Er lebt ein gutes Leben, hat ein Haus, einen Pool und jeden Tag Sonne. Das Meer ist nur 100 Meter entfernt. So gut geht es Richard Oschwald (74) nur, weil er in den Senegal auswanderte. «In der Schweiz wäre ich eine arme Maus, müsste in einer kleinen Wohnung leben und jeden Rappen umdrehen», erzählt der 74-Jährige. Denn: Er lebt mit nur 1915 Franken im Monat. Damit kommt er im westafrikanischen Staat gut über die Runden. «Ich lebe hier nicht als reicher Mann. Aber es geht mir gut. Auch das Wetter ist grandios.»
Richard Oschwald war früher Spitzenkoch. Im Waadtland machte er die Lehre, kochte in Montreux für die Stars. «Für Charlie Chaplin habe ich bestimmt 300 Mal gekocht. Auch Michel Simon gehörte zu meinen Freunden.»
In seinem Berufsleben führte Oschwald mehrere Restaurants im Welschen, gewann grosse Kochwettbewerbe. «In den 80ern führte ich gleichzeitig drei Restaurants und hatte 25 Angestellte. Heute frage ich mich, wie ich das alles schaffte.» Zuletzt besass er ein Hotel im Berner Jura und ein Restaurant in Neuenburg. Dann kam in den 90er-Jahren der Autounfall, der alles veränderte.
Keine zweite Säule, nur AHV
«Ich brach mir zweimal den Rücken, verlor alles und lebte fortan mit einer kleinen Rente. Weil ich als Selbstständiger keine Pensionskasse hatte, habe ich heute nur noch die AHV.»
Diese Lebensumstände brachten Richard Oschwald dazu, nach Südfrankreich auszuwandern. «Das warme Klima war zudem besser für meinen Rücken. In der Schweiz schmerzen mich alle Knochen, sobald es kalt und regnerisch wird.» Seine Frau, die er in Frankreich kennenlernte, ist Senegalesin. Im Jahr 2000 reiste Oschwald mit ihr zum ersten Mal nach Dakar. Dem Paar gefiel es so gut, dass sie begannen, im Senegal ein Haus zu bauen. 2005 wanderten sie definitiv aus.
«Hier ist alles zehnmal billiger als in der Schweiz. Zum Glück hatte ich noch etwas Geld von der Unfall-Versicherung und aus einer Lebensversicherung – das steckt nun in meinem Haus im Senegal.» Leider entschied sich seine Frau nach einem Jahr aber zur Rückkehr nach Südfrankreich.
Einsamkeit nagte an ihm
«Das war schon etwas hart. Ich war ja erst kurz dort und hatte noch kaum Freunde. Als Mensch, der immer von vielen anderen umgeben war, nagte die Einsamkeit sehr an mir.» Doch dann lernte Oschwald langsam Leute kennen – auch, weil er noch drei Ferienwohnungen vermietete. «Es kamen zum Beispiel Schweizer Touristen und Freunde zu mir in die Ferien. Zudem hat es in meinem Quartier noch andere Auswanderer. Mit der Zeit knüpfte ich wieder Kontakte. Heute habe ich hier einen Freundeskreis.»
In die Schweiz reist er ein- bis zweimal pro Jahr, um seine erwachsenen Kinder zu besuchen. «Sie sind ja schon zwischen 45 und 55 Jahre alt, die brauchen mich zum Glück nicht mehr so sehr, wie wenn sie noch jünger wären. Auch haben wir viel per Whatsapp Kontakt. Es stimmt so.»
«Heute bin ich glücklich»
Ihm fehlen nur Fondue, Cervelat oder Schüblig. «Wenn mich jemand aus der Schweiz besuchen kommt, bestelle ich das bei ihnen», sagt Oschwald. Die Mentalität der Senegalesen sei aber schon anders. «Und es ist ein muslimisches Land, es wird also fünf Mal am Tag über die Lautsprecher gebetet. Aber man gewöhnt sich an alles.»
Rückblickend bereut er nichts. «Man hat mir als Kind schon beigebracht, nach vorne zu blicken. Der Fall war zwar grausam, aber das Ausland hat mich gerettet. Heute bin ich glücklich.»
Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer wandern aus. Die Beweggründe sind sehr unterschiedlich und reichen von der Liebe für das jeweilige Land bis zu finanziellen Gründen im Alter. Auf einen Aufruf meldeten sich zahlreiche Auswanderer bei BLICK. In einer losen Serie porträtieren wir nun einige von ihnen und erzählen ihre Erlebnisse.
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