Die letzte Recherche des ermordeten Ringier-Journalisten Jan Kuciak (†27)
So hat die Mafia den slowakischen Staat unterwandert

In seiner letzten Recherche förderte der ermordete Ringier-Journalist Jan Kuciak (†27) Unglaubliches zutage.
Publiziert: 28.02.2018 um 19:12 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:39 Uhr
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Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova wurden in ihrem Haus erschossen. Jan arbeitete für aktuality.sk, das zu Ringier Axel Springer Slowakei gehört und damit zum Ringier-Konzern, der auch den BLICK herausgibt.
Foto: Facebook
Vinzenz Greiner

In der Slowakei überschlagen sich die Ereignisse. Der slowakische Investigativjournalist Jan Kuciak (†27) und seine Verlobte Martina Kusnirova (†27) wurden am Sonntag in ihrem Häuschen tot aufgefunden. Erschossen. Die Polizei geht davon aus, dass der Mord in Zusammenhang mit den Recherchen des Journalisten steht, der für Aktuality.sk geschrieben hatte.

Dann fing am Dienstag ein Steuerbüro in der ostslowakischen Stadt Kosice Feuer - es ist die Hauptstadt des Bezirks, in dem Kuciak viel zu Steuerbetrug recherchiert hatte. Gestern fielen kurzzeitig alle slowakischen Websites des Konzerns Ringier Axel Springer aus, zu dem auch Aktuality.sk gehört - kurz nachdem eine Medienmitteilung zu Kuciaks Recherchen verschickt worden war.

«Acht Mal grössere Flächen»

Diese zeigen, wie die Mafia den slowakischen Staat durch verschachtelte Wohnungsverkäufe um Mehrwertsteuern betrügt und dass sie illegal EU-Agrargelder abschöpft. Kuciak schrieb dazu: In einem Fall verlangte die Firma Zahlungen für eine Fläche, die acht Mal grösser war als die Fläche, die sie tatsächlich bewirtschaftete. In anderen Fällen wurden Fördergelder für Flächen bezahlt, für die keine Pacht bezahlt und die nicht bewirtschaftet wurden.

Die Verbindungen zwischen der Mafia und dem Zirkel um den Premierminister.
Foto: Blick Grafik

Kuciaks Text, den er nicht fertigschreiben konnte, dreht sich insbesondere um Antonio Vadala aus Italien – und dessen Beziehung in Regierungskreise. Kuciak schreibt, dass Vadala 2003 einem mordverdächtigen Mafioso zur Flucht verholfen hatte, aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde.

Vadala floh in die Slowakei

Kuciak: In einem weiteren Fall beschreibt das Gericht eine Situation, in der Antonio Vadala mit zwei anderen Männern nach Rom reist, um eine unbekannte Person «zu bestrafen», die «dem Clan Schaden zugefügt hat». (...) Vadala wartete die Urteilsverkündung in Italien nicht ab. Er fand Zuflucht und ein neues Heim in der Slowakei.

Dort begann er, die Partei des amtierenden Premierministers Robert Fico (53), Smer-SD, zu unterstützen. Und er spannte mit der derzeitigen Fico-Assistentin Maria Troskova (29) zusammen. Kuciak schreibt: Im August 2011 gründeten Vadala und Maria Troskova GIA Management. Troskova (...) wurde später Assistentin des Abgeordneten Viliam Jasan.

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Maria Troskova war Miss-Universe-Teilnehmerin und Assistentin des Abgeordneten Viliam Jasan (hier links im Bild). Später amtete das Ex-Model offiziell als Regierungsberaterin.
Foto: Archiv

Beide stiegen auf: Troskova zur Assistentin des Premiers. Jasan (65), ein Geschäftspartner von Vadala, ist Direktor des Sicherheitsrats, der dem Premier untersteht. Antonio Vadalas Arm reicht also in den innersten Zirkel um den slowakischen Regierungschef. Was dieser von alldem wusste, ist noch unklar.

Premier fürchtet «Destabilisierung der Gesellschaft»

In einem Statement am Mittwochabend machte er jedenfalls klar, dass die Opposition mit dem Mordfall versuche, die Regierungsparteien zu kriminalisieren und die Macht an sich zu reissen. Sie nutze den Fall Kuciak, «um Leute auf die Strasse zu bringen». Tausende Slowaken hatten in mehreren Städten gegen Korruption demonstriert. 

Dies alles, so Fico, führe zu einer «Destabilisierung der Gesellschaft und zum Auseinanderfallen der Staatlichkeit.»

Rücktritte in der slowakischen Regierung

Fico bleibt im Sattel. Andere nicht. Kulturminister Marek Madarik (51) trat am Mittwoch zurück. «Nach der Ermordung eines Journalisten kann ich mir nicht vorstellen, in Ruhe weiter Chef dieses Ministeriums zu bleiben, das auch für die Medien zuständig ist», sagte er.

Auch Jasan und Troskova sind von ihren Ämtern zurückgetreten - aber nur vorerst. Sie weisen in einem Statement «jedweden Zusammenhang mit der Tragödie» zurück.

Hier geht es zum Online-Kondolenzbuch für Jan Kuciak.

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