«Ich brauchte das Bad für mich alleine»
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Das erste Mal Ausziehen:«Ich brauchte das Bad für mich alleine»

Aktuelle Studie zeigt
Junge Schweizer Männer sind riesige Nesthocker

Bereits mit 22 Jahren haben die Hälfte der jungen Leute das Elternhaus verlassen, das zeigt eine aktuelle Studie des Bundesamts für Statistik. Junge Männer bleiben allerdings deutlich länger daheim als gleichaltrige Frauen.
Publiziert: 13.07.2023 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2023 um 17:25 Uhr
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Entwicklungspsychologin und Professorin Pasqualina Perrig-Chiello.
Foto: Thomas Andenmatten

Junge Frauen sind früher flügge als junge Männer: Sie ziehen deutlich schneller von Daheim aus. Das zeigt eine aktuelle Publikation des Bundesamtes für Statistik zu Familien und Generationen rund um die Frage, wann Menschen zwischen 15 und 39 Jahren das Elternhaus verlassen. Die meisten tun das zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, mit 22 Jahren ist die Hälfte der jungen Erwachsenen ausgezogen. Dennoch gibt es beträchtliche Unterschiede.

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Junge Frauen ziehen früher aus

Frauen verlassen das Elternhaus einiges früher als Männer. Mit 20 Jahren sind knapp ein Drittel aller Frauen ausgezogen, bei den Männern sind es 23 Prozent. Im Alter von 21,5 Jahren lebt die Hälfte der Frauen nicht mehr bei den Eltern, Männer erreichen diese Schwelle mit 22,8 Jahren. Mit 25 Jahren wächst die Differenz zwischen den Geschlechtern auf 15 Prozentpunkte an: 83 Prozent aller Frauen sind daheim ausgezogen im Gegensatz zu 68 Prozent bei den Männern.

Warum das ist so ist, erklärt die emeritierte Professorin und Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello (70) gegenüber Blick: «Frauen entwickeln sich auf der sozialen und psychischen Ebene schneller. Das ist eine Tatsache, die man schon bei kleinen Kindern beobachten kann.» Zudem gingen junge Frauen früher eine feste Beziehung ein, oft mit älteren Partnern. «Das hat auch mit der Familienplanung zu tun, Frauen haben dafür weniger Zeit als Männer.»

«Frauen ziehen eher aus, wenn sie eine Beziehung haben»
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Unter den Nesthockern, die mit 30 Jahren noch daheim wohnen sind deutlich mehr Männer. «Frauen haben weniger Schwierigkeiten single zu sein. Männer, die in dem Alter noch solo sind, suchen den sicheren Hafen darum oft noch bei ihren Eltern», so die Entwicklungspsychologin.

Ältere Jahrgänge werden früher flügge

Die Studie zeigt auch klar auf: Die jüngeren Geburtenjahrgänge bleiben länger Zuhause als die ältere: Teilt man die jungen Frauen und Männer in zwei Altersgruppen (Geburtsjahrgänge 1978–1987 und 1988–2002), erkennt man, dass im Alter von 20 Jahren 39 Prozent der Frauen der älteren, aber nur 26 Prozent der jüngeren Generation ausgezogen sind. Bei den Männern findet man den gleichen Trend.

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Das hat laut der Professorin nicht bloss mit teurerem Wohnraum zu tun, sondern vor allem mit zunehmenden Unsicherheiten: «Wir leben in einer Welt, mit zunehmenden Bedrohungen wirtschaftlicher und politischer Art und Rückgang der Demokratie. Es ist eine Welt, in der alles möglich ist, aber nichts ist sicher. Darum lassen sich junge Menschen auch mehr Zeit, Wohn- und Lebensformen auszutesten.» Das zeige sich auch in aktuelleren Studien: «Die jüngeren Jahrgänge sind durch Corona ausgebremst worden», so Perrig-Chiello. «Da zeichnet sich ein Trend ab, wonach die Jüngeren mit zunehmenden Unsicherheiten und Risiken konfrontiert sind.»

Lieber ein Paar statt WG

Wer von Daheim auszieht, tut das am häufigsten gleich als Paar: 38 Prozent der unter 30-Jährigen leben in einem Zweipersonen-Haushalt ohne Kinder. Dort überwiegt der Anteil der Frauen mit 43 Prozent gegenüber den Männern mit 33 Prozent. Dafür sind junge Männer häufiger in Einpersonenhaushalten anzutreffen. Die Wohngemeinschaft als Lebensform ist in dieser Altersgruppe mit 20 Prozent noch beliebt, ab 30 Jahren sind es nur noch 3 Prozent.

Hat das gemeinschaftliche Wohnen ausgedient? Laut Perrig-Chiello hat das mit dem verstärkten Individualismus in unserer Gesellschaft zu tun: «Ganz im Gegensatz zu den 1970er-Jahren, wo man in Kommunen zusammengelebt hat. Heutzutage hängt das persönliche Glück viel mehr vom ganz eigenen Lebensstil ab, den man sich selbst gestaltet.»

Nahe bei den Eltern

Fast zwei Drittel aller Jungen, die ausgezogen sind, wohnen weniger als eine Stunde von ihren Eltern entfernt. Das ist bei den Personen, die in der Deutschschweiz leben noch häufiger, als bei jenen aus der französischen und italienischen Schweiz, dort lebt gut die Hälfte in der Nähe. Zudem haben knapp 90 Prozent von ihnen entweder täglich oder mindestens einmal in der Woche Kontakt mit den Eltern. Das sind häufiger Frauen als die Männer und je jünger, desto öfter kommuniziert man mit dem Elternhaus. Führend ist die italienische Schweiz, dort haben knapp zwei Drittel praktisch jeden Tag Kontakt nach Hause.

«Die Beziehung zwischen den Generationen hat sich deutlich verbessert», so Perrig-Chiello. Bei den Babyboomern gab es mehr Kämpfe, sie seien oft sehr früh ausgezogen, um sich abzugrenzen. «Heute gibt es mehr Zusammenhalt, das hat auch mit Abhängigkeiten zu tun», sagt die Psychologin. Etwa, wenn Grosseltern die Enkel betreuen: «Wer eine Familie gründet, zieht nicht weit weg von daheim, wenn es nicht sein muss. Denn in der Schweiz gibt es keine politische Kultur für die Familie, etwa mit Betreuungsplätzen.» Dass erwachsene Kinder und Eltern so oft nahe beieinander wohnen, ist für sie ein deutliches Indiz dafür.

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