Ausgangsbeschränkungen, Masken-Vorschriften, Überwachung durch den Geheimdienst. Nach kurzer Entspannung steigt die Zahl der Corona-Neuansteckungen in manchen Weltregionen wieder. Viele Behörden reagieren darauf erneut mit einschneidenden Massnahmen. Auch in der Schweiz.
Der Bund hat die Entscheidungsgewalt über einzelne Massnahmen an die Kantone abgetreten. Verschiedentlich wurden seither bereits Restriktionen erlassen.
Kantone der Nordwestschweiz und Tessin
Fünf Kantone haben ihre Zutrittsmassnahmen für Klubs verschärft. In Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Solothurn und Aargau beträgt die Maximalzahl von Gästen in Ausgehlokalen ab Donnerstagabend neu 100 statt 300. Die Rückverfolgung soll mit dieser Massnahme entlastet, das Ansteckungsrisiko vermindert werden. Die Maximalzahl von Gästen in Tessiner Klubs wurde bereits letzte Woche auf 100 heruntergesetzt.
Kanton Jura
Im Kanton Jura müssen beim Einkaufen seit Montag Schutzmasken getragen werden. Dies hat die Kantonsregierung letzte Woche angesichts einer Zunahme der Neuinfektionen beschlossen. Das Maskenobligatorium gilt vorerst für zwei Monate. Auch Kinder ab 12 Jahren müssen sich daran halten.
Kanton Waadt
Auch der Kanton Waadt kennt seit Mittwoch eine Maskentragpflicht in Geschäften. Allerdings nur dort, wo sich mehr als zehn Personen gleichzeitig aufhalten.
Spanien
Im Ausland werden teilweise weit strengere Massnahmen ergriffen. Nach dem landesweit geltenden Dekret der Zentralregierung in Spanien gibt es eine Maskenpflicht im Freien eigentlich nur dann, wenn ein Abstand von mindestens eineinhalb Metern nicht eingehalten werden kann. Nach einer Zunahme der Infektionsfälle führt die Urlaubsregion Katalonien nun jedoch eine generelle Maskenpflicht ein, die auch im Freien praktisch überall und immer gelten soll.
Die Neuausbrüche bereiten vor allem in der Region Segrià Sorgen: Der Landkreis mit der Hauptstadt Lleida wurde am Samstag für zwei Wochen abgeriegelt. Rund 210'000 Menschen sind betroffen.
Bis Freitag ist zudem noch eine fünftägige Abriegelung des Bezirks La Mariña in der Region Galicien in Kraft. Auch die Baleareninseln werden wieder strenger. Dort wird eine äusserst strikte Maskenpflicht eingeführt. Auf Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera werden alle Menschen in der Öffentlichkeit selbst dann Mund- und Nasenschutz tragen müssen, wenn der Sicherheitsabstand gewahrt werden kann.
Portugal
Das Coronavirus setzt auch Portugal wieder zunehmend unter Druck. Wegen der hohen Ansteckungsrate in einigen Gemeinden sollen die Bürger dort seit Anfang Juli nur zum Einkaufen, zum Arbeiten und für Arztbesuche aus dem Haus. Regierungschef António Costa erklärt die Erfüllung der Ausgangssperre zur «bürgerlichen Pflicht».
Wegen der Entwicklung ist auch unklar, ob die verbleibenden Spiele der Champions League tatsächlich wie ursprünglich geplant im August in Portugal stattfinden können.
Serbien
In Serbien stecken sich seit gut zwei Wochen wieder um die 300 Menschen pro Tag nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 an. Besonders die Hauptstadt Belgrad hat sich zu einem Corona-Hotspot entwickelt. Präsident Aleksandar Vucic kündigte deshalb eine erneute Ausgangssperre für Freitag bis Montag an. Angesichts gewaltsamer Proteste gegen die Massnahme krebste der Präsident jedoch zurück. Anstelle der Ausgangssperre sollten alternative Schritte gegen die Ausbreitung des Virus in Kraft gesetzt werden. Trotzdem kam es auch in der Nacht auf Donnerstag wieder zu Ausschreitungen. Nicht nur in Belgrad, sondern auch in den Städten Novi Sad und Nis.
Australien
Die australische Millionen-Metropole Melbourne geht wegen eines starken Anstiegs der Infektionen sogar erneut in einen Lockdown – und zwar gleich für sechs Wochen. Die zweitgrösste Stadt Australiens öffnete erst vor einigen Wochen langsam wieder die Wirtschaft. Nun treten wieder strikte Ausgangssperren in Kraft: Bürger dürfen das Haus nicht mehr verlassen, ausser zum Einkaufen von Lebensmitteln, zu Arzt- und Pflegebesuchen, zur Ausübung körperlicher Fitness oder um zum Arbeiten. Gäste dürfen zu Hause nicht empfangen werden.
Der regionale Regierungschef Daniel Andrews warnt: «Wir müssen realistisch über die Umstände, mit denen wir konfrontiert sind, sein.» Die Frustration habe scheinbar zu einer gewissen Nachlässigkeit geführt. «Ich denke, jeder von uns weiss, dass wir keine andere Wahl haben als diese sehr, sehr schwierigen Schritte zu ergreifen.»
Israel
In Israel vermelden die Gesundheitsbehörden diese Woche so hohe Ansteckungsraten wie noch nie. Nach einem möglichen Kontakt mit einem Corona-Infizierten hat sich Verteidigungsminister Benny Gantz vorsorglich in Quarantäne begeben, wie am Mittwoch bekannt wurde. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu steht für sein Krisenmanagement zunehmend in der Kritik. Ihm werden vorschnelle Lockerungen und eine mangelnde Vorbereitung auf die zu erwartende zweite Welle vorgehalten. Die Regierung hat inzwischen nachgesteuert und wieder Einschränkungen eingeführt.
Der Inlandsgeheimdienst Schin Bet überwacht in Israel die Handy- und Kreditkartendaten der etwa neun Millionen Einwohner und gleicht sie mit den Bewegungsdaten von Corona-Infizierten ab. Ein entsprechendes Programm wurde vor wenigen Tagen wieder in Kraft gesetzt. Im Gegensatz zur Corona-Warn-App in der Schweiz basiert es nicht auf der freiwilligen Nutzung mit anonymisierten Daten. Im Gegenteil! Die Technologie wird sonst zur Terrorbekämpfung eingesetzt. Nun werden mit ihrer Hilfe Bewegungsprofile erstellt, um zu sehen, mit wem Erkrankte zuletzt in Kontakt waren. Der Staat verschafft sich also direkten Zugang zum Handy. Diese Menschen werden dann per SMS gewarnt und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben. Medienberichten zufolge häuften sich zuletzt Beschwerden über fehlerhafte Überwachungen. Dass der Geheimdienst für die Gesundheitsbehörden aktiv wird, sorgt für heftige Kritik. Netanyahu verteidigt die Strategie: «Von den digitalen Technologien, die uns zur Verfügung stehen, haben wir bisher im Kampf gegen den Terror Gebrauch gemacht. Aber wir haben keine andere Wahl, denn wir befinden uns in einem Krieg, der uns zwingt, andere Mittel zu nutzen.» Israelis wehren sich gegen die Dauerüberwachung, indem sie etwa eine spezielle, mit Drahtgitter ausgekleidete Handyhülle verwenden, um die Dauerüberwachung zu verunmöglichen.