Minneapolis gleicht einem Kriegsgebiet: Flammen erhellen den Nachthimmel. Die Augen brennen von Tränengas und schwarzem Rauch. Jeder Atemzug fällt schwer. Am Boden verstreut liegen Gummigeschosse, abgefeuert von Polizei und Nationalgarde. Drei Nächte in Folge herrscht Anarchie auf den Strassen von Minneapolis: Läden werden zerstört und geplündert, ein Polizeiposten in Brand gesetzt. In der Nacht auf Sonntag stehen 10'000 US-Soldaten zusammen mit der Polizei im Einsatz, doch auch sie können die Lage nicht unter Kontrolle bringen.
Die Proteste ausgelöst hat die Tötung von George Floyd (†46). Der Afroamerikaner wurde vom weissen Polizisten Derek Chauvin (44) am Montag in Minneapolis knapp neun Minuten lang zu Boden gedrückt – das Knie legte der mittlerweile festgenommene Beamte auf den Hals seines Opfers. «Ich bekomme keine Luft», röchelte Floyd mehrmals. Ein Satz, der zu einer Art Schlachtruf für die Proteste diese Woche wurde.
Immer mehr Menschen gehen auf die Strasse – Schwarze und Weisse, Seite an Seite, fordern Gerechtigkeit. Denn die Polizeigewalt gegen Schwarze ist in den USA seit Jahrzehnten ein Thema. Statistisch ist sie erwiesen, doch viele Taten bleiben ungesühnt. Doch immer wieder lösen Einzelfälle, oft dokumentiert durch Videoaufnahmen wie im Fall von George Floyd, grenzenlose Entrüstung aus. So heftig waren der Aufschrei im Land und die nachfolgenden Proteste aber schon seit Jahren nicht mehr.
Links- und rechtsextreme Krawallmacher
Was am Tag meist friedliche Demonstrationen sind, endet in der Nacht immer in exzessiver Gewalt. Die Behörden rätselten tagelang, warum die Proteste immer nach Sonnenuntergang derart eskalieren. «Es mischen sich Extremisten unter die Demonstranten», erklärte Tim Walz (56), Gouverneur des Bundesstaates Minnesota, nun am Samstag. Es seien politisch rechte und linke Gruppierungen, die aus anderen Bundesstaaten in die Stadt Minneapolis gekommen sind. Groben Schätzungen zufolge trifft dies laut Walz auf 80 Prozent der Krawallwacher zu.
«Sie interessieren sich nicht für Floyds Tod oder euer Anliegen», sagte der Gouverneur am Samstag an die Demonstranten gerichtet. «Diese Menschen wollen die Zivilgesellschaft angreifen, uns Angst einflössen und unsere Städte zerstören.» Auch BLICK traf auf den Strassen von Minneapolis am Freitagabend einen weissen Mann an, den der Tod von George Floyd herzlich wenig berührte. «Ich will den Polizisten einfach eins auf die Schnauze geben. Die haben es verdient», sagte er.
Ansonsten aber ist die Meinung unter den Protestlern klar: Wir wollen demonstrieren, aber friedlich. «Wir sind alle wütend. Aber das, was in den vergangenen Nächten geschehen ist, kann ich nicht gutheissen. Das sind nicht wir», sagt die 22-jährige Chioma. «Mit Plünderungen und Bränden schaden wir unbeteiligten Menschen», so Davis. Er möchte aber nicht weiter über die Krawalle sprechen. «Vergessen wir nicht den Grund, warum wir hier sind. Weil man im Jahr 2020 als schwarzer Junge in Amerika immer noch täglich um sein Leben fürchten muss.»