Bei über 80 Prozent der Infizierten zeigt das Virus keine oder nur leichte Grippe-Symptome. Gefährlich ist es vor allem für Betagte, die bereits durch andere schwere Krankheiten geschwächt sind. So die Statistik zum Coronavirus bisher. Beruhigend, sollte man meinen – gäbe es da nicht Italiens «Patient 1».
Mattia M.* (38) ist nämlich alles andere als ein Risikokandidat. Der Forscher bei Unilever ist im besten Alter. Über 1,80 Meter gross und 90 Kilo schwer. Er strotzt vor Kraft, ist Marathonläufer und spielt leidenschaftlich gern Fussball. Er schwimmt und fährt gern Velo. Dennoch stellen Experten fest: Keinen der bisherigen Corona-Patienten in Italien hat das Virus so erbarmungslos getroffen wie ihn.
«Patient 1» wird künstlich beatmet
Zehn Tage nach der Corona-Diagnose liegt Mattia M. noch immer auf der Intensivstation. Er wurde ins künstliche Koma versetzt, hängt an der Beatmungsmaschine. Im Polytechnikum San Matteo in Pavia (I) kämpfen 30 Ärzte, Pfleger und Virusspezialisten Tag und Nacht um das Leben des jungen Italieners. «Mattia darf nicht sterben», sagt Raffaele Bruno, Chef der Abteilung für Infektiöse Krankheiten des Spitals, zu «La Repubblica».
Man versuche alles, so der kalabrische Facharzt. «Das Problem ist», sagt Raffaele Bruno, «dass man die Entwicklung der Infektion nicht vorhersehen kann.» Während viele Corona-Infizierte bereits genesen seien, bleibe Mattias Zustand unverändert. «Wir testen zur Zeit einen Cocktail mit Pharmaka, die gegen Aids, Hepatitis C und Ebola eingesetzt wurden, um das Wachstum des Virus zu stoppen», so Bruno weiter. In China und Südkorea sei die Behandlung bereits erfolgreich.
Auch schwangere Ehefrau ist infiziert
«Sein Zustand ist schlimm. Er wurde intubiert. Wir haben ihn besuchen dürfen. Doch es wäre besser gewesen, ihn nicht so zu sehen», sagen Mattias Eltern zu «Fanpage.it». Sie wurden von Mattia angesteckt, zeigen bislang aber keine Symptome. Mattias Ehefrau Valentina S.* (36), im achten Monat schwanger, trägt ebenfalls das Virus in sich und liegt im Mailänder Spital Del Sacco. Ihr Zustand ist nicht kritisch.
«Patient 1» steht symbolisch für den Kampf gegen das Virus. Mattia M. hat im Bewusstsein der Italiener, und nicht nur der Italiener, die Corona-Epidemie in Europa ausgelöst. Seit seiner Einlieferung am 19. Februar 2020 werden flächendeckend Coronatests vorgenommen, ganze Gemeinden in Quarantäne gestellt, das gesellschaftliche Leben in ganz Norditalien lahmgelegt.
Suche nach «Patient null» geht weiter
Seine Infizierung wird Ende Januar vermutet. Am 21. Januar trifft sich Mattia M. mit einem Freund, der gerade aus Schanghai zurückgekehrt war. Lange wird diese Kontaktperson für «Patient null» gehalten. Doch der Chinareisende reagiert negativ auf den Coronatest. Die Suche nach dem ersten Infizierten in Mattias Ansteckungskette geht fieberhaft weiter.
In den knapp drei Wochen bis zu seiner Isolierung im Spital von Codogno hat Mattia M. möglicherweise zur Ansteckung von Hunderten von Menschen mit dem Corona-Virus gesorgt. Anlässe gab es genug. Die Sportskanone nahm Anfang Februar an zwei Marathonrennen und einem Fussballspiel teil, hat zwischenzeitlich in der Unilever-Niederlassung von Casalpusterlengo gearbeitet, in Codogno gewohnt und seine Familie sowie Freunde in Castiglione d'Adda besucht. Alle drei Gemeinden sind mittlerweile abgeriegelt von der Aussenwelt.
*Namen bekannt
Das neue Coronavirus hält die Welt in Atem. Doch was genau ist das Sars-ähnliche Virus überhaupt? Wie entstand es? Und wie kann man sich schützen? BLICK klärt hier die wichtigsten Fragen und hält Sie im Newsticker auf dem Laufenden.
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