den 47 Monaten als Präsident mehr erreicht als Biden in seinen 47 Jahren als Senator von Delaware und Vize unter Barack Obama. «Ich denke nicht, er sei ein radikaler Linker, aber im Grunde wird er kontrolliert von denen», sagte Trump. «Ich bin voll für Fracking», so Trump zu seinen Anhängern. «Mein Gegner ist gegen Öl, Gewehre und Gott.»
Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, warf Trump «tödliche Desinformation und Nachlässigkeit» vor. Dass so viele Menschen gestorben seien, sei umso herzzerreissender, weil es nicht so hätte kommen müssen. «Die Geringschätzung des Präsidenten für Wissenschaft, Regierungsführung und die Gesundheit des amerikanischen Volkes hat zu einer historischen nationalen Tragödie geführt», erklärte Pelosi.
«Für perfekten Telefonanruf impeacht»
Vor seinen Anhängern sprach Trump von «Crazy Nancy». Man wolle ihn schon wieder impeachen, sagte Trump. Der Grund sei, dass man die Ernennung der neuen Richterin am Obersten Gericht verzögern wolle. «Ich wurde für einen perfekten Telefonanruf impeacht», sagte Trump mit Blick auf das gescheiterte Amtsenthebungsverfahren im Zusammenhang mit der Ukraine-Affäre.
Die Corona-Opferzahl in den USA, einem Land mit 330 Millionen Einwohnern, ist weltweit die bislang höchste in absoluten Zahlen. An zweiter Stelle steht derzeit Brasilien mit mehr als 137'000 Toten, gefolgt von Indien mit rund 89'000 Opfern. Relativ zur Einwohnerzahl hingegen ist die Zahl der Opfer unter anderem in Peru, Belgien, und Spanien höher als in den USA. In Peru etwa starben Johns Hopkins zufolge rund 98 Menschen pro 100'000 Einwohner, in Belgien 87, in Spanien 65. In den USA sind es bislang 61 Menschen pro 100'000 Einwohner, vergleichbar mit Italien (59).
Täglich rund 40'000 Neuinfektionen
Der Erreger Sars-CoV-2 kann die Erkrankung Covid-19 auslösen, die vor allem für ältere oder immungeschwächte Menschen lebensgefährlich sein kann. Die Corona-Neuinfektionen pro Tag bewegen sich in den USA weiter auf hohem Niveau. Derzeit werden täglich rund 40'000 bestätigte Neuinfektionen gemeldet – mal mehr, mal weniger. Experten zufolge müsste diese Zahl unter 10'000 gebracht werden, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen.
Die Präsidentenwahl dürfte angesichts der verheerenden Bilanz auch zur Abstimmung über den Kampf gegen die Pandemie werden. Mehrere Umfragen haben gezeigt, dass die meisten Wähler dem früheren Vizepräsidenten Biden eher als Trump zutrauen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Biden liegt auch in landesweiten Umfragen seit Monaten vor Trump. Bis zum Wahltag kann sich aber noch vieles ändern – und landesweite Umfragen sind wegen des komplexen Wahlsystems nur begrenzt aussagekräftig. (SDA/noo)
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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