Affäre am Zürcher Unispital
Das stand im Whistleblower-Brief an Natalie Rickli

Schon vor vier Jahren wurde die Zürcher Gesundheitsdirektorin von einem Whistleblower auf Missstände am Universitätsspital hingewiesen. Hat sie genug unternommen?
Publiziert: 28.07.2024 um 14:40 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2024 um 10:42 Uhr
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Hat SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli genug unternommen?
Foto: keystone-sda.ch
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Andreas SchmidInlandredaktor

Das Schreiben wurde am 17. April 2020 verfasst. Adressiert ist es an Natalie Rickli (47), die Zürcher SVP-Regierungsrätin und Gesundheitsdirektorin. Der Absender heisst André Plass, zu jener Zeit leitender Arzt an der Klinik für Herzchirurgie am Universitätsspital Zürich (USZ). Was Plass ausführt, lässt aufhorchen.

Seit Monaten melde er massive Verstösse des Klinikdirektors, allesamt gut dokumentiert, «mit Verdacht auf schwerste Vergehen gegen die Patientensicherheit». Zudem enthält der Brief weitere gravierende Anschuldigungen – und alle betreffen Francesco Maisano, damals Direktor der USZ-Herzchirurgie. Obwohl Plass intern 17 Fälle gemeldet habe, seien keinerlei Massnahmen zum Schutz der Patienten ergriffen worden, fasst der Whistleblower zusammen.

Schreiben an die Gesundheitsdirektion, das auf Fehlbehandlungen hinweist.

Es geht um Operationen unter Maisanos Verantwortung, bei denen mit Implantaten experimentiert worden sein soll, deren Befestigungen sich wiederholt gelöst hätten. Maisano habe die Implantate selbst mitentwickelt. In dem Schreiben an Rickli spricht Plass von «Eigenbereicherung» Maisanos.

Schnelle Antwort

Eine Mitarbeiterin Ricklis antwortete dem Absender umgehend und teilte ihm mit, die Gesundheitsdirektion fordere vom USZ-Spitalrat eine Stellungnahme. Danach sei dann aber nichts mehr geschehen, kritisiert Plass. Obwohl es um Straftatbestände und vorsätzliche Handlungen gehe, seien die genannten 17 Fälle nie konkret untersucht worden.

Dieser Aussage widersprechen sowohl Natalie Ricklis Gesundheitsdirektion als auch das Universitätsspital vehement. Man sei nicht nur an den Spitalrat gelangt, sondern habe externe Anwälte mit Abklärungen beauftragt, medizinische Expertisen veranlasst und bei der ärztlichen Direktion des USZ eine Einschätzung eingeholt, betont Ricklis Sprecherin Dragana Glavic-Johansen. Die Verantwortlichen seien zum Schluss gekommen, das Patientenwohl sei nicht gefährdet und es bedürfe keiner Sofortmassnahmen. Glavic-Johansen weist zudem auf eine Untersuchung des Kantonsrats hin und erwähnt, auch die Staatsanwaltschaft sei wegen der mutmasslich verunglückten Operationen aktiv geworden.

Im gleichen Sinn äussert sich auch USZ-Sprecherin Martina Pletscher. Die gemeldeten Fälle seien «in die Untersuchung eingeflossen und von der Staatsanwaltschaft in deren Ermessen beurteilt worden».

Nicht befragt

Was damit im Einzelnen gemeint ist, bleibt unklar. André Plass betont denn auch, die von ihm gemeldeten Fälle seien nie spezifisch untersucht worden – erst recht nicht auf mögliche strafrechtliche Sachverhalte. Um seine Argumentation zu bekräftigen, weist Plass zum einen darauf hin, dass die Untersuchungsinstanzen die Vorgänge gar nicht im Detail kennen, zum anderen, dass er gar nie spezifisch zu den Fällen angehört worden sei: «Ich hätte ja befragt werden müssen als derjenige, der die Missstände gemeldet hat und über die Vorgänge Bescheid weiss.»

Stattdessen sei er wenige Wochen nach seinem Schreiben an die Gesundheitsdirektion vom USZ entlassen worden. Ein ernsthaftes Interesse an einer Aufklärung habe er nirgendwo wahrnehmen können.

Die Gesundheitsdirektion bestreitet auch dies und verweist auf ein Telefongespräch mit Plass kurz nach dessen Schreiben an Regierungsrätin Rickli. Zudem hält die Behörde fest, «unabhängig vom Inhalt» habe Plass mit seiner Mitteilung vom April 2020 «die arbeitnehmerische Treuepflicht verletzt».

Gegendarstellung

In seiner Ausgabe vom 28. Juli 2024 behauptete der SonntagsBlick, dass die E-Mail eines ehemaligen USZ-Mitarbeiters an Regierungsrätin Natalie Rickli im April 2020 mit darin geschilderten Unregelmässigkeiten an der Herzchirurgie des USZ «versandete» und nach einer Antwort nichts mehr geschehen sei. Diese Behauptung ist falsch: Dem öffentlich zugänglichen Walder Wyss-Bericht kann entnommen werden, dass die «konkret erhobenen Vorwürfe und vom ehemaligen USZ-Mitarbeitenden genannten Fälle einer Prüfung unterzogen» wurden, dass konkrete Patientendaten Teil der «gesicherten und gesichteten Unterlagen» waren und dass der ehemalige USZ-Mitarbeitende befragt wurde. Darüber hinaus wurde ein Gutachten zu den Aufsichts- und Führungsstrukturen des USZ in Auftrag gegeben, dessen Empfehlungen im Rahmen der Neubesetzungen im Spitalrat und der Revision des USZ-Gesetzes bzw. die Anpassung der Organisationsstrukturen umgesetzt wurden.

Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, August 2024

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