Freundlich lächelt Aouissaoui Bahrain (21) Ende September in die Kamera. Der Flüchtling befindet sich gerade im Identifikationszentrum der italienischen Hafenstadt Bari. Was zu der Zeit noch niemand weiss: Wenige Wochen später wird der Mann aus Tunesien drei Menschen töten. Bahrain wird zum Messer-Terrorist von Nizza.
Wie gefährlich der 21-Jährige ist, wissen die Behörden in Italien nicht. Nach eigenen Angaben war er aber bereits in Tunesien als Gewalttäter bekannt. Davon ahnt in Italien niemand etwas.
Klar ist nur: Ende September kommt Bahrain mit anderen illegalen Flüchtlingen im Boot via Lampedusa nach Italien. Von dort aus wird er nach Bari gebracht. Lange durfte er aber nicht bleiben. Der Tunesier sollte Italien innert einer Woche verlassen, wie die italienische Zeitung «Corriere della Sera» berichtet. Ein entsprechendes Ablehnungsdekret wurde am 9. Oktober verschickt. Von da an verliert sich die Spur. Bahrain tauchte unter.
Wurde bei der Flucht schwer verletzt
Niemand wusste, wo sich der Tunesier befand. Bis am Donnerstag. Da verübte der Tunesier einen Terroranschlag. Am Morgen betrat er die Kirche Notre-Dame im Zentrum von Nizza, rief «Allahu akbar» («Gott ist gross» auf Arabisch) und tötete drei Menschen. Auf seiner Flucht vor der Polizei wurde er von mehreren Schüssen getroffen und schwer verletzt.
Ein Foto zeigt, wie Bahrain blutend auf dem Boden liegt und gerade von einem Sanitäter versorgt wird. Momentan befindet sich Bahrain in einem Spital. Ärzte kämpfen dort um sein Leben.
Tunesische Behörden ermitteln gegen Bahrain
Die Ermittler fanden zwei unbenutzte Messer, einen Koran und zwei Mobiltelefone sowie eine Tasche mit einigen persönlichen Gegenständen. Darunter auch ein Dokument des italienischen Roten Kreuzes. Laut diesem konnten die Behörden den Angreifer eindeutig identifizieren.
Im Moment prüfen die Ermittler, ob Bahrain möglicherweise von Komplizen unterstützt wurde. Sie wollen auch genauer wissen, wie der Flüchtling nach Südfrankreich kam.
Auch in Tunesien wird gegen Bahrain ermittelt. Gemäss dem Recht des Landes werde jeder Tunesier strafrechtlich verfolgt, der in Terrorakte verstrickt sei, egal ob im Inland oder Ausland, sagte ein tunesischer Justizsprecher am Donnerstagabend. So solle ermittelt werden, ob der Täter in Tunesien möglicherweise Komplizen hatte.
Weitere Attacken in Frankreich
Nur zwei Stunden nach der Attacke in Nizza kam es auch in Avignon zu einem Angriff. Ein Mann bedrohte Passanten mit einer Pistole und ging auf Polizisten los. Auch er soll «Allahu akbar» gerufen haben, schreibt «Europe 1». Dies wurde später allerdings dementiert. Die Einsatzkräfte erschossen den Angreifer. Ein Zusammenhang mit dem Anschlag in Nizza kann derzeit nicht bestätigt werden.
Die Polizei verhaftete am Donnerstag im Zentrum von Lyon zudem einen Afghanen – er war mit einem Messer bewaffnet, wie die Nachrichtenagentur AFP schreibt. Der Mann ist den Sicherheitskräften bekannt. Ob es einen Zusammenhang mit dem Anschlag in Nizza gibt, ist unklar.
Auch in der Nähe einer Kirche in Sartrouville wurde ein Mann verhaftet. Er war offenbar mit einem Messer bewaffnet. Laut der Zeitung «Le Parisien» hatte er versucht, die Tat in Nizza nachzuahmen – glücklicherweise ohne Erfolg. Der Mann konnte vorher verhaftet werden, sein Vater hatte rechtzeitig die Polizei alarmiert.
Höchste Terror-Warnstufe ausgerufen
In Saudi-Arabien kam es am Donnerstag zu einer Messerattacke am französischen Konsulat. Ein Mann hat in Dschidda einen Sicherheitsbeamten angegriffen und leicht verletzt. Der Täter sei festgenommen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur SPA am Donnerstag. Der Mann sei um die 40 Jahre alt.
Frankreich hat nach diesen Attacken nun die höchste Terror-Warnstufe ausgerufen. Die Regierung verstärkt den Schutz von Schulen und Gotteshäusern. Dazu werden auch Soldaten der inländischen Anti-Terrormission «Sentinelle» eingesetzt. Eine besondere Verstärkung mit Sicherheitskräfte werde es in der Mittelmeermetropole Nizza geben, sagte Innenminister Gérald Darmanin.
Premierminister Jean Castex sprach von einer «niederträchtigen» und «barbarischen» Attacke und kündigte eine entschlossene Antwort der Regierung an.
Unterdessen haben Ermittler in Frankreich auch noch einen 47-jährigen Mann festgenommen und in Gewahrsam genommen. Er soll am Vorabend der Tat Kontakt mit dem Angreifer gehabt haben, bestätigten Justizkreise der Nachrichtenagentur DPA am Freitag in Paris. Der Verdächtige sei am Donnerstagabend gestellt worden, hiess es weiter. (jmh/SDA)