Netanyahus Aufruf zwingt Israel in den zweiten Lockdown
Nach «Trinkt Bier, habt Spass» kehrte Corona zurück

Seit heute Freitag herrscht in Israel der zweite Lockdown. BLICK erklärt, warum das vor kurzem noch als «Corona-Wunderland» gelobte Land wieder ins Elend zurückfällt.
Publiziert: 18.09.2020 um 18:04 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 19:55 Uhr
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Spreader-Ort Klagemauer: Der Gebetsort muss regelmässig desinfiziert werden.
Foto: AFP
Guido Felder

Israel ist das erste Land, das ab heute mit einem zweiten Lockdown Ernst macht. Was ist im Land, das eben noch als Corona-Wunderland gefeiert wurde, falsch gelaufen?

Stühle symbolisieren Corona-Opfer
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Trauer-Aktion in Tel Aviv:Stühle symbolisieren Corona-Opfer

Am Anfang machten die Israeli alles richtig, wie die Kurve der Neuansteckungen zeigt. Schon Anfang März wurden Einreisesperren für Personen aus gewissen Ländern verhängt – Schweizer, zum Beispiel, mussten zwei Wochen in Quarantäne. Am 11. März, also fast eine Woche, bevor die Schweiz am 16. März in den Lockdown fuhr, wurden Schulen geschlossen und Grossveranstaltungen verboten.

Geheimdienst kontrollierte Umsetzung

Der eigentliche Lockdown begann in Israel am 18. März. Die Einhaltung der Massnahmen wurde streng kontrolliert, wer gegen die Quarantäne-Auflagen verstiess, musste mit bis zu sieben Jahren Gefängnis rechnen. Sogar der Inland-Geheimdienst Schin Bet wurde aufgeboten, um fehlbare Personen aufzuspüren.

Im Mai schien Israel den Kampf gegen Corona gewonnen zu haben. Mit nur noch 16 neuen Fällen pro Tag wurde es als das «Corona-Wunderland» gelobt. Nach schrittweisen Lockerungen des Lockdowns ab 26. April rief Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (70) am 26. Mai schliesslich die Israeli auf, in den Alltag zurückzukehren. In bester Laune sagte er in einer Videobotschaft: «Trinkt Kaffee, trinkt Bier, habt Spass!»

Das war die Wende. Die Israeli waren schnell wieder in Partylaune, hielten sich bei Temperaturen bis zu 42 Grad auch nicht mehr strikt ans Maskenobligatorium. Die Fallzahlen begannen wieder anzusteigen.

Partys ohne Masken

Netanyahu bereute seine Aussage wohl einen Monat später. Denn Ende Juni schlug er Alarm: «Wenn wir unser Verhalten nicht sofort ändern und anfangen, Masken zu tragen und Abstand zu halten, kehrt der Lockdown zurück. Keiner will das.»

Aber auch als in Israel die Zahlen Anfang September über 3000 täglich stiegen, ging die Party weiter. Feiern von Jugendlichen, Hochzeiten von Ultra-Orthodoxen und Arabern: Zu Hunderten trafen sie sich, sehr viele ohne Masken.

Über 6000 neue Fälle an einem Tag

Am vergangenen Mittwoch überstieg die Fallzahl innert 24 Stunden bei einer Positivitätsrate von 11,5 Prozent die 6000er-Grenze. Im Vergleich: In der Schweiz gab es am Freitag bei einer Positivitätsrate von 3,5 Prozent 488 neue Fälle.

Um die Verbreitung von Covid-19 zu stoppen, wird Israel daher in einen zweiten Lockdown gefahren. Seit Freitag, 14 Uhr, gelten wieder Massnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und Schul- und Ladenschliessungen. Sie sollen mindestens drei Wochen dauern.

Am Freitag beginnt das dreitägige jüdische Neujahrsfest. Mit Yom Kippur und dem Laubhüttenfest folgen in den nächsten zwei Wochen eine Reihe von Feiertagen, an denen die Familien traditionell zusammenkommen.

Für die Israeli wird der zweite Lockdown daher alles andere als einfach. Aber wenn sie sich nicht an die Regeln halten, könnten die beliebten Feste zu Super-Spreading-Anlässen werden.

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