Alles Greta, immer Klima
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100. Schulstreik der Schwedin:Alles Greta, immer Klima

Heute findet der 100. Klimastreik der schwedischen Teenagerin statt – was hat es gebracht?
Alles Greta, immer Klima

Seit zwei Jahren streikt Klimaikone Greta Thunberg für die Umwelt, auch in der Schweiz folgen Tausende ihrem Beispiel. Den Erfolg sehen die Klimajugendlichen selbst gespalten – dabei ist er unübersehbar.
Publiziert: 16.07.2020 um 23:20 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2020 um 21:18 Uhr
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20. August 2018, Stockholm: Greta, Tochter einer Opernsängerin und eines Schauspielers, ist 15 – und wütend. Allein sitzt sie vor dem Parlament. Kaum 1,50 Meter gross, mit zwei Zöpfen und einem Schild: «Skolstrejk för klimatet» («Schulstreik fürs Klima»).
Fabienne Kinzelmann

Greta Thunbergs (17) treuste Mitstreiterin ist jetzt eine Zimmerpflanze. Die Monstera steht auf dem Fensterbrett hinter ihr, wenn sich Thunberg für ihren Schulstreik fotografiert – so wie sie das jeden Freitag macht. Diese Woche zum 100. Mal.

100 Streiks fürs Klima und eine Frage: Was hat es gebracht?

«Nichts», sagt Marie-Claire Graf (24) ernüchtert, als Organisatorin des ersten Klimastreiks hierzulande so etwas wie die Schweizer Greta. «Wir wurden gehört, eingeladen, gefeiert – aber schlussendlich gab es keine echten, klimafreundlichen Aktionen.» Grafs Bilanz nach fast zwei Jahren Klimabewegung: «Unser Aktivismus hat sich nicht in reale Gesetze umgesetzt.»

Schweiz verfehlt die Emissionsziele

Weltweit steht es schlecht ums Klima. Die USA haben ihren Austritt aus dem Weltklimavertrag eingereicht, die Schweiz verfehlt ihre Emissionsziele – und dass Flugzeuge monatelang am Boden blieben, ist nicht das Ergebnis von Klimastreiks, sondern einzig wegen des Coronavirus. Die aktuellen Massnahmen und politischen Instrumente reichen nicht für die Pariser Klimaziele. Ganz zu schweigen vom noch ambitionierteren 1,5-Grad-Ziel, das Thunberg und ihre Mitstreiter anvisieren.

«In der Schweiz gibt es etwa durch die Lenkungsabgabe gute Fortschritte im Bereich Gebäude, dafür steigt der CO2-Ausstoss aus dem Verkehr», sagt der Schweizer Klimatologe Reto Knutti (47). Immer grössere und schwerere Autos sind ein Problem – dazu kommen Flüge, die in der Schweiz 19 Prozent der Emissionen ausmachen. Noch düsterer werde das Bild, wenn man die konsumbasierten Emissionen dazunimmt: «Für jede Tonne, die wir im Inland ausstossen, kommen etwa 1,5 Tonnen im Ausland dazu.» Tendenz? «Steigend!»

Da wäre es eigentlich gut, wenn Thunberg und ihre Mitstreiter lautstark trommeln könnten. Doch Corona hat nicht nur das Klima von der internationalen Agenda verdrängt, sondern auch die Klimajugend von der Strasse.

Kann Corona eine Chance sein?

Mit der Corona-Krise sind die Klimajugendlichen – von denen viele auch schon mit militanteren Protestformen wie bei Extinction Rebellion liebäugelten – brav geworden. Ihre Streiks verlegten sie, Thunbergs Vorbild folgend, ins Netz. Am 4. September wollen sie endlich wieder richtig auf die Strasse. In zahlreichen Schweizer Städten soll es Demonstrationen geben. «Unser Ziel ist ein dezentraler Streik wie am 15. März 2019», sagt Mattia De Lucia (19). 35'000 Menschen protestierten damals. Ob das unter Corona-Bedingungen klappt, ist unklar. «Es wird sicher eine Maskenpflicht geben. Je nach Kanton müssen wir bestimmte Abstände einhalten oder in 300er-Blöcken laufen.»

Corona, hoffen die Klimajugendlichen, könnte am Ende aber vielleicht auch eine Chance sein. Die Wirtschaft müsse nach dem Lockdown die Umwelt stärker priorisieren. Schaden dürfte es ihr nicht, im Gegenteil: Eine neue Studie des World Economic Forums (WEF) sagt, dadurch könnten bis 2030 weltweit 395 Millionen neue Jobs entstehen.

Thunberg und Neubauer fordern neues System

«Unser gegenwärtiges System ist nicht kaputt – das System tut genau das, was es tun soll und wozu es bestimmt ist. Es kann nicht mehr repariert werden. Wir brauchen ein neues System», schreiben Greta Thunberg und ihr deutsches Pendant, die Studentin Luisa Neubauer, in einem offenen Brief kurz vor dem EU-Gipfel zum Corona-Wiederaufbauplan. Führende Klimaforscher sowie Prominente wie der Hollywood-Star Leonardo DiCaprio (45) und die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai (23) haben die Forderung nach klaren Massnahmen unterzeichnet.

Unwahrscheinlich, dass die EU das Schreiben ignoriert. Dass die Welt nicht einfach zum Status quo zurückkehren kann, ist angekommen – in der Politik, der Wirtschaft und an jedem Familientisch. Und genau darin liegt das grosse Verdienst von Thunberg und ihren nun 100 Schulstreiks.

«Die Bewegung hat es geschafft, das Thema Klimaschutz in der Bevölkerung so breit zu etablieren, dass sie niemand mehr als links-grüne Birkenstock-Ideologie abtun kann», sagt Klimatologe Knutti. Ohne die Bewegung gäbe es wohl keine Gletscher-Initiative, die Revision des CO2-Gesetzes sei griffiger als vorher und die Schweiz wolle wie viele Städte und Länder bis 2050 in Sachen Emissionen auf netto null.

Greta geht bald wieder zur Schule – und hat endlich Freunde

Für Greta Thunberg, die nach einem Zwischenjahr bald wieder die Schulbank drückt, hat sich auch persönlich viel getan. Auf Bildern wirkt sie fröhlicher, zufriedener. Vor den Schulstreiks habe sie keine Energie gehabt, keine Freunde und mit niemandem gesprochen, schrieb die Asperger-Autistin vergangenen September in einem emotionalen Facebook-Post. «Ich sass nur alleine zu Hause mit einer Essstörung rum.»

Nun wird sie umringt, wo auch immer sie hinkommt. Auch wenn das noch für eine ganze Weile nicht ausserhalb Schwedens sein dürfte: Zahlreiche Länder haben ihr Heimatland angesichts hoher Infektionszahlen auf die Risikoliste gesetzt.


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